Festivalbericht: Wave Gotik Treffen 2011

09.06.2011 Leipzig

Leipzig, Pfingstwochenende. Sonst geprägt durch jede Menge Studenten, die die Straßen mit aberdutzenden Fahrrädern unsicher machen, findet man die Stadt vom 9-13.6.2011 wie verwandelt vor. Eine schwarze Flut tränkt beinahe jede Gasse im weiten Kreis um die verschiedenen Veranstaltungsorte des WAVE GOTIK TREFFENS: Die Invasion von über 20.000 Anhängern der Schwarzen Szene aus ganz Deutschland und darüber hinaus.

Mittlerweile zum 20. Mal findet das WGT in bereits altbekannter Tradition statt; Jubiläum ist angesagt. Das nicht nur mit rund 200 Bands, jeder Menge Weltpremieren sondern auch jeglicher Form von schwarzer Fashionausprägung. So wird man von elegant gekleideten Herren aus dem frühen 16. Jahrhundert über ausschweifenden Barockkleidern bis hin zu knappen Lack- und Lederoutfits allem gewahr, was man sich visuell nur vorstellen kann.

DONNERSTAG

Am Donnerstag war Rückschau auf 20 Jahre angesagt, denn es traten viele Klassiker in der Agra-Halle auf, die das WGT von Anfang an begleitet haben: DAS ICH, THE ETERNAL AFFLICT, LOVE LIKE BLOOD etc. Herausstechend bleibt LOVE LIKE BLOOD zu erwähnen, bei denen ein recht großer Andrang herrschte, da dies nach 14 Jahren Bühnenpräsenz ihr letztes Konzert war.
FREITAG

Am Freitag ging es mit dem Programm jedoch erst so richtig los. Bei über einem Dutzend Veranstaltungsorten und jeder Menge Begleitprogramm war einfach für jeden etwas dabei.

Wir schreiben 16:00Uhr, Alte Messe – Halle 15: CHTHONIC betreten die Bühne und für ihre durchschnittlich 1,50m haben die eigenwilligen Black Metaler aus Taiwan ganz schön Power. Aber auch nur dafür. Größtenteils wirkt der Gesang neben breitem Keyklangteppich etwas fade und schwach, erinnert an eine müde Kopie von Cradle Of Filth nur mit sehr politisch angehauchten Texten. Doch das wird wohl vor allem die männlichen Wesen weniger interessiert haben dürfen, gab es doch eine traumhaft visuelle Augenweide in Form der Bassistin. Alles in allem interessante tawainesische Klangkunst, doch auf Dauer sind die immer gleichen Screams, hinterlegt mit Keydecke etwas zu eintönig.

Wohl keiner achtete bei den Jordaniern BILOCATE auf das Aussehen. Sie rissen allein durch ihre fantastische Mischung aus orientalischen Klängen und Dark/Doom Metal das versammelte Publikum langsam aber sich in eine andere Welt, jenseits des Westens. Oder hätten es zumindest getan, wäre der Sound nicht so exorbitant grausam gewesen, dass man eigentlich nur weglaufen wollte. Klangmatsch wäre da noch euphemistisch ausgedrückt. So musste man sich damit begnügen, zu wissen wie es sonst klingt. Schade, denn das Sextett ist momentan einer der Geheimtipps der Szene, die spätestens mit ihrer zweiten Platte „Sudden Death Syndrom“ nicht Wenige zu begeistern wissen. Dennoch war die Setlist relativ ausgeglichen „2nd War In Heaven“, „The Tragedy Within“, „A Desire To Leave“, „Dead Emotion“ vom alten „Dysphoria“ gegen „The Dead Sea“ und 17-Minuten-Longplayer „Blooded Forest“ der letzen Scheibe.

