Konzertbericht: Pain w/ Engel, Turmion Kätilöt

11.10.2011 München, Backstage Halle

Es gibt Bands, die man guten Gewissens als Garant für eine volle Halle ansehen kann – Peter Tägtgrens Elektro-Rock-Projekt PAIN ist eine solche. Und so verwundert es auch kaum, dass das Münchner Backstage sich im Laufe des Abends mehr als gut füllt – und das bei einem Ticketpreis von satten 25€ an der Abendkasse, und zwei eher unbekannten Vorbands.

Den Anfang machen die Finnen TURMION KÄTILÖT, welche neben ihrem für deutsches Empfinden witzigen Bandnamen vor allem dadurch auffallen, dass sie auch optisch aus dem Rahmen fallen: Mit Black Metal-Corpsepaint und -Accesoires wie Nagelarmbändern, bauchfeien Lederoberteilen und dergleichen mehr wirkt die Band reichlich fehl am Platz – und wird entsprechend zurückhaltend empfangen. Musikalisch geht die Reise in der nächsten halben Stunde dann jedoch eher in Richtung Techno-Metal, allerdings der eher stumpfen Sorte, so dass bis auf wenige Momente alles recht monoton und relativ unspektakulär klingt. Wofür die Band dabei auf zwei Sänger zurückgreifen muss, die lediglich abwechselnd und in quasi exakt gleicher Gesangsart herumschreien, bleibt mir ein Rätsel – höflichen Applaus gibt es trotzdem, und immerhin die Band scheint Spass gehabt zu haben, bedankt sie sich doch nach dem Auftritt freudig beim Münchner Publikum. Nunja, schon schlimmeres gesehen…

Weiter geht es mit ENGEL, welche mir von ihrem vollkommen aus dem Setting herausfallenden Auftritt als Support von Amon Amarth und Dimmu Borgir vor einigen Jahren in Erinnerung geblieben sind. Die Truppe von Niclas Engelin, welchen mancher vielleicht als ehemaligen Aushilfsgitarristen von In Flames in Erinnerung hat, hat sich dem Melodic Death Metal verschrieben – und tatsächlich ist die ein oder andere Parallele zu den Vorreitern des Göteborg-Metal nicht von der Hand zu weisen: Hätten In Flames sich weniger in die (Emo-)Core, denn in die elektronische Richtung entwickelt, hätte das Resultat wohl durchaus vergleichbar geklungen. Zwar ist der Wechsel zwischen Clean- und Schreigesang durchaus gekonnt, und sorgt auch für etwas Abwechslung im Klangbild, allein der Rest ist leider reichlich fad: Von einigen wirklich treibenden Nummern, die zum Headbangen verleiten, abgesehen, ist der Rest des Programms relativ ähnlich, man erkennt Songs wieder, die man noch nie gehört hat, und bald schon wirkt das Ganze eher ermüdend denn erheiternd. So richtig will zumindest bei mir der Funke nicht überspringen, zumindest ein Teil des Publikums kannte dem Gig jedoch offenbar mehr abgewinnen, so dass ENGEL mit durchaus achtbarem Applaus belohnt werden.

