Festivalbericht: Schlosshof Festival 2011

13.08.2011 Höchstadt an der Aisch

Seit 2007 hat sich das Schlosshof Festival im fränkischen Höchstadt an der Aisch zum inoffiziellen Abschluss der fränkischen Burgenfestivalsaison entwickelt. Auch 2011 konnte sich das Line-Up sehen lassen: Mit Saltatio Mortis und Tanzwut feierten zwei ehemalige Headliner ihr Comeback. Darüber hinaus standen mit Ignis Fatuu vielversprechende Newcomer und mit Coppelius sowie Mono Inc. zwei erprobte Liveacts unterschiedlichster Couleur auf dem Programm. Trotz der stilistischen Kontraste von Mittelalter über Dark-Rock bis Elektro hinterließ das eintägige Festival einen äußerst stimmigen Eindruck. Im Vergleich zu Veldenstein und Abenberg muss sich das Schlosshof längst nicht mehr verstecken.

Für den Auftakt sorgten die Spielleute der Memminger/Münchner-Kombo VERMALEDEYT. Gut gelaunt und stilvoll gekleidet erfreuten sie das Publikum mit traditioneller Spielmannsmusik, schwungvoll präsentiert und selbstbewusst inszeniert. Besonders Vivianne Von Der Saar sprühte am Cello und am Dudelsack nur so vor ansteckendem Charisma und Spielfreude. Entsprechend positiv entwickelte sich die Stimmung bei Stücken wie „La Maitre De La Maison“ und „Pandemonium“ vom letzten Album „Relikt“. Bei der französischen Originalversion von „Wat Zullen Wir Trinken“ namens „Son Ar Sistr“ stimmten schließlich die ersten Reihen im Refrain mit ein und so wurden Vermaledeyt zurecht noch einmal für ihre Zugabe „Feuer und Flamme“ auf die Bühne zurückgeholt. Ein Auftakt nach Maß ohne antiquierte Spielmannsrituale.

Die Nürnberger IGNIS FATUU hatten zunächst mit technischen Problemen zu kämpfen. Je länger die Musiker stumm vor der Menge verweilten, desto mehr stieg die Ungeduld sowohl auf als auch vor der Bühne spürbar. Nach einer gefühlten Ewigkeit legte Sänger Alex beinahe übermotiviert los und schoss damit über das Ziel hinaus. Leider blieben die gravierenden Soundprobleme während des gesamten Auftritts erhalten, so dass zahlreiche Stücke des neuesten Werks „Neue Ufer“ wie z.B. „Wahre Schönheit“ und „Wörterschmied“ qualitativ untergingen. Um möglichst weite Teile der geplanten Setliste unterzubringen, verzichteten die Musiker fast vollständig auf ihre Ansagen und hetzten sich mehr durch ihre Songs als sie zu zelebrieren. Die Publikumsreaktionen dazu fielen häufig entsprechend verhalten aus. Selbst der obligatorische „Wächter der Nacht“ als Abschluss war Ignis Fatuu an diesem Tag nicht vergönnt. Insgesamt ein Rückschlag für eine der vielversprechendsten Folkrock-Gruppen hierzulande.

COPPELIUS fielen anschließend wieder einmal aus der Reihe: Nicht nur optisch und musikalisch, wie man es von den Musikern gewohnt ist. Nein, im Gegensatz zu allen anderen Bands wurden die Kammercorespezialisten von Veranstalter Thomas Ackermann höchst selbst mit einem handverlesenen Brief angekündigt. In diesem unterhaltsamen Schriftstück wurde u.a. auf den nun folgenden „Höhepunkt in der europäischen Musikgeschichte“ hingewiesen. Dieses Urteil wäre (noch) ein wenig hochgegriffen, doch wie bereits auf dem Veldensteiner Festival 2010 avancierten Coppelius mit ihrer tempo- und abwechslungsreichen Bühnenshow schnell zu einem Stimmungsmagneten. Zwar hatten Diener Bastille und Co. die Menge nicht ganz so sehr in der Hand wie im Vorjahr, doch braucht es nicht immer einen strippenden Butler und einen waghalsigen Stagedive, um zu überzeugen: Mit ihrem neuesten Album „Zinnober“ lieferten die Künstler (im wahrsten Sinne des Wortes) eine packende Show, die selbst beim wiederholten Male nicht eintönig wird. Zu virtuos gerät das Klarinettenspiel von Le Comte Caspar und Max Copella, unterstützt von Graf Lindorf am Kontrabass und Sissy Voss am Cello. Während bei „Gumbagubanga“ und „Risiko“ eine riesige Schlosshofparty gefeiert wurde und Le Comte Caspar mit seinem Instrument sogar einen Ausflug in die Menge unternahm, ließen Coppelius ihren Auftritt mit „Ade mein Lieb“ ausklingen. Und für diese 3 Minuten nahmen beinahe alle bereitwillig auf der Wiese oder dem Boden Platz. Wonnige Gänsehautatmosphäre machte sich breit – und das Festival hatte seinen ersten Höhepunkt erreicht.