Szenenwechsel: DIAMANDA GALAS in der Alten Oper. Nach einer Stunde Verspätung aufgrund technischer Probleme konnte der showtechnisch sehr minimalistische Auftritt begonnen werden. DIAMANDA am Klavier, etwas Nebel für die düstere Stimmung. Die vier hoch und runter gesungenen Oktaven der Lady waren gewöhnungsbedürftig, so verließen während des Konzerts einige Leute sichtlich verstört den Saal. Als letztes Stück spielte sie das 1933 entstandene „Gloomy Sunday“, was schnell in verschiedenen europäischen Ländern verboten worden war, da es zu einer Art Selbstmordhymne geworden war.

Aber zurück zum Metal: Die seit 2006 existenten Black Metaler VREID riefen wieder zur Alten Messe. Zum ersten Mal war die Halle dann auch richtig gefüllt, der Sound wurde sogar ein Stück weit besser, so dass man endlich die verschiedenen Instrumente differenzieren konnte. Durch Songs wie „Speak Goddamnitt“, „The Sound Of The River“, „Wolverine Bastards“, „The Others & The Look“ und vor allem „Pitch Black“ sah man außerdem zum ersten Mal das Publikum richtig in Aktion. Es braucht wohl doch den kalten norwegischen Hauch, um Metalheads sowie Goten richtig warm werden zu lassen.

Endlich sitzt der Sound und wir bleiben im Land der gigantischen Fjorde. TRISTANIA, female fronted Gothik Metal der Extraklasse und Mitbegründer dieser Szene in Skandinavien entern die Bühnenbretter. Die Halle ist voller als jemals zuvor Alles wiegte sich, denn für jeden hielt die gelieferte musikalische Bandbreite etwas bereit. Ob tiefe Growls von dem neuen Sänger Kjetil Nordhus oder lieblichen Gesang von diesmal ganz in weiß gekleideter Mariangela „Mary“ Demurtas, deren zierliche Gestalt mit einem enormen Stimmenorgan überraschte. Wem das noch nicht genug war, wurde spätestens von Gastmusiker Pete Johansen und seinem brillanten Violinenspiel verzaubert. Und wer sich von der musikalischen Vielfalt, tollen Show und Soundgewalt dennoch nicht betören lassen wollte, ließ sich vom Optischen begeistern und schaute Mary bei ihrer Performance zu.
(Setlist: Year Of The Rat, The Wretched, Protection, Tender Trip On Earth, Shadowman, The Passing, Beyond The Veil, Amnesia, Exile).

Doch nun Bühne frei für den Headliner! Erhabene Melancholie senkte sich mit den ersten Tönen von „Thin Air“ herab und ANATHEMA zogen die Menge mit ihrem eigenwilligen Alternative Rock sofort in den Bann. Die Location war nun bis zum Anschlag gefüllt; mehr als berechtigt. Absolut jeder wird von dem Quintett plus Gastsängerin auditiv gefesselt, in den leisen Gesangparts hört man, dass es fast absolut still in der Halle ist. Der mittlerweile grandiose Sound und die Liveperformance voller Emotion und Hingabe an die Musik sind ein Spektakel, was man sich nicht entgehen lassen sollte. Wunderbar atmosphärisch untermalen Gitarren und Keyboardeinsätze männlich sowie weiblichen Gesang, so dass man gar keine andere Wahl hatte, als lautstark zu applaudieren und im Chor nach Zugaben zu verlangen. Dem Wunsch kamen ANATHEMA gerne nach, so dass das Set nach insgesamt zwölf Songs geschlossen wurde und die Band unter tosendem Jubel von der Bühne entlassen wurde. Résumé: Als Headliner erfolgreich absoluter Höhepunkt des Abends!
(Setlist: Thin Air, Summernight Horizon, Dreaming Light, Everything, Closer, A Natural Disaster, Angels Walk Among Us, Deep, A Simple Mistake, Universal, Flying, Fragile Dreams)

