Review Chakuza – Noah

Schau aus dem Fenster, schluck den Staub, sieh den Nebel, wenn Vendetta kommt – Ich piss auf deinen Kopf, du Penner denkst, ich sei ein Wettergott – Mann, das ist dieses Label, nur ein Jahr, ein Song, ein Track – Mein Name in den Charts zusammen mit Eko Fresh und Sonny Black rappte der in Linz geborene CHAKUZA seinerzeit als Zögling von Sonny Black aka. Bushido in „Vendetta“. Seitdem sind nicht nur 10 Jahre vergangen – auch sonst hat sich viel getan: Von seinem ehemaligen Berliner Vorbild hat sich der Österreicher lange schon losgesagt, „Magnolia“ manifestierte schließlich 2014 zudem einen musikalischen U-Turn: Indie- statt Gangster-Rap hieß ab sofort die Devise.

Das mag nicht außergewöhnlich sein, schließlich legte ein vergleichbarer Stilwechsel den Grundstein des Karrierehöheflugs von Casper, Marteria oder Prinz Pi. Bei CHAKUZA überraschte er dennoch, aus zwei Gründen. Zum einen, weil der Wandel so abrupt und krass ausfiel. Zum anderen, weil wohl damals niemand damit gerechnet hätte, dass der dickliche, vulgäre Junge mit dem Prollslang einmal als verletzlicher und nachdenklicher Rapper zurückkehren würde. Zu früh vorverurteilt, wie CHAKUZA nun mit „Noah“ zum dritten Mal in Folge beweist.

Wie schon auf den Vorgängern „Magnolia“ und „Exit“, die mit „Noah“ als Trilogie konzipiert sind, gewährt CHAKUZA auch auf seinem neuesten Album tiefe Einblicke in sein Seelenleben – und das ist düsterer als das so manchen Depressive-Black-Metallers. Auch 2016 sind die Texte des Österreichers – untermalt von melancholischen Melodien und sanften Beats – eine oft reumütige, stets emotionale Abrechnung mit dem eigenen Scheitern („Bilder“) oder sehnsuchtsvolle Träume von einem anderen Leben („Mond“).
Dabei können die Tracks vielleicht nicht immer mit der lyrischen Finesse eines Prinz Pi mithalten, oder mit der musikalischen eines Casper-Hits. Was CHAKUZA auf „Noah“ einmal mehr auszeichnet, ist vielmehr seine unübertroffene Authentizität: Keine Zeile wirkt aufgesetzt, kitschig oder gezwungen rührselig – hier erzählt einfach ein Mensch aus seinem turbulenten Leben. Man möchte ihm ewig dabei zuhören. Dass er Guns’n’Roses zwischendurch für tot erklärt („Wien“), sei dem Rapper da großzügig verziehen.

Was die Songs selbst angeht, vermisst man auf „Noah“ – verglichen mit „Magnolia“ – zunächst die offensichtlichen Hits vom Format eines „Ich lauf“ oder „Kopf unter Wasser“. Die wahre musikalische Stärke des Albums offenbart sich tatsächlich erst auf den zweiten Blick – sie liegt im ganz Kleinen und im ganz Großen: Im gelungenen Zusammenspiel von Gitarre, Klavier, sanften Drums und Beats, das dem Album den Unterbau für eine starke Gesamt-Atmosphäre liefert, die über eine Dreiviertelstunde hinweg nicht abreißt und zu keiner Zeit Langeweile aufkommen lässt.

Mit „Noah“ entwickelt CHAKUZA sich nicht nur als Texter und Sänger weiter – auch, oder vor allem die Musik von Max Wählen und Jonathan Walter lässt das Album ausgereifter wirken als seine Vorgänger. So braucht man dann auch keinen Vergleich zu Prinz Pi oder Casper zu scheuen: CHAKUZA beweist mit seinem dritten Indie-Rap-Album, dass er definitiv das Zeug dazu hat, ganz oben in diesem derzeit so gefeierten Genre mitzuspielen. Man würde es ihm wünschen – obschon der ewig unglückliche Künstler vielleicht eher auf weitere großartige Musik hoffen ließe.

Wertung: 8.5 / 10

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