Konzertbericht: Knorkator

01.11.2022 München, Backstage

Deutschlands meiste Band der Welt – so prangt es in dicken Buchstaben auf dem Banner, der gerade so hinter die Bühne des Backstage passt. Nachdem die Tour zu „Zweck ist widerstandslos“ unter Corona gelitten hat, sind KNORKATOR mit ihrem neuen Werk „Sieg der Vernunft“ nun wieder deutschlandweit unterwegs. Ein bisschen in die Jahre gekommen sind die Berliner nach über 25 gemeinsamen Jahren, doch um die Zukunft müssen sich die Fans trotzdem keine Sorgen machen.

Das Gute liegt oft sehr nahe, so auch bei KNORKATOR. Besonders Sänger Stumpen hatte in den letzten Jahren häufiger mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, vor kurzem musste er ein Konzert sogar komplett ausfallen lassen. Eine andere Stimme beziehungsweise ein Sängerwechsel stellt viele Formationen vor ein großes Dilemma – nicht so Stumpen, Alf Ator und Co.
Doch der Reihe nach: Im Vorprogramm präsentieren KNORKATOR anstatt eines Supports einen Videomitschnitt von ihrem Besuch bei der YouTube-Kochshow „Herdbanger“ von In-Extremo-Drummer Specki T.D. Die aufgebaute Leinwand ist vergleichsweise klein und der Ton bestenfalls in den ersten Reihen zu verstehen, so dass der Unterhaltungswert des Videos für die breite Masse nicht gegeben ist. Am Ende ist „breite Masse“ aber auch eine gute Nachricht, denn im Vergleich zu anderen Bands können sich KNORKATOR nicht über zu wenig Andrang beschweren: Das Backstage Werk ist annähernd ausverkauft, als die Musiker um Punkt 20:30 Uhr der Reihe nach die Bühne betreten. Mit „Sieg der Vernunft“, „Die Welt wird nie wieder so, wie sie vorher war“, „Der Hofstaat“ und wenig später „Es lebe der Tod“ sowie „Milliardäre“ liegt der Fokus schnell auf der letzten Veröffentlichung, die live durch eine ausgewogene Mischung aus Härte und Eingängigkeit brilliert. Insgesamt finden acht der elf neuen Stücke ihren Weg ins Live-Set, allesamt zurecht. Lediglich beim Sound gibt es Luft nach oben, gerade bei der Balance zwischen Gesang und Instrumenten, doch der Unterhaltung tut dies keinen Abbruch. Auffällig ist, dass KNORKATOR auf Stücke vom Vorgänger vollständig verzichten. Dafür reichern sie ihre Show unter anderem mit „Ich will mich klonen“, „Schwanzlich willkommen“, „Alter Mann“ und „Du nich“ an. Apropos Show: Nachdem Buzz Dee früh von Stumpen mit Konfetti geduscht wird, heben er, Alf Ator und seine Tochter Agneta beim Blondie-Cover „One Way Or Another“ abwechselnd Schilder mit den zentralen Songtextbausteinen „Get You“, „Meet You“ und „Trick You“ in die Höhe – mehr oder weniger passend zum Text. Auf exzessive Ausflüge in die Menge oder größere Einlagen muss das Publikum allerdings verzichten. Dafür beweist Stumpens Tochter, dass sie weit mehr kann als nur Schilder rhythmisch nach oben zu halten. Immer wieder singt sie zusammen mit ihrem sichtlich stolzen Vater im Duett und übernimmt auch zentrale Parts in einzelnen Stücken. Gegen Ende gehört die Bühne bei „Weg nach unten“ komplett ihr und das Publikum feiert die erst 20-jährige Sängerin frenetisch. Auch Alf Ators Sohn Tim Tom bekommt seine fünf Minuten im Rampenlicht, nachdem er als Stagehand die Bühne mit dem Besen gereinigt hat: Souverän und kraftvoll growlt er sich durch „Böse“. Trotz der Nachwuchsoffensive und KNORKATOR 2.0 bleibt für die alten Herren noch ausreichend Zeit im Rampenlicht: entweder gemeinsam wie beim umjubelten Boney-M.-Cover „Ma Baker“ – bei dem Stumpen und Alf mittendrin beginnen, Badminton zu spielen – oder individuell wie Alf bei „Wir werden alle sterben“ oder Stumpen bei „Ihr habt gewonnen“. Mit „Zähne putzen, pullern und ab ins Bett“ schicken KNORKATOR ihre Fans schließlich nach gut zwei Stunden auf den Heimweg und direkt in die Heia.

Einen wahrhaftigen „Sieg der Vernunft“ wird es bei KNORKATOR vermutlich nie geben, aber der ernsthaftere Anstrich tut der Band zum jetzigen Zeitpunkt ihrer Karriere gut – zumal der Spaß und die Situationskomik keinesfalls zu kurz kommen. Offenkundig tragen auch die Fans die Entwicklung mit. Gleiches gilt für die familiäre Unterstützung beim Gesang, in der noch viel Potenzial liegt. Auch nach zehn Studioalben sind KNORKATOR gefühlt noch lange nicht am Ende ihres Schaffens oder ihrer Kreativität angekommen.

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