Gerade noch pünktlich erschienen MONO INC zu ihrem Auftritt in Höchstadt. Eine Reifenpanne hatte den Bandbus auf dem Hinweg abrupt zum Erliegen gebracht. Doch davon ließen sich die Hamburger nicht aus der Ruhe bringen: Zwar dauerte es seine Zeit, bis das Nord/Süd-Gefälle überwunden war, doch nachdem sich die Musiker an ihr süddeutsches Publikum (und umgekehrt) gewöhnt hatten, lieferten Mono Inc wieder einmal eine überzeugende Liveshow. Zwischen Songs wie „Comedown“, „Viva Hades“ und dem Iggy Pop-Cover „The Passenger“ fehlte es lediglich an nennenswerten Highlights und besonderen Vorkommnissen. Martin Engler legte als Frontmann einen gewohnt souveränen wie stimmlich überzeugenden Auftritt hin und suchte immer wieder den Kontakt zu den Fans nahe der Stage. Mit Schlagzeugerin Katha Mia spielten Mono Inc ihr großes Plus schließlich beim obligatorischen Schlagzeugsolo am Ende aus. Die düsteren Gothrock-Hymnen wie „If I fail“ hinterlassen zwar bei gediegener Abendstimmung einen intensiveren Eindruck, doch selbst am frühen Nachmittag geriet dieses Stück sehr atmosphärisch. Gitarrenlastiger Gothik-Rock als Verschnaufpause auf einem Mittelalterfestival war eine mutige Entscheidung, doch dieser Mut wurde auf dem Schlosshof 2011 belohnt.

Vor zwei Jahren waren TANZWUT noch als Headliner nach Höchstadt gekommen. Inzwischen hat sich bandintern einiges getan: Teufel und seine neuen Mitstreiter distanzierten sich endgültig von Corvus Corax und gründeten nebenbei noch ein eigenes Mittelalterprojekt unter gleichem Namen. Darüber hinaus feierte Ardor vom Venushügel sein Comeback und Tanzwut kündigten gleich zwei neue Alben für dieses Jahr an. Im Frankenland standen die e-gitarren-geschwängerten Elektrosounds im Vordergrund. Eine fragwürdige Entscheidung, wie sich schnell herausstellte. Zwar zeigte sich Teufel ungewohnt gut gelaunt, doch stimmlich ist er inzwischen in die Jahre gekommen. Das wurde besonders bei den älteren Tanzwut-Nummern wie „Ihr wolltet Spaß“ deutlich. Insgesamt gab es erstaunlich wenig neues Material vom zeitnah erscheinenden Longplayer „Weiße Nächte“ zu hören, sondern vielmehr einen Querschnitt durch die gesamte Vita des Septetts inklusive dem Ärzte-Cover „Bitte, bitte“. Warum ausgerechnet die Merseburger Zaubersprüche mit elektronisch-verzerrten Sackpfeifen dermaßen abgewertet werden müssen, bleibt jedoch ein Bandgeheimnis. Ebenso wie Teufels Ansagen, von denen ich exemplarisch eine frei zitieren möchte: „Wir sind heute Morgen um 6 Uhr aufgestanden. Da waren unsere Knochen noch biegsam. Nun stehen wir vor euch – wie ein Vulkan.“
Doch damit nicht genug: Später kündigte der Frontmann vollmundig „Was soll der Teufel im Paradies?“ an, nur um anschließend völlig reibungslos in eine ganz andere Nummer überzugehen. Anschließend wiederholte der Mann mit den beiden roten Hörnern ohne einen weiteren Kommentar die GLEICHE Ansage beinahe WORT für WORT, um doch noch das eigentlich vorher angedachte Stück zu präsentieren. Kein weiterer Kommentar nötig.

SALTATIO MORTIS hätten es sich als Headliner denkbar einfach machen können, lieferten die Karlsruher auf vergleichbarer Position beim Feuertanz 2011 wenige Monate zuvor eine packende Show. Doch da SaMo beim Schlosshof bereits seit mehreren Jahren zu den Stammgästen gehören, bedankte sich die Band auf ihre eigene Art und Weise: mit direkt zwei Livepremieren vom neuen Album „Sturm aufs Paradies“, namentlich „Hochzeitstanz“ und „Habgier und Tod“. Beide Stücke wurden – ebenso wie das bereits liveerprobte „Eulenspiegel“ – sehr gut aufgenommen, sehr zur Erleichterung der Musiker, die zuvor spürbar nervös und gespannt waren. Trotz der knapp 45-minütigen Verspätung konnten Saltatio ihre vollständige Setliste spielen, die fernab der zwei Debüts mit Songs wie „Prometheus“, „Miststück“ und „Uns gehört die Welt“ auf modernem Mittelalterrock fußt. Dieser bewährte sich auf dem Schlosshof ebenso wie auf dem Feuertanz, wobei die Lichtshow in Höchstadt den Auftritt noch einen Ticken besser wirken ließ. Dass sich die Band auch im Zuge ihres wachsenden Erfolgs noch mit Humor nimmt, bewiesen einige Anspielungen von Schlagzeuger Lasterbalk hinsichtlich der Pro 7-Ausstrahlung von Aleas Hochzeit. Als der Frontmann sich daraufhin bei seiner Antwort verbal verhaspelte, kommentierte der wortgewandte Riese dies spontan mit einem „Grammatik nicht brauch“. Diese kurzen Einlagen sorgten neben der Musik für extrem kurzweilige Unterhaltung zur fortgeschrittener Stunde. Nur einmal übernahm sich Alea aka der bärtige Barde mit seinem Handstandüberschlag zum Mikro und verpasste seinen Einsatz. Der beeindruckende Sanges-Stagedive bei „Falsche Freunde“ konnte dies aber postwendend kompensieren. Zuvor fegte der begeisterte Hobbykampfsportler bei „Wir säen den Wind“ bereits mit einer Fahne quer durch die Menge, die sich daraufhin hinter ihm wieder zum Kollektiv zusammenschloss. Gegen Ende wurde es schließlich weniger wild und während die Menge die Melodie des „Spielmannsschwurs“ sang, verabschiedeten sich die Spielmänner von Saltatio Mortis vermutlich bis zum nächsten Jahr.

 

Publiziert am von und Uschi Joas

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