August 2009

Review Ahab – The Divinity Of Oceans

  • Label: Napalm
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Doom Metal

Was hat dieses Wort seit 2006 in der Metal-Szene nicht an Bedeutung gewonnen. Vormals nur bibeltreuen Christen und Herman-Melville-Fans ein Begriff, schlugen vor drei Jahren drei Süddeutsche gewaltige Wellen mit diesem Album namens „The Call of the Wretched Sea“, das unter dem Banner AHABs erschien und „Moby Dick“ zurück in die Herzen der Leute schießen ließ. Das Rezept war einfach: Tonnenschwerer Doom Metal, den man selber „Nautik Funeral Doom“ taufte, geleitet von hypnotischen, immer wiederkehrenden Melodien. So meisterlich, wie es umgesetzt wurde, wurde „The Call of the Wretched Sea“ in Fachkreisen als neue Referenz im Doom gepriesen. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an „The Divinity Of Oceans“.

Anstatt aber die Melville-Thematik selbst nochmals aufzugreifen, wählte man sich diesmal einfach das reale Vorbild zum Thema, auf der auch „Moby Dick“ basiert: Das Schicksal des Walfangsegelschiffs Essex, dokumentiert durch Niederschriften des Obermaats Owen Chase und des Kabinenjungen Thomas Nickerson. Die schreckliche Geschichte der totalen Niederlage des Menschen gegenüber der Natur, die schließlich sogar das Aufgeben der Würde des Menschen selbst zur Folge haben muss. Die textliche Beschäftigung mit einer Fangfahrt, die darin endet, dass die Mannschaft durch Nahrungsmangel beginnt, sich gegenseitig zu verpeisen, ist mit Sicherheit eine Thematik, die der Nachfolge des großartigen „The Call of the Wretched Sea“ an suggestiver Kraft würdig ist. Der Unterschied: diese Geschichte ist real. Und das schlägt sich auch in der Musik nieder. War das Vorgänger-Album gezeichnet durch ein groteskes, von der ersten Sekunde an alles verzehrendes, aber irgendwo doch surreales Grauen, wirkt „The Divinity Of Oceans“ da deutlich differenzierter, oder, um es treffender auszudrücken, realistischer. Der gnadenlose Sog, den Songs wie „Old Thunder“ aufbauten, ist definitiv verschwunden. An dessen Stelle ist eine allerdings nicht weniger eindrucksvolle, verbildlichte Atmosphäre des drohenden Unheils getreten: „The Divinity Of Oceans“ lässt den Hörer regelrecht neben der Essex herrudern, während diese ins Ungewisse fährt. Das eigentliche Grauen, obwohl noch nicht wirklich präsent, schwebt dennoch von Anfang an in den Songs mit.

Das Album hat keinen Spannungsbogen im eigentlich Sinne, musikalisch wie konzeptionell ist ja von Anfang an klar, wie die Geschichte endet. Dementsprechend gewinnt es seinen Reiz eher durch die sehr konstante, dabei aber nie monotone Atmosphäre: Stur wiederholte Riffs, die für „Below the Sun“ oder „The Pacific“ essenziell waren, sind zur Seltenheit geworden, stattdessen wird Abwechslung jetzt ganz groß geschrieben. Das schlägt sich von Beginn an in den deutlich ausgefeilteren Lead-Melodien nieder, die nun merklich facettenreicher klingen; aber auch abgesehen davon wechseln sich gnadenloser Doom Metal und kreischende Lead-Gitarren deutlich öfter ab, als zuvor. Damit klingen AHAB strukturell noch unkonventioneller als auf „The Call Of The Wretched Sea“. Das Album erzählt seine Geschichte, ohne Hauptthemen und und wirklich einprägsame „Ohrwurm“-Melodien Rücksicht zu nehmen. Songunterteilungen hätte es hier gar nicht gebraucht. Hinzu kommt der stark gewachsene Einsatz des Cleangesangs Daniel Drostes, der zwar teils etwas schwach auf der Brust klingt, mit seinem Ausdruck die trostlose Stimmung des Albums jedoch abermals unterstreicht.

Wie die neue AHAB-Scheibe denn nun tatsächlich klingt, findet man am besten selbst heraus, ein zweites „The Call Of the Wretched Sea“ ist es jedenfalls nicht geworden. Ob man mit dem neuen Kurs genauso gut zurechtkommt wie mit dem alten, muss jeder für sich selbst entscheiden. AHAB laborieren jedenfalls entschlossen an der Fortentwicklung des eigenen Stils und ruhen sich nicht auf den zuvor geernteten Lorbeeren aus.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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