SAMSTAG

Besser als mit der Weltpremiere von EMPYRIUM konnte der Tag nicht beginnen. Bereits zu Öffnung eine Stunde zuvor, findet man eine lange Schlange Ungeduldiger vor den Pforten des Pantheons. Pünktlich um 15Uhr betritt EMPYRIUM die Bühne; und das in Starbesetzung: neben Initiator Markus Stock sitzen in der hinteren Reihe Jochen „Eviga“ Stock (Dornenreich), Fursy Teyssier (Les Discrets) und Neige (Alcest). Schwer ein solches Konzert zu beschreiben, denn die Atmosphäre unter Kuppeldach umrahmt von einem wunderbaren Säulendach war einfach atemberaubend. Dazu die Klänge von drei (teils Akustik)gitarren, perfekt ausbalancierter Sound; es dauerte keinen Song weit und das Publikum schwebte in einer naturmystischen Märchenwelt. Begonnen wurde passend mit dem ersten neuen Lebenszeichen „The Days Before The Fall“ nach der Wiedervereinigung unter Prophecy als Einleitung für eine musikalische Reise durch die Bandgeschichte. Nach gespieltem Set wollte man EMPYRIUM jedoch keinesfalls von der Bühne lassen und feierte sie jubeljauchzend so lange, bis fünf Zugaben gespielt waren.
(Setlist: The Days Before The Fall, The Franconian Woods in Winter\’s Silence, Where At Night The Wood Grouse Plays, Heimwärts, Mourners; Zugaben: Die Schwäne im Schilf, Dead Winter Ways, Der Weiher, Many Moons Ago, Das Blau-Kristallne Kämmerlein)

Zurück in die Halle 15 zu härteren Tönen; das 2007 zusammengefundene, somit relativ junge Gespann BARREN EARTH aus Größen wie u.a. Gründer Olli-Pekka Laine (Ex-Amorphis), Marko Tarvonen (Moonsorrow) und Sami Yli-Sirniö (Kreator) rief zum abfeiern bei rockigem Progressive Death Metal mit Folkeinflüssen. Der Aufforderung folgten um diese Uhrzeit ungewöhnlich viele, so dass die Halle ansehnlich gefüllt war. Das Set war aufgrund des bis dato nur einzigen, 2010 releaseden Albums „Curse Of The Red River“ relativ klar. Man ersetzte lediglich den Opener „The Curse Of The Red River” durch „Jewel” von der 2009 erschienen EP und ließ „The Ritual Of Dawn” und „Ere All Perish” beiseite. Trotz der ansprechenden Show war beim Publikum nicht mehr als leichtes Fuß- und Kopfnicken zu beobachten; wahrscheinlich musste erst der Kater vom Vortag aus dem Kopf geblasen werden.
(Setlist: Jewel, Our Twilight, Flicker, Forlorn Waves, The Leer, Cold Earth Chamber, Deserted Morrows)

Dies erledigten dann die Jungs von VINTERLAND, die seit 15 Jahren erstmals wieder die Bühnenbretter erklommen. Dementsprechend wurden sie gefeiert und man gewahrte die ersten schwungvoll kreisenden Köpfe. Verschwanden die Schweden nach ihrem Debüt „Welcome My Last Chapter“ 1995 trotz durchgehend positiver Resonanz von der Bildfläche, schienen sie sich jetzt ihr gebührendes Lob endlich abholen zu wollen. An Publikumsreaktionen gemessen definitiv gelungen, auch wenn die Live Performance etwas mehr Bewegung hätte vertragen können.
(Seitlist: A Winter Breeze, A Castle So Crystal Clear, As I Behold The Dying Sun, Vinterskogen, I\’m Another In The Night, Our Dawn Of Glory, Wings Of Sorrow)

Nun hieß es, sich möglichst schnell ans andere Ende der Stadt zu teleportieren, um pünktlich zu EF auf der Matte zu stehen. Der Theorie, gemütlich 40 Minuten vorher losgehen, um gemächlich einzutreffen, folgte die Praxis der Leipziger Verkehrsbetriebe: 20 Minutentaktung plus Verspätung. Anscheinend waren 20 Jahre Wave Gotik Treffen in Sachen Planung spurlos an ihnen vorübergegangen. So kam man völlig gehetzt zu den letzten zwei Songs der schwedischen Postrocker an, gewahrte den für die kleine Schaubühne Lindenfels etwas zu lauten Sound, die wundervoll atmosphärische Stimmung und ärgerte sich, ein grandioses Konzert verpasst zu haben.

