Review Archspire – Relentless Mutation

Technical Death Metal ist ein Genre, das selbst Death- und Extreme-Metal-Hörer in zwei Lager aufzuspalten vermag. Die einen verehren die Musiker und deren technischen Fertigkeiten solcher Bands geradezu, für die anderen hat das hyperaktive Gebolze und Skalen-Sweeping und -Shredding nicht einmal mehr im Ansatz etwas mit Musik, sondern nur noch mit Angeberei und Selbstbeweihräucherung zu tun. ARCHSPIRE könnte nun diese Schlüsselband sein, die beide Lager auf einen Nenner bringt. Mit „Relentless Mutation“, dessen verstörendes Cover die Wirkung der Musik optisch erschreckend gut einfängt, hat die Formation nun ihr drittes Studioalbum über Season Of Mist veröffentlicht und zog bereits im Vorfeld große Aufmerksamkeit auf sich.

Denn ARCHSPIRE sind keine der etlichen, kaum noch auseinanderzuhaltenden Tech-Death-Bands. Zwar verzichten auch die Kanadier nicht gänzlich auf die Genre-üblichen Elemente, jedoch gelang es wohl selten einer Band zuvor so hervorragend, einen derart eingängigen und wiedererkennbaren Stil herauszuarbeiten und dabei gleichzeitig die Messlatte für hohe Tempi und technisch anspruchsvolles Spiel in schwindelerregende Höhen zu legen. Mit „Involuntary Doppelgänger“, dem Opener und zudem besten Song des Albums, zeigt das Quintett der Musikwelt sogleich, was Sache ist. Die Drums rattern so absurd schnell, dass die Band parallel dazu ein Video ihres Schlagzeugers veröffentlichte, um zu beweisen, dass dieser tatsächlich so rasant und präzise spielen kann und es nicht im Studio programmiert wurde. Der Gesang lässt sich am treffendsten wohl als gegrowlter Double-Time-Rap beschreiben. In den Lyric-Videos der Band schafft man als Mitleser jedenfalls kaum, den im Maschinengewehrmodus herausgeschossenen Wörtern folgen.

Doch wer nun denkt „Okay, alles klar, nichts für mich!“, für den folgt nun das große ABER: Denn obgleich das alles natürlich, wie eigentlich immer im Tech-Death, irgendwo schon der Demonstration der technischen Fähigkeiten dient, zeigen sich ARCHSPIRE in erster Linie daran interessiert, schlüssiges und stimmiges Songwriting abzuliefern, wofür dann auch viele potentielle Schraddel-Parts lieber für fetzige Riffs oder auch mal sanfte, jazzige Clean-Gitarren-Passagen geopfert werden. Das ist letztlich der Knackpunkt, der die Platte weit über andere Genre-Beiträge hebt und auch für nicht restlos Technical-Death-Metal-affine Hörer spannend macht.

Mit „Relentless Mutation“ ist ARCHSPIRE ein Ausnahmealbum geglückt, das man mit Sicherheit am Ende des Jahres in so mancher Bestenliste wiederfinden wird. Ob es letztlich Tech-Death verabscheuende Metaller für sich zu gewinnen vermag, wird wohl sehr vom jeweiligen Hörer abhängen. Fest steht jedoch, dass die Kanadier ein neues Referenzwerk erschaffen haben, an dem sich zukünftige Technical-Death-Metal-Bands in Sachen Kreativität, Eigenständigkeit und instrumentellem Können messen müssen.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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