Wirklich traurig ist aber wohl niemand, als auch dieser Auftritt absolviert ist, schließlich dürfte wohl jeder im Raum einzig wegen der Hauptband erschienen sein – PAIN.
Wo sich die Truppe um Hypocrisy-Kopf Tägtgren 2009 noch auf die kleine Bühne im Backstage Club zwängen musste, kostet man heute die größe der Hallenbühne voll aus: Neben einem riesigen Album-Artwork-Backdrop ziehen dabei vor allem vier riesige Flachbildfernseher die Aufmerksamkeit auf sich, auf denen im Laufe des Gigs die Videos zu den entsprechenden Songs oder andere Visualisierungen dargeboten wurden – am unterhaltsamsten in diesem Zusammenhang der Roadmovie mit Tour-Entgleisungen bei „Have A Drink On Me“.
Auch wenn Peter sich zunächst etwas unkommunikativ gibt, und nur ab und an durch Gesten das Publikum zum Mitmachen auffordert, merkt man der Band an, dass sie reichtlich Spass hat und, wenn auch (Peters Augenringen nach zu urteilen) nicht unbedingt erholt, so doch zumindest motiviert aus ihrem Day-off Tags zuvor zurückgekehrt ist.
Wo bei den Vorbands der Sound bisweilen noch etwas mumpfig und basslastig war, passt bei PAIN von der ersten Minute an alles, so dass Kracher wie „Dirty Woman“, „End Of The Line“ oder „Its‘ Only Them“ kraftvoll aus den Boxen schallen und nicht nur die ersten Reihen zum Headbangen verleiten. Ein Höhepunkt des Sets ist dabei das bereits erwähnte „Have A Drink On Me“, welches die Band auf Bass, Strat, einer Akustikgitarre sowie einem vorne auf der Bühne extra dafür aufgebauten Mini-Schlagzeug quasi-akustisch darbietet. Auch wenn das Ganze leider weniger stilvoll als Berichten zu Folge in anderen Städten über die Bühne geht, da die Band mit leeren Bierkästen statt Barhockern vorlieb nehmen muss (welche die Musiker zunächst in kindlicher Freude über die Bühne treten) – eine wirklich gelungene Darbietung.

Quasi ohne Pause geht es anschließend mit „Supersonic Bitch“ weiter, und nach ohrenbetäubendem Beifall folgen mit „Same Old Song“ und der Evergreen-Bandhymne „Shut Your Mouth“ die geplanten Zugaben des Abends. Man ist auf beiden Seiten des Bühnenrandes sichtlich zufrieden mit der Show, die einen applaudieren, die anderen verbeugen sich, es werden Merchandise-Fahnen, Shirts und Plektren ins Publikum geschmissen und die Band verlässt unter stürmischem Applaus die Bretter. Soweit, so routiniert, könnte man meinen – doch was folgt, ist, was die Band so sympathisch macht: Zunächst lässt sich Aushilfs-Bassist Andre Skaug (Clawfinger) dazu verleiten, von der Galerie in die Menge zu springen und Crowdzusurfen, dann lässt sich Peter vom nicht abreißenden Beifall erweichen und kommt zurück auf die Bühne:
Es dauert etwas, bis man ihm das Mikro nocheinmal anschaltet, schließlich sagt der Mann sichtlich begeistert, bei dem Beifall könnten sie nicht einfach gehen und bittet seine Band zu einer ungeplanten Zugabe zurück auf die Bühne. Ungeplant insofern, als dass Peter seine Inear-Monitore nicht mehr trägt, und sich zunächst Sound auf die Monitor-Boxen geben lassen muss, ungeplant insofern, als dass er sich im Vorhinein entschuldigt, dass sie diesen Song schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr live gespielt hätten, und es wohl mehr eine Punkrock-Version würde, und ungeplant insofern, als dass Peter Bassist Andre bei den Riffwechseln Zeichen geben muss – ungeplant aber auch in der Hinsicht, als dass man beim nun folgenden „Dancing With The Dead“-Kracher „Bye/Die“ wirklich einmal das Gefühl einer Zugabe im eigentlichen Sinne hat, die die Band nicht nach Setlist, sondern aus Dankbarkeit spontan performed.

Ein gelungener Abschluss eines mitreißenden Konzertes, welches die beiden schwächelnden Vorbands bereits nach den ersten Songs vergessen gemacht hat und mal wieder klarstellt: PAIN ist eine Band, die völlig zu Recht als Garant für eine volle Halle gilt.

Setlist PAIN (Reihenfolge & Vollständigkeit unverbindlich)

Let Me Out
Psalms Of Extinction
Dirty Woman
Zombie Slam
End Of The Line
Nailed To The Ground
It’s Only Them
The Great Pretender
I’m Going In
Monkey Business
Have A Drink On Me (akustik)
Supersonic Bitch

Same Old Song
Shut Your Mouth

Bye/Die

Publiziert am von

Fotos von: Moritz Grütz

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