Heilung - Drif Cover

Review Heilung – Drif

An kaum einer Band scheiden sich derzeit die Geister so wie an HEILUNG: Seit die Band 2015 scheinbar aus dem Nichts im Fahrwasser von Wardruna auftauchte, um in den folgenden Jahren die Headliner-Slots großer Festivals zu erobern, ist die Metal-Szene in eingefleischte Fans und kopfschüttelnde Hater geteilt. Nachvollziehbar ist beides, haben HEILUNG doch einen ganz eigenen Kosmos geschaffen, der perfekt auf spirituell-esotherische Teile der Folk-/Pagan-Szene zugeschnitten scheint – jedoch schnell lächerlich wirkt, wenn man sich nicht darauf einzulassen bereit ist. „Drif“, das dritte Album der Band, wird diese Spaltung nicht beheben – im Gegenteil. Denn auch dieses Werk selbst ist tief gespalten.

Von den neun Tracks, die HEILUNG auf ihrem dritten Studioalbum präsentieren, sind nämlich allenfalls fünf „Songs“ im klassischen Sinne: „Asja“ eröffnet das Album mit rituellem Sprechgesang und gestampftem Rhythmus, geht mit dem einsetzenden Gesang von Maria Franz aber direkt ins Ohr. Noch mehr trifft das auf „Anoana“ zu, den wohl besten Song, den HEILUNG bislang geschrieben haben. Auch dieser zieht seinen Reiz aus einem Wechselspiel aus barschem Kehlkopfgesang und Marias fast ätherischer Stimme – rasch entfaltet sich die majestätische Epik eines Soundtracks. Eindeutig als Musikstück lassen sich weiterhin das sehr ruhige „Nesso“ und das a cappella vorgetragene „Nikkal“ klassifizieren, sowie, mit etwas gutem Willen, auch der Ambient-lastige Dreizehnminüter „Tenet“. Mit einem von Kinderstimmen nachgesprochenen Abzählreim bietet dieses Stück aber schon eine erste Angriffsfläche.

Doch hätten HEILUNG es bei diesen fünf Stücken belassen, wären sie allen Nicht-Fans vermutlich einfach egal. Nur wären HEILUNG eben nicht HEILUNG ohne jenen anderen Teil ihres Schaffens: Percussions und spirituelle Sprechgesänge, Schildtanz und Gestampfe, rezitierte Gedichte, untermalt mit Hörspielelementen. Und mehr noch als auf „Futha“ muss man diese Parts mögen, um an dem neuen Album Gefallen zu finden. Denn sie machen rund die Hälfte der Gesamtspielzeit aus. Da wäre etwa „Urbani“, das aus Vogelrufen und einer Art Schild-Tanz stark rituell-kriegerischen Charakter entwickelt, jedoch eher nach Hörspiel denn nach Musik klingt. „Buslas Bann“ ist eine monotone Trommelnummer mit meditativ-spirituellem Vibe und im finalen „Marduk“ werden dann auch noch Klangschalen bemüht. Spätestens hier wirkt das mysthische Geflüster des selbsterklärten Schamanen Kai Uwe Faust dann doch arg wie Fantasy-Mystik. Und selbst mit diesen sieben Songs wäre „Drif“ noch ein durchschnittlich spektakuläres Album.

Wie schon auf „Ofnir“ („Schlammschlacht“) und „Futha“ („Vapnatak“) können HEILUNG aber auch diesmal nicht von einem Hörbuch-Track lassen. „Keltentrauer“ erzählt die Geschichte einer heldenhaften Schlacht zwischen Kelten und Römern. Wenig stimmungsvoll vorgetragen und in Hörspiel-Manier bis über die Grenzen des Kitsch hinaus mit Geräuschen untermalt, ist der Achtminüter allerdings erneut nur schwer durchzustehen. Ob der Umstand, dass der Text auf Deutsch verlesen wird, eher im deutschsprachigen Raum oder in anderssprachigen Ländern zum Skippen verleitet, ist schwer zu sagen – aus HEILUNG-Playlists dürfte diese Nummer jedenfalls weltweit als erste fliegen.

„Drif“ potenziert alle Stärken, aber leider auch alle Schwächen von HEILUNG – und ist damit wie gemacht für Fans und Hater. Während die von Maria Franz besungenen Stücke, insbesondere „Anoana“, durchaus einer breiten Hörerschaft zusagen dürften, fallen die Humpapa-Rituale von Kai Uwe Faust eindeutig in die Kategorie Nerd-Musik – von „Keltentrauer“ ganz zu schweigen. Vermutlich braucht es für einen echten Hype aber wirklich beides – wären HEILUNG Nicht-Fans einfach nur egal, wäre die Band wohl nicht so durch die Decke gegangen. Zumindest aus dieser Warte betrachtet haben HEILUNG also erneut alles richtig gemacht.

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Wertung: 6.5 / 10

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