Konzertbericht: Saltatio Mortis w/ Antiheld

18.11.2022 Tonhalle, München

Zweimal mussten SALTATIO MORTIS die Tour zu ihrem aktuellen Album „Für immer frei“ schon verschieben, doch im Gegensatz zu manch anderer Band müssen die Mittelalter-Rocker nicht auch noch eine dritte oder gar vierte Terminänderung dranhängen. Tatsächlich gestaltet sich die Konzertreise bisher überaus erfolgreich und nach Wiesbaden meldet heute auch München ein ausverkauftes Haus. Leider hat es SALTATIO MORTIS erneut in die Tonhalle verschlagen, worunter die Konzertproduktion am heutigen Abend durchaus leiden wird. Im Gepäck hat die Band die Indie-Rocker ANTIHELD als Support und jede Menge neuer Songs.

Überpünktlich um 19:45 Uhr starten ANTIHELD als einzige Vorband in den Abend und können sich definitiv nicht über zu wenig Publikum beschweren, ist doch die Tonhalle bereits jetzt sehr gut gefüllt. Bedingt durch die unsägliche Bühnensituation in der Halle muss das Quartett mit minimalen Platz auskommen. Die Stuttgarter scheinen dadurch aber nur noch mehr motiviert zu werden und geben von Beginn an ordentlich Gas. Tatsächlich ist ANTIHELD zu jeder Sekunde anzumerken, wie dankbar sie SALTATIO MORTIS für diese Chance als Support-Band sind. Ein Großteil des Publikums ist auch mit sichtlich Spaß bei der Sache, allerdings stellt sich schon die Frage, wieso ausgerechnet poppiger Indie-Rock stilistisch passend für den Vorband-Slot einer Mittelalter-Rock-Tour sein soll. Klar, SALTATIO MORTIS sind in den letzten Jahren deutlich moderner geworden, aber so modern dann auch wieder nicht. Leider haben ANTIHELD nach spätestens drei Songs auch schon alles erzählt. Das Songwriting gestaltet sich sehr gleichförmig und ist auf Radiotauglichkeit ausgelegt. Noch gravierender sind aber die zum Teil nur schwer erträglichen Textzeilen wie etwa „Sie fällen vielleicht unser’n Stammpinkelbaum, aber garantiert nicht unser’n Traum“ oder „Heute bleiben wir im Bett liegen und ficken für den Weltfrieden, uns ist alles scheißegal“. Am Ende der 45 Minuten Spielzeit ist die Stimmung in der Halle trotzdem gut und auch ANTIHELD scheinen mehr als happy mit ihrem Auftritt und der Reaktion des Publikums.

Während der halbstündigen Umbaupause verhüllt ein Banner mit Regenbogenflagge und Dudelsack die Bühne und natürlich ist der letzte Song vor Showbeginn auch heute wieder „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten. Die politische Ausrichtung des Abends ist damit erfreulich deutlich gesetzt. Bereits beim Intro „Ein Stück Unsterblichkeit“ wird deutlich, dass SALTATIO MORTIS showtechnisch mittlerweile definitiv ganz oben mitspielen: Massig Scheinwerfer flammen auf und projizieren die Schatten der Musiker auf das noch hängende Banner, das mit den ersten Tönen von „Große Träume“ fällt. Gleichzeitig explodieren auch schon die ersten Konfettikanonen und sofort kocht die Stimmung in der prall gefüllten Tonhalle. Nach den ersten euphorischen Momenten fällt aber sofort auf, dass die Aufbauten aufgrund der Bühnengröße leiden mussten. Die unsinnige Zeltkonstruktion der Halle erlaubt es nicht, dass SALTATIO MORTIS die großen Aufsteller aufbauen, die man bereits von Fotos vergangener Tour-Stationen kennt. Allgemein wirkt die Bühne etwas gedrängt und wie sich im Verlauf des Abends noch zeigen wird, muss München auch auf große Teile der massiven Feuershow verzichten, die eigentlich Teil der Tour ist.