Entschädigt wurde man umso mehr durch eine weitere Weltpremiere. Namentlich von LES DISCRETS, neuerdings besetzungstechnisch aus Fursy Teyssier plus Alcest bestehend. Mit dem eigenwilligen Sound irgendwo zwischen Postrock und Shoegaze hatten die Herren am Mischpult wohl einige Probleme; eine teilweise total übersteuerte Technik ließ nicht nur das Publikum die Nase rümpfen. Dennoch tat dies der atemberaubenden Atmosphäre keinen Abbruch und trotz einiger kleiner Verspieler –für den ersten Auftritt wollen wir das verzeihen- wurden LES DISCRETS mit Beifall überschüttet. Außer dem beliebten „Song for Mountains“ wurden weiterhin zwei neue, noch namenlose Songs vom bald kommenden, ebenfalls noch unbetitelten Album dargeboten. Ganz großes Kino, so dass die vier ohne Zugabe selbstverständlich nicht von der Bühne entlassen wurden.

Switch ins Heidnische Dorf. Dort platzte im Bühnenbereich fast alles aus den Nähten, da FAUN auch nicht-WGTler anzogen, die auch ohne Bändchen gegen einen kleinen Obolus ins Heidnische Dorf hineinkamen. Somit ist saumäßig überfüllt dezent untertrieben, ebenso wunderbare Stimmung. Als Headliner besagter Location spielten sie ein sehr langes Set, was natürlich mehr als begeistert aufgenommen wurde.

Zum Abschluss des Abends startete man den Versuch, sich in den völlig überfüllten Felsenkeller zu quetschen, was gerade so gelang. Bühne frei für ROME, das düster-avantgardistische Projekt des Luxemburgers Jerome Reuter. Seit 2005 vereint er in eingängigen, doch qualitativ hochwertigen Konzeptalben „Dark Ambient“, „Apocalyptic Folk“, Martial Industrial“ und noch eine Menge mehr. Nach nunmehr eineinhalb Jahren Pause meldete er sich mit neuer Formation und Programm auf dem WGT zurück, was besagten Riesenandrang auslöste. Die Show an sich wurde einfühlsam und souverän gespielt, dass auch diese Band an einer Zugabe nicht vorbei kam.
(Setlist: Like Lovers, A Consolation Of Man, All For Naught, Der Erscheinungen Flucht, Das Feuerordal, The Death Of Longing, The Merchant Fleet, To Die Among Strangers, Bread And Wine, Hope Dies Painless, Sons Of Aeeth; Zugaben: The Torture Detachment, Neue Erinnerung, Swords To Rust – Hearts To Dust)

Damit endete tertia dies und ehe man den letzten Bus verpassen konnte, sputete man sich Richtung Koje und ließ dort den Abend ausklingen.

SONNTAG

Sonntag begann man im fast nachtschwarz abgedunkelten Pantheon zu den düsteren Klängen der Italiener THE FORESHADOWING.
Es gibt Bands, da hängt der Erfolg der Show im Wesentlichen von der Atmosphäre ab, die der Südländer zählt dazu. So hätten sie es besser als mit der Kuppelhalle nicht treffen können, in der sich alsbald die kraftvollen Klänge, getragen von einer verzerrten Gitarre und begleitenden Keys ausbreiteten und in die apokalyptischen Ahnungen eines Wahnsinnigen einführten.

