Review Heilung – Ofnir

Lange Zeit waren die Wardruna ein absolutes Unikat: Mit ihrem atmosphärischen Pagan-Folk, den sie auf Nachbauten historischer Instrumente im traditionellsten Sinne spielen, verzauberten die Norweger live wie auf CD seit Anbeginn ihrer „Runaljod“-Trilogie Fans aus aller Welt.

Bei dem durchschlagenden Erfolg des Konzeptes war es nur eine Frage der Zeit, bis andere Bands mit vergleichbarem Konzept entstehen würden. Die erste solche Formation, die nun nach internationaler Beachtung strebt, ist HEILUNG: Über das französische Label Season Of Mist wird „Ofnir“, das ursprünglich 2015 erschienene Debüt der Band um den in Deutschland geborenen, in Dänemark lebenden Tattoo-Künstler Kai Uwe Faust, nun der breiten Öffentlichkeit feilgeboten.

Die Parallelen zu Wardruna sind dabei so offensichtlich, dass es schwer fällt, die Band nicht ausschließlich an ihrem norwegischen Vorbild zu messen: Konzeptionell widmen sich auch HEILUNG der Eisen- und Wikingerzeit in Nordeuropa. Und wie Wardruna nutzen HEILUNG für ihre Musik ein äußerst ausgefallenes Instrumentarium – fließendes Wasser etwa, oder allerlei Gegenstände zum Erzeugen perkussiver Sounds.

Das Resultat klingt ohne Frage über weite Strecken sehr atmosphärisch, durch stark repetitive Songstrukturen sogar mitunter meditativ. Dennoch kommen hier erste Zweifel am Konzept der Band auf: Das verwendete Sammelsurium aus aufeinandergeschlagenen Schwertern, Schilden, Bronzeringen und – für den Sound gewiss unerlässlich – menschlichen Knochen wirkt dann doch arg gewollt.

Das Gleiche gilt für die Texte, die in verschiedensten Gesangsstilen – von hinreißendem, weiblichem Klargesang („Hakkerskaldyr“) über Sprechgesang („In Maidjan“) bis zu gollumeskem Gegurgel („Futhorck“) – zugegebenermaßen durchaus packend vorgetragen werden: Bei diesen soll es sich einerseits um Übersetzungen und Interpretationen originaler Inschriften aus Runensteinen, Schwertschaften, Amuletten und anderen altertümlichen Artefakten, andererseits um Gedichte mit historischer Thematik handeln.

Wenngleich das mitunter nur schwer nachzuprüfen ist, steht eines fest: So authentisch wie die in Alt-Norwegisch verfassten Texte von Wardruna klingen zumindest die englischen und deutschen Texte von HEILUNG nicht. Und spätestens bei dem in „Schlammschlacht“ (auf Hochdeutsch) vorgetragenen Gedicht über die Varusschlacht fragt man sich dann doch, wie stringent das Konzept von HEILUNG durchdacht ist – schließlich hat die Schlacht, bei der Cheruskerfürst Arminius/Hermann die Römer 9 n. Chr. im Teutoburger Wald vernichtend schlug, doch weder mit Wikingern noch mit der Eisenzeit auch nur im Entferntesten zu tun.

Und auch das am Ende des Songs durch den Wald schallende Geschrei „Redde Legiones“ wirkt bestenfalls für Laien authentisch: Gemeinhin wird der verzweifelte Ausruf „Quintili Vare, legiones redde!“ [Quintilius Varus, gib mir die Legionen wieder] schließlich Kaiser Augustus zugeschrieben, als dieser in Rom von der schweren Niederlage seines Feldherren erfährt.

Das Auftreten der Band bei Konzerten rundet schließlich das Bild der Band ab, das man durch die Musik des Debüt-Albums gewinnt: Wie um Wardruna zu übertrumpfen, übertreiben es HEILUNG auch hier ziemlich und präsentieren sich mit einem Outfit, das eher an Indianer-Faschingskostüme denn an Wikinger denken lässt.

Für Liebhaber des „Originals“ werden HEILUNG immer ein Abklatsch von Wardruna bleiben – die Parallelen im Konzept, musikalisch, wie auch hinsichtlich der Live-Show, sind schlicht zu groß, um das zu leugnen. Wer sich davon aber nicht abschrecken lässt und sich auch nicht daran stört, dass HEILUNG insgesamt wie eine völlig überzogene Hollywood-Version des norwegischen Originals wirken, bekommt auf „Ofnir“ jedoch mitunter durchaus stimmungsvolle Musik geboten, die (von den genannten Kritikpunkten abgesehen) für sich selbst genommen durchaus ihren Reiz hat.

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Ein Kommentar zu “Heilung – Ofnir

  1. „Für Liebhaber des „Originals“ werden HEILUNG immer ein Abklatsch von Wardruna bleiben“ – das kann ich gar nicht nachvollziehen. Ich sehe und höre 2 originäre Bands, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Auch das Wort von der „Hollywood-Version“ kann man hier getrost als typische journalistische Wichtigtuerei abtun. Heilung haben meiner Meinung nach einen dezidiert eigenen Stil im Auftreten und in der musikalischen Erzählweise. Zum Hintergrund der „Indianer-Faschingskostüme“ zu wenig recherchiert.
    Wenn Heilung auftreten inszenieren sie ein Ritual, das nicht akademisch, sondern aus der authentischen Inszenierungskraft der Bandmitglieder ersteht.

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