Zumindest wird der zu Beginn des Abends ziemlich dumpfe Sound im Laufe des Sets noch besser und die Energie der sieben Musiker wischt sowieso schnell jeden Unmut über fehlende Showelemente weg. Auch wenn es paradox klingt, die zwei Jahre Corona-Pause scheinen SALTATIO MORTIS gutgetan zu haben. Sowohl die in dieser Zeit entstandenen Songs wie „Pray To The Hunter“, „My Mother Told Me“ oder das jüngst erschienene „Odins Raben“ als auch die Performance der Band sind so gut wie schon lange nicht mehr. Die aus 26 Songs bestehende Setlist lässt dabei keine Wünsche offen und deckt sowohl die modernen Deutschrock-Elemente („Für immer jung“, Bring mich zurück“) als auch klassischeren Mittelalter-Rock („Prometheus“, „Brunnhild“) ab. Natürlich darf auch heute der Mittelalter-Folk-Part nicht fehlen, für den sich SALTATIO MORTIS etwas besonderes ausgedacht haben: Nach kurzer Dunkelheit flammt Schwarzlicht auf und enthüllt ein neues Backdrop und seitliche Banner mit nordischen Tribals und Thorshammer, die durch das Schwarzlicht mystisch leuchten. Frontmann Alea hat sich in einen passenden Druidenmantel mit den gleichen Symbolen gehüllt und schließlich entzünden sich auch noch Feuerschalen auf der Bühne. Großes optisches Kino, das mit den lange nicht mehr gehörten Stücken „Merseburger Zauberspruch“ und „Drunken Sailor“ sowie dem genialen „Heimdall“ auch musikalisch einer Zeitreise gleicht.

Wer SALTATIO MORTIS kennt, weiß, dass die Konzerte stark von der Interaktion mit dem Publikum und diversen Aufgaben für dieses leben. Heute dürfen die Fans Arm in Arm bei „Mittelalter“ von links nach rechts hüpfen, bei „Für immer jung“ einen geliebten Menschen auf die Schultern nehmen und bei „Alive Now“ mit T-Shirts oder sonstigen Kleidungsstücken wedeln. Die Stimmung ist dementsprechend mehr als gut. Kurz vor Schluss platzt Sänger Alea aber kurz der Kragen und er fragt einen Zuschauer in der ersten Reihe hörbar genervt, ob dieser am heutigen Abend auch nur einen einzigen Song mit seinen Augen und nicht durch sein Handy gesehen hat. Die Smartphone-Seuche ist einfach überall. Der letzte Zugabenblock aus „Bring mich zurück“, „Alive Now“ und dem Klassiker „Spielmannsschwur“ holt nochmal die letzten Kraftreserven aus dem Münchner Publikum und nach über zwei Stunden verklingt schließlich der letzte Ton. Die sieben Spielmänner denken aber noch gar nicht daran, die Bühne zu verlassen, stattdessen lassen sie sich minutenlang feiern und kommen aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Schließlich erklingt mit „Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“ von Deichkind aber doch das Outro und entlässt die euphorischen Fans in die November-Nacht.

  1. Große Träume
  2. Dorn im Ohr
  3. Wo sind die Clowns
  4. Loki
  5. Brot und Spiele
  6. Wachstum über alles
  7. Linien im Sand
  8. Brunhild
  9. Odins Raben
  10. Merseburger Zauberspruch
  11. Heimdall
  12. Drunken Sailor
  13. Pray To The Hunter
  14. My Mother Told Me
  15. Mittelalter
  16. Rattenfänger
  17. Seitdem du weg bist
  18. Hypa Hypa (Electric-Callboy-Cover)
  19. Für immer jung
  20. Nichts bleibt mehr
  21. Unsere Zeit
  22. Prometheus
  23. Ich werde Wind
  24. Bring mich zurück
  25. Alive Now
  26. Spielmannsschwur

SALTATIO MORTIS haben heute erneut bewiesen, dass sie zu den besten und sympathischsten Livebands des Landes gehören. Tatsächlich scheint das Septett mit jedem Jahr noch mehr an Energie und Spielfreude zuzulegen und auch musikalisch zeigt sich die Band in den letzten zwei Jahren so kreativ wie nie. Einem zu 100 Prozent gelungenen Abend stehen nur die Bühnensituation in der Tonhalle und die nicht wirklich passende Vorband ANTIHELD im Wege. Im nächsten Jahr dann gerne ein Wiedersehen im Zenith.

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