Review Knorkator – Ich hasse Musik

Nach dem enttäuschenden dritten Album „Tribute to uns selbst“ haben die drei Berliner Spaßvögler sich erstmal drei Jahre Pause gegönnt und zwischendrin Spaß mit ihrem Nebenprojekt High Mud Leader und ihrem Buch „Des Wurzels Zweig“. Diese Auszeit war auch nötig, damit „Deutschlands meiste Band der Welt“ wieder an alte Großtaten anknüpfen und neue Ideen sammeln konnte. Die neuen Ideen erkennt man schon an der Optik, nun gibt es endlich mal ein richtig lustiges Frontbild, das auch zum Albumtitel passt wie der Fuß ins Blödmannidiotgesicht.

Was schnell positiv ins Ohr springt: KNORKATOR kopieren sich hier nicht (mehr) selbst. Die lyrischen Tiefschläge um Kopulation und Stuhlgang gehören der Vergangenheit an und sind dem tiefsinnigen und sarkastischen Humor gewichen, der auch auf den ersten Alben schon oft mehr als nur durchschimmerte. Und das ist textlich definitiv die richtige Entwicklung. „Der ultimative Mann“ und „Schüchtern“ geben die ultimativen Anweisungen, wie man sich die meisten Frauen angelt, „Schmutzfink“ ist eine wörtertechnisch grandiose Schimpftirade und „Ich hasse Musik“ rechnet glaubhaft mit den Triolen, Oboen und Beethovens ab. Die beiden balladesken Titel können außerdem auch mit tiefgängigen Lyrics bestechen. „Wie weit ist es bis zum Horizont“ stellt eine mathematische Abrechnung über eben jenes Thema dar und „Ich bin überhaupt nicht da“ ist wohl der Nachfolger des düsteren Bandklassikers „Weg nach unten“ und kann damit absolut mithalten. Eine häufig unterschätzte Perle der Wortkunst Alf Ators ist übrigens „Schweigeminute“, das ich hier als Anspieltipp nennen möchte.

Musikalisch schaffen KNORKATOR mit ihrem Viertling das Kunststück, sowohl homogener und runder als auch abwechslungsreicher und vielseitiger denn je zu klingen. Neben dem bekannten Bogen von drückenden Rammstein-Gitarren und Modern Thrash-Geknüppel über abgedrehte Synthies und Elektro-Spielereien bis hin zu groovigen, chilligen, symphonischen und verträumten Melodien konnten sie ihr Spektrum wieder erweitern. „Mai Khao Djai“ etwa bietet thailändische Worldmusic mit entsprechenden Lyrics und „Aeger Sum“ ist in Latein gehalten und durchaus kirchentauglich. Und – ich sage es gerne immer und immer wieder – mit Stumpen haben KNORKATOR einen der wohl besten, talentiertesten und vielseitigsten Sänger der deutschen Musiklandschaft in ihren Reihen. Von ganz tief bis ganz hoch kann und macht er alles mit beängstigenden Leistungen.

Was nicht unerwähnt bleiben darf, sind auch die drei Coverversionen, diese nämlich sind durchweg schlicht genial. „Try Again“ von Aaliyah und „Ma Baker“ von Boney M werden absolut überdreht und skurril ins KNORKATOR-Universum transformiert. Noch besser wird es bei „Beating Around The Bush“, der AC/DC-Klassiker erstrahlt in einer Big Band-/Jazz-Variante in neuem Glanz. Die Neuinterpretationen sind hier alles andere als Lückenfüller und fügen sich wundervoll ins Gesamtbild ein!
Viele Details gibt es außerdem zu entdecken: Da wären zum Beispiel das leise Publikumsgetöse beim „Ultimativen Mann“, Die jedes mal aufs neue lustige Tanzen-Aufforderung bei „Ma Baker“ oder die Stereo-Spielerei bei „Makellos“ (für unterm Kopfhörer zu empfehlen!).

Mit „Ich hasse Musik“ haben KNORKATOR ihr Meisterwerk abgeliefert. KNORKATOR machen Spaß, sind aber keine billige Comedy, sondern sind sarkastisch, sozialkritisch, tiefgründig und augenzwinkernd. Musikalisch muss man die Berliner eh schon seit Längerem ernst nehmen, und das unterstreichen sie hiermit nochmals eindrucksvoll.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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