Konzertbericht: Overkill w/ Exhorder, Heathen, Keops

17.04.2023 München, Backstage (Werk)

Nach all den – teils über mehrere Jahre – verschobenen Konzerten ist man gar nicht mehr gewöhnt, dass eine Tour in direktem Zusammenhang zu einem Albumrelease stehen kann. Umso schöner, dass es bei OVERKILL geklappt hat: Pünktlich zur Veröffentlichung von „Scorched“ (beziehungsweise sogar schon am Vorabend) versengen die Thrasher mit ihrer „Scorching The Earth“-Tour die ersten Clubs in Europa. Und das in einem durchaus attraktiven Gespann, das neben OVERKILL noch EXHORDER, HEATHEN und KEOPS beinhaltet.

Während erstere drei feste Größen im Thrash sind, sind KEOPS weithin unbekannt. Daran dürfte diese Tour auch wenig ändern, wenn die Kroaten jeden Abend so früh auf die Bühne müssen wie an diesem Montag (!) in München: von 18:30 Uhr bis 19:00 Uhr. Ein guter Teil der Konzertbesucher:innen ist da noch gar nicht da, sodass der Auftritt nicht nur musikalisch, sondern auch in Sachen Stimmung sehr unspektakulär ausfällt.

Zwar füllt sich das Backstage Werk im Anschluss erfreulich schnell und gut – doch auch bei HEATHEN bleibt die Stimmung eher verhalten. Das haben sich die Heavy-Thrasher allerdings selbst anzukreiden, gelingt es allen voran Fronter David R. White doch zu keiner Zeit, aus starrer Performance-Routine auszubrechen und dem Publikum das Gefühl zu geben, dass hier nicht nur das allabendliche Programm abgespult wird. Auch, dass Leadgitarrist Lee Altus (aufgrund seiner Verpflichtungen mit Exodus) einmal mehr nicht mit dabei ist, nimmt dem Auftritt etwas von seinem Reiz – zumal Ersatzmann Kyle Edissi etwas zu sehr auf coole Socke macht. Sympathien sammeln HEATHEN darum erst nach der 45-Minuten-Show – als White durch den Bühnengraben läuft, mit Fans abklatscht und bereitwillig für Fotos zur Verfügung steht.

Mit EXHORDER steht im Anschluss eine weitaus speziellere Band auf dem Programm: Die Band gild aus Mitbegründer des vom Sludge beeinflussten groovigen Thrash Metal – aufgrund ihrer diskontinuierlichen On-Off-Karriere mit einer sage und schreibe 27 Jahre währenden Release-Pause zwischen „The Law“ (1992) und „Mourn The Southern Skies“ (2019) hat die Truppe aus New Orleans trotzdem längst nicht den Status anderer Bands ihrer Zeit (wie etwa Pantera). Auch hier und heute scheinen EXHORDER zunächst selbst ihre größten Fans zu sein: Während insbesondere Fronter Kyle Thomas komplett in der Musik aufgeht, zündet der rein instrumentale Opener „Incontinence“ und auch das darauffolgende „Slaughter In The Vatican“ beim Publikum gar nicht. Dass Thomas zudem zunächst komplett auf Ansagen verzichtet, hilft da nicht eben weiter – und als EXHORDER „Death In Vain“ auch noch wegen Soundproblemen abbrechen müssen, ist man versucht, die Show abzuschreiben. Doch EXHORDER können das Ruder nochmal herumreißen: Mit dem punkigen „It’s Time“, gefolgt von den Band-Klassikern „Exhorder“ und „Desecrator“, bekommen die Amis dann doch noch einen ersten ordentlichen Pit in die Gänge – und nach rund 45 Minuten völlig zu Recht lauten Jubel.

  1. Incontinence
  2. Slaughter In The Vatican
  3. Death In Vain
  4. My Time
  5. Legions Of Death
  6. Exhorder
  7. Desecrator

Nach ausgiebigem, aber effizientem Umbau ist die Bühne für OVERKILL schnell gerichtet. Zwar dauert es noch bis 21:40 Uhr, bis Bobby „Blitz“ Ellsworth und Konsorten loslegen – der Missmut über die unnötig lange Wartezeit ist jedoch schon mit dem Opener „Scorched“ wie weggeblasen. Nach dem Einstieg mit der brandneuen Nummer kommen in den folgenden 80 Minuten auch Oldschool-Fans auf ihre Kosten: Zehn verschiedene Alben dienen als Basis für ein Set, in dem OVERKILL Hit an Hit reihen. Dass die Band inklusive Fronter technisch lupenrein performt, kann jedoch nicht ganz kaschieren, dass Bobby nicht mehr der „Blitz“ vergangener Tage ist: Zwar geht er auch heute wie gewohnt von der Bühne, wenn es gerade nichts zu singen gibt – der frühere Signature-Move, der dynamische Sprint in letzter Sekunde zurück ans Mikrophon, wirkt längst nicht mehr dynamisch … und auch sonst macht „Blitz“ keinen allzu fitten Eindruck.

Vielleicht auch deswegen gibt Gitarrist Derrek Tailer heute mehr denn je den Clown, zieht Grimassen, veralbert das Publikum und spielt den Beleidigten, wenn die Fans auf seiner Seite ihm nicht gebannt auf die Finger schauen. In der Summe wirkt das leider etwas übertrieben – insbesondere im direkten Kontrast zu Dave Linsk, der auf der rechten Bühnenseite zwar sichtlich Spaß hat, sich dabei aber dennoch vornehmlich auf seine Funktion als Leadgitarrist konzentriert. Der Stimmung tut das alles keinen Abbruch: Allerspätestens zum obligatorischen Zugaben-Triplett „Overkill“, „Rotten To The Core“ und dem The-Subhumans-Cover „Fuck You“ brennt die Hütte – und OVERKILL haben ihr Tour-Ziel erreicht: Munich scorched!

  1. Scorched
  2. Bring Me The Night
  3. Electric Rattlesnake
  4. Hello From The Gutter
  5. Powersurge
  6. Wicked Place
  7. Coma
  8. Horrorscope
  9. Long Time Dyin‘
  10. The Surgeon
  11. Mean, Green, Killing Machine
  12. Ironbound
  13. Elimination
  14. Overkill
  15. Rotten To The Core
  16. Fuck You (The-Subhumans-Cover)

KEOPS hätte es in diesem Tour-Package eigentlich nicht gebraucht – zumal HEATHEN heute trotz Urgestein-Status leider ebenfalls wie eine durchschnittliche Supportband auftreten (und ankommen). Mit den eigenwilligen (aber auch verdammt coolen) EXHORDER und Stimmungs-Garant OVERKILL bekommen Thrash-Fans im Anschluss jedoch noch zwei Bands zu sehen, die das Geld für das Ticket zusammen allemal wert sind. Aber selbst als Vierer-Gespann muss man diesem Tour-Billing eines zu Gute halten: Alle vier Bands interpretieren den Terminus „Thrash Metal“ auf so unterschiedliche Art und weise, dass zumindest keine Gefahr besteht, vorzeitig über zu viele zu gleich klingende Bands die Lust zu verlieren.

Scherzbold Derrek Tailer (OVERKILL) klebt unserer Fotografin ein Plektrum an die Stirn. © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

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