Anschließender Locationwechsel führte einen zum Glück nur in die Kantine selbigen Gebäudes, wo CRIB45 an der Reihe waren. Im Programmführer als „alternative Prog-Metal-Band mit Sinn für düster-sanfte Schönheit“ beschrieben, würde man das gespielte Set doch eher in die Doom-Ecke schieben können. Namentlich präsentierte man mit u.a. „The Chant“, „Last Breath“, „Zahir“ größtenteils Stücke von der bis dato einziger, 2009 erschienenen, CD „Metamorphosis“. Doch auch wenn CRIB45 klangtechnisch nichts wirklich Neues boten -langsamer Atmosphärenaufbau, tiefe Growls, teils durchmischt mit klarem Gesang- spielten die Finnen eine gute Show, an der nichts weiter auszusetzen war.

Zurück in die Kuppelhalle zu OCTOBER TIDE. Mitte der 90er begonnen als Zwischenprojekt der Katatoniamitglieder Jonas Renkse und Fred Norrmann, um archaischen Doomwurzeln zu frönen, schafft die Kombo in 2010 endlich spielfähiger Bandbesetzung den Sprung zum Liveauftritt. Das mehr als bravurös. Zur Atmosphäre muss man mittlerweile nicht mehr sagen als Stichwort Pantheon. Annähernd perfekter Sound, ansehnliche Liveperformance reißt das gut gefüllte Kuppelgewölbe gelungen in die düster dunklen Gefilde Schwedens, was man mit lautstarkem Beifall dankt.
(Setlist: A Custodian Of Silence, Blackness Devours, Sweetness Dies, Heart Of The Dead, Infinite Submission, Blue Gallery, October Insight, Grey Dawn, Fragile, 12 Days Of Rain, The Dividing Live)

Doomig, dark und düster geht es auch mit den ausgerechnet in Mallorca gegründeten HELEVORN weiter. Diese Insel bringt also doch mehr zustande als Ballermann. Seit 1999 beschallen die Spanier die Welt mit ihren langsamen, intensiv dunklen Klängen. Mehr als erfolgreich, denn ihre letzte CD „Forthcoming Displeasures“ erhielt den zweiten Platz bei den Metal Storm Awards, nominiert als bestes Doom Metal Album 2010. Somit verwundert der Fokus mit „Descent”, „Two Voices Surrounding”, „Yellow“, „To Bleed Not To Suffer” und „Revelations” auf eben jenes Album keineswegs. Dennoch wurden alte Stücke nicht vergessen und zwei Player aus dem 2005 erschienen „Fragments“ („Sequences“, „Nobody Is Waiting“) dazwischen gestreut.

Somit wären wir auch schon beim Headliner im Pantheon angelangt: KATATONIA gaben sich die Ehre. Der anfangs etwas misslungene Sound, wurde nach dem zweiten Lied schnell hingebügelt und man konnte ein Konzert voller berauschender Atmosphäre genießen. Dass die Jungs sich von OCTOBER TIDE Bass und Gitarreneffekte ausleihen mussten, da ihr eigenes Equipment verloren gegangen war, wofür sich Sänger Jonas „Lord Seth“ Renkse entschuldigte, müsse man doch auf den gewohnt guten Sound anteilig verzichten, fiel dabei nur am Rande auf. Insgesamt kann man die grandiose Show trotz dieser zwei kleinen Schönheitsfehler nur loben; nach immerhin 15 Songs gelungener Abschluss in der Kuppelhalle.
(Setlist: Leaders, Liberation, Chrome, Clean Today, My Twin, Longest Year, Ghost Of The Sun, Right Into The Bliss, I Break, Sweet Nurse, Nephilim, July, New Night, Day & Shade, Forsaker)

