März 2020

Review Heaven Shall Burn – Of Truth And Sacrifice

Als sich HEAVEN SHALL BURN 2018 in eine Bandpause verabschiedeten, klaffte im Konzertkalender vieler Metalheads ein Loch: Über Jahre hinweg waren die Thüringer unablässig präsent gewesen, sei es mit regelmäßigen Releases erlesener Qualität oder unzähligen Konzerten. Nun sind HEAVEN SHALL BURN mit einem neuen Album zurück – oder eher mit zwei: Mit satten 100 Minuten Spielzeit kommt „Of Truth And Sacrifice“ als (klassisches) Doppelalbum daher.

Dass das Album stilistisch deutlich breiter aufgestellt sein würde als die bisherigen Veröffentlichungen, wurde schon durch die Vorabsingles deutlich. Der überraschend große Graben zwischen „Protector“ und „Weakness Leaving My Heart“, die gemeinsam ausgekoppelt wurden, sorgte im Vorhinein für Erstaunen. Auch die weiteren Singles („My Heart And The Ocean“ und „Erdaicate“) brachten keine Klarheit, wohin die Reise von HEAVEN SHALL BURN auf „Of Truth And Sacrifice“ gehen würde.

Das ist mit vier Songs aber auch nicht möglich. Denn HEAVEN SHALL BURN fahren auf ihrem neunten Album eine musikalische Bandbreite auf, die man ihnen so gar nicht unbedingt zugetraut hätte. Zwar war nach „Wanderer“ klar, dass die Band sich nun entweder mehr auf seine Ursprünge besinnen oder experimentieren würde. Aber was HEAVEN SHALL BURN dem Hörer mit „Of Truth And Sacrifice“ bieten, übertrifft das Erwartbare in Vielfalt und Stärke: Natürlich gibt es für alle alteingesessenen Fans von HEAVEN SHALL BURN die üblichen Abrissbirnen wie „Thoughts And Prayers“, „Tirpitz“ (inklusive bandytpischer Thematisierung des zweiten Weltkrieges) oder „Protector“. Mit „Critical Mass“ gibt es in puncto Brutalität sogar noch einen Song, dessen durch Ausflügen in Grind-Gefilde herbeigeführte Heftigkeit bisher nicht erreicht wurden.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch extrem ruhige Momente, wie etwa den Closer „Weakness Leaving My Heart“, der – praktisch frei von jeglicher Härte – das Album stimmungsvoll abrundet. Viel emotionaler ist allerdings noch „Expatriate“, zu welchem die Minskier Philharmoniker ihren Teil beisteuern. So pendelt der Song zwischen Betroffenheit, hilfloser Wut und anklagendem Zorn hin und her. Daran, dass dieser Track den Hörer betroffen und nachdenklich zurücklässt, hat jedoch die Spoken-Word-Passage von Marcus Bischoff den entscheidenden Anteil.

Damit nicht genug der Experimente: „Übermacht“ stampft in bester Rammstein-Manier drauf los  – man könnte ihn sich lebhaft im Live-Set der Berliner vorstellen. Vielleicht am überraschendsten ist jedoch „La Résistance“, das mit seiner Mischung aus brutaler Härte, Discogroove und Club Beats durchaus Anleihen von Nine Inch Nails erkennen lässt. Initial verwirrend, entpuppt sich der Track, der auch mit einem lupenreinen The-Prodige-Gedächtnis-Interlude aufwartetn nach und nach als Brecher und absoluter Hit. Hätte man HEAVEN SHALL BURN zugetraut einen Death-Metal-Clubsong zu schreiben?

Zu „Of Truth And Sacrifice“ gehören aber, neben der Musik, auch die Texte, die erneut nicht eben leichte Kost sind. Mal nehmen die Thüringer die Perspektive hoffnungsloser Flüchtlinge ein („Expatriate“) und zerreißen einem schier das Herz, während zugleich die Wut in einem aufsteigt, dass angeblich zivilisierte Menschen solches Unrecht zulassen können. An anderer Stelle bekommt die US-Waffenlobby, denen Profit wichtiger ist als Menschenleben, eine geballte Ladung Hass ab („Thoughts And Prayers“). Man kann es nicht anders sagen: HEAVEN SHAL BURN legen auch diesmal den Finger in die Wunden der Welt.

Nach „Wanderer” dürfte sich noch der eine oder andere Fan gefragt haben, wohin die Reise dieser Band noch gehen kann. Nach „Of Truth And Sacrifice“ gibt es kaum noch eine Tür, die HEAVEN SHALL BURN nicht offensteht – denn dieses Album ist ein Meilenstein und zukünftiger Klassiker des Melodic Death Metal. In ihrer Pause ist es HEAVEN SHALL BURN gelungen, sich in allen Bereichen zu steigern: So verschmelzen sie neue Experimente und gewohnte Brutalität zu einem ehrfurchtgebietenden Hybriden. Besser kann man eine Auszeit nicht nutzen.

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Wertung: 9.5 / 10

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