Allgemeines Konzertende war aber noch lange nicht angesagt. Motto: ab ins Heidnische Dorf zu HEIDEVOLK. Nach knapp 60 Fahrtminuten und einer großzügigen Metpause zum einstimmen, betrat man das wiederholt bis zum Überquellen überfüllte Dorf. Von Feierlaune der Leute her größtes gesehenes Spektakel des Festivals. Schon beim Opener „Ostara“ bewegte sich die Menge wie wild, was bei gut Bekanntem wie „Saksenland“ als auch „Het Gelders Volkslied“ nicht besser wurde; im Gegenteil. Auch wenn niederländisch, wusste man die Texte lauthals mitzugrölen, ließ die Matten kreisen und schwenkte die Methörner wild in die Höhe. Zugaben gab es selbstverständlich: „Krijgsvolk“ sowie das wohl jedem durch irgendwelche Partys geläufige „Vulgaris Magistralis“ sollten den Abend beenden. Gerne hätten HEIDEVOLK und Publikum noch einen drauf gesetzt, doch die Rechtslage verbot leider Konzertgedonner nach 24Uhr. Egal, absolut der Hammer bleibt absolut der Hammer!
(Setlist: Ostara, Saksenland, Het Gelders Volkslied, Het Wilde Heer, Dondergod, Een Geldersch Lied, Beest bij Nacht; Zugaben: Krijgsvolk, Vulgaris Magistralis)

Zum Ausklingen marschierte man zum Mitternachtsspezial von RECOIL in die Agra-Halle. Dort standen Alan Wilder (Ex-Depeche Mode) und Paul Kendall eigentlich nur an ihren Laptops, denen sie jedoch mächtige Klänge entlockten – eine Mischung aus Industrial und Trip Hop, einfach gute, experimentelle elektronische Musik mit einer faszinierenden Videoshow im Hintergrund. Der Sound war für die Halle ausnahmsweise sehr gut, doch aufgrund vorangeschrittener Uhrzeit war die Agra nur noch licht besetzt. Wer sich nicht überwinden konnte, sein Hinterteil gegen ein Uhr morgens dorthin gehievt zu bekommen, hat eindeutig etwas verpasst.

MONTAG

Nach ausgiebigem dreistündigen Frühstück in der Leipziger Innenstadt, rollte man erneut zur Agra-Halle, wo NORTHLAND schon mit dem Soundcheck beschäftigt waren. Kurze Zeit später hieß es dann: Köpfe fertig, losschütteln. Dem Ruf wurde dann –je nach Bekleidung- mehr oder weniger Folge geleistet. Beifall gab es dennoch en masse für die melodischen Folk Metaler aus Spanien. Die Liveperformance ließ sich ebenfalls sehen, auch wenn man bei vergleichbaren Konzerten mehr Aktion von den Sechsen gewöhnt war. Wahrscheinlich wurde für die Goten vorsichtshalber ein Metalgang runtergefahren. Soundtechnisch ging es weniger galant zu, zweimal längere Ausfälle der Gitarre ließen den Auftritt etwas hinken, verschafften der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch und wurden von Fronter Pau gut überspielt: „It\’s because of the beer, too much is not good for your health“. Als letzten Song gab\’s dann „Revenge“ auf die Fresse, was schallend mitgegrölt wurde.

Von Stromgitarren zu gar wundervoll geschwungenen Saitentönern Cello und Kontrabass. Kombiniert mit dem Klang zweier Klarinetten, vorangetrieben durch donnerndes Schlagzeug, was der nach eigenen Behauptungen im 18.Jahrhundert entstandenen Band COPPELIUS dann doch den modernen Touch gab. In feiner Manier, wie immer galant gekleidet, betritt man die Bühne und lässt alsbald die Bühnensau raus. Man möchte fast meinen in der Komischen Oper Berlins zu sitzen. Die Performance bleibt auf jeden Fall im Gedächtnis hängen und auch sonst begeistern die Herren mit Stücken wie „Schöne Augen“, „Gumbagubanga“, „Risiko“, „Adé, mein Lieb und -angelehnt an Goldonis komisch-geniales Meisterwerk „Diener zweier Herren“- „Diener 5er Herren. Applaus, Applaus.

Als Abwechslung teleportieren wir uns kurzzeitig ins Werk II zu THEE FLANDERS, einer Psychobilly Band aus Deutschland. Der Laden ist gut besucht, nicht so stark wie bei der vorherigen Band „BLOODSUCKING ZOMBIES FROM OUTER SPACE“, aber immerhin. Sänger Norman Winter hatte wie immer eine sichtlich lange Sitzung beim Maskenbildner hinter sich. Bei den ganzen Latexwunden, die sein Gesicht zierten, gingen bestimmt einige Stunden drauf. Doch nicht nur optisch gaben die Potsdamer was her; Publikum sowie Band hatten sichtlich Spaß an den kurzen schnellen Songs, bei denen niemand stillstehen konnte.

Zappen zurück zur Agra; CRIMFALL is playing next. Selbst beschreiben die Finnen ihr Projekt als „noch epischer, noch grandioser, noch extremer, noch dramatischer“. War ihnen bewusst, dass sie damit Erwartungen setzen, die sie –jedenfalls nicht bei diesem Auftritt- erfüllen können ?! Das Duett von Mikko Häkkinen und Helena Haaparanta ist zwar einigermaßen schön anzusehen, dennoch ist es mit dem Singen immer so eine Sache. In diesem Fall war der weibliche Part etwas zu schief und der sonst mal wieder matschige Sound schaffte es schon gar nicht, das wieder auszubügeln. Verständlich, dass sich die Reihen ein wenig lichteten. Dennoch spielte die Combo eine anständige Show, die einigen zu gefallen schien.

Wir bleiben im Land der tausend Seen. MOONSORROW, go! Blutüberströmt entern die Brüder Sorvali und Co die Bühne, die Halle tobt. Anscheinend waren die Finnen einer der Gründe, für viele zum WGT zu reisen, so dass selbst die Agra-Halle bis zu den Türen gefüllt wurde. Der Sound war wiederholt auch hier leidiges Thema. Doch mittlerweile hatte man die Hoffnung auf Besserung aufgegeben und versuchte, das so gut es ging zu ignorieren. Stattdessen einfach Kopf kreisen lassen. Großflächiger Jubel entbrach bei den Kennern zur Ankündigung „Jotunheim“, Longplayer und eines der meistgeliebten Stücke von MOONSORROW. Nach 20 Minuten O(h)rgasmus, tat man der sportlichen Aktivität keinen Abbruch und hüpfte munter zum Folk-Dauerbrenner Kylan Pääsä. Durch die Länge ihrer Stücke, waren leider nur insgesamt fünf Songs drin. Schade, schade, doch leider war aufgrund des streng einzuhaltenden Zeitplans keine lauthals geforderte Zugabe drin.

Und nun: Abschlussband antreten! ELUVEITIE, Bühne frei! Das ließen sich die Götter des skandinavisch geprägten „Pagan-Folk-Metal“ – wie sie schon genannt werden – nicht zweimal sagen und enterten die Bretter von Welt unter lautem Jubelgeschrei der Fans. Der Sound klang für eine perfekte Show leider etwas arg blechern, mit Metal waren die Herren vom Mischpult auch zum Abschluss noch nicht warm geworden. Dennoch tat dies der Begeisterung der versammelten Masse keinen Abbruch. Natürlich durfte „Slania’s Song“ nicht fehlen, welcher mit Gesangs-Interaktion des Publikums, die den Refrain just auf Gälisch beigebracht bekamen, in die Länge gezogen wurde. Sogar ein „Moshpit“ war vorhanden. Wenn man es denn so nennen mochte. Mit bis ins letzte ausgefeilten Outfits und pompösem Schuhwerk kann man sich eben nicht mehr als sanft anstupsen. Fazit: Beide Daumen hoch, doch als Abschlusskonzert etwas zu kurz.

So geht das 20. WAVE GOTIK TREFFEN erfolgreich zu Ende. Man dankt für die vielen grandiosen an Land gezogenen Bands, vor allem den ermöglichten Weltpremieren, hofft das nächste Mal aber auf ein wenig mehr Organisationstalent, was das Programm angeht. Beispielsweise könnte man sowohl auf die Programmübersicht das Heidnische Dorf addieren als auch Bands mit exakt gleichen Zielgruppen nicht parallel spielen lassen. Summa summarum aber ein sehr gelungenes Festival der ganz anderen Art.

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