Konzertbericht: Knorkator

09.10.2021 Nürnberg, Löwensaal

 

Knorkator Zweck ist widerstandslos Tourplakat

Corona hat die Konzertplanung aller verkompliziert. Die Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen begannen mitten in der zweiten Hälfte der „Zweck ist widerstandslos“-Tour zum 2019er KNORKATOR-Album „Widerstand ist zwecklos“. Unter anderem fiel das Konzert im Nürnberger Hirsch im April 2020 aus, auch die großzügige Verschiebung um ein ganzes Jahr war rückblickend natürlich zu optimistisch. Nun war selbst zwei Wochen vor dem nun angesetzten Termin am 9. Oktober 2021 in der neuen Location Löwensaal noch nicht klar, ob das Konzert diesmal stattfinden kann: die Tickets wurden schließlich bereits 2019 verkauft und damals gab es keine Voraussetzungen für den Erwerb eines Tickets. 2G kam für die Band daher nicht in Frage, ebenso wenig 3G, dafür gab es schließlich Abstands- und Besucherzahlenbeschränkungen und das Konzert war ausverkauft. Die Rettung für die bayrische Veranstaltungsbranche sollte das plötzlich beschlossene System 3G-plus sein. Ab 1. Oktober konnten Veranstalter demnach entscheiden, nur Geimpften, Genesenen sowie Getesteten mit PCR-Test den Eintritt zu gewähren. Alle Beschränkungen zwecks Besucherzahlengrenze, Maskenpflicht oder Alkoholverbot waren plötzlich aufgehoben und somit wurde es – in diesen Zeiten etwas surreal – ein ganz normales Konzert.

Vor dem Löwensaal zieht sich die Schlange ein Stück, der Einlass mit der Kontrolle eines Gesundheitsnachweises inklusive Personalausweis geht aber schnell und wird vom Personal erfreulich ernst genommen. Surreal wird’s dann nach Betreten der Eingangstür: fast niemand trägt eine Maske, schwarzgekleidete Menschen stehen dicht gedrängt im Eingangsbereich, an den Getränke- und Merchandiseständen. Beim Blick ins wortwörtliche Rund des Löwensaals erblickt man einige unsichere, aber vor allem viele fröhliche Gesichter, denen man die Freude ansehen kann, endlich wieder auf gewohnte Weise unter Gleichgesinnten sein zu können.

Ohne Vorband kommen KNORKATOR zu lautem Jubel auf die Bühne, mit dem getragenen „Absolution“ wird das Konzert auf perfekte Weise eröffnet. Stumpen singt in seinem goldenen Glitzeranzug – den er im Laufe der nächsten Lieder bis auf eine glanzvolle Unterhose auszieht – in Hochform. Er ist sowieso ein unglaublich guter Sänger, das beweist er bei seinem großen Stimmumfang vor allem in den glasklaren, hohen Tönen. Alf Ator steht mit seinem Umhang am Keyboard, Phillip sitzt mit rosa Retro-Jogginganzug an den Drums. Bassist und Grimassenmeister Rajko sowie der dauerstoische Gitarrist Buzz Dee könnten mit ihren glitzernden Anzügen auch in Las Vegas auftreten – ein Bild für Götter also.

Knorkator Widerstand ist zwecklos AlbumcoverIn den knappen zwei Stunden präsentieren die Berliner eine bunte Mischung aus alten und neuen Songs, das aktuelle Album „Widerstand ist zwecklos“ ist dabei mit ganzen acht Songs vertreten, die live allesamt gut funktionieren. „Revolution“ und „Ein Wunsch“ werden vom Publikum lautstark mitgesungen und bejubelt, „Am Arsch“ mausert sich durch das Duett mit Alf Ator und Stumpen zum überraschenden Live-Hit. Am besten kommen jedoch die erprobteren Gassenhauer an: „Du nich“ oder „Ich bin der Boss“ werden vom gesamten Publikum abgefeiert, die großen Bandhits „Alter Mann“ und „Wir werden alle sterben“ komplett und lautstark von den Besuchern mitgesungen. Natürlich gibt es KNORKATOR-typisch auch diesmal nicht nur Musik: Zuschauer in den ersten Reihen werden von Stumpen mit einem großen Schaumstoffknüppel verhauen, ein Zuschauer wird zum Fahnenschwenken genötigt, eine Zuschauerin hat Geburtstag und darf zu „Eigentum“ auf die Bühne. Zu „Buchstabensuppe“ gibt es ein Flipchart mit dem Liedtext zum Mitsingen und zu fortgeschrittener Stunde zertrümmert Alf Ator sein Keyboard, dessen Einzelteile dann ausgewählten Besuchern geschenkt werden. Auch eine kleine Störung nach „Ring My Bell“, als für mehrere Minuten die Mikrofone ausfallen, kann der allgemein sehr guten Stimmung im Saal nichts anhaben: Alf Ator und Stumpen reißen einfach Zoten und Witze, bis die Technik wieder mitspielt. Später geben Alf und Stumpen mit „Coming In“ sogar noch ein längeres Gedicht zum Besten, das mit seiner Geschichte um einen Masturbationsunfall mit abgebrochenem Analspielzeug für viele Lacher sorgt.

Musikalisch haben KNORKATOR, trotz allem Quatsch, eine anspruchsvolle, ernsthafte Basis: die gesamte Band besteht aus ausgezeichneten Musikern, die mit ihrem Humor neben flachen Witzen und Aufzählreimen auch ernsthafte und emotionale Themen transportieren. Diese gehen bei „Krieg“, „Rette sich wer kann“ oder „Eigentum“ beim gewohnt übersteuerten Sound im Löwensaal leider etwas unter. Es dröhnt zu sehr und die rundliche Bauweise der Halle scheint beim leicht übersteuerten Sound nur zu gerne die stimmlichen Finessen von Stumpen und die tieferen Gesänge von Alf Ator zu schlucken. Der Gaudi kann das aber nicht schaden und durch die ausgelassene Stimmung taugt das Konzert auch als kleines, soziales Experiment. Ist das Publikum anfangs noch etwas reserviert und achtet zumindest halbwegs darauf, ein wenig Abstand zu den anderen zu halten, fallen diese Hemmungen mit fortlaufender Dauer immer mehr. Erst entstehen kleine Tanzkreise mit zaghaften Schubsereien, später kommen die ersten Crowdsurfer dazu und im zweiten Zugabenblock nimmt der Circle Pit beinahe den halben Saal ein. Hier merkt man einigen Besuchern dann auch an, dass sich in der konzertlosen Zeit viel Energie aufgestaut hat, die dann etwas zu geballt und leider etwas rücksichtslos entladen werden muss.

Den Spaß und die Freude an der Rückkehr auf die Bühne merkt man der Band von Anfang an deutlich an. Der dauergrinsende Stumpen zeigt sich so auch begeistert davon, „zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren in einer geschlossenen Einrichtung“ zu spielen. Auch wenn er „dicker geworden ist“, turnt und springt er wie wild über die Bühne und zeigt keine Berührungsängste mit den vorderen Reihen des Publikums. Wie emotional das Konzert für KNORKATOR war, merkt man vor allem dann, wenn Stumpen sich am Ende bei ohrenbetäubendem Jubel bedankt, dabei sichtbar eine Träne verdrückt und sich stimmlich erstmal wieder sammeln muss. Deutschlands meiste Band der Welt feiert eine grandiose Rückkehr auf die Bühne und sorgt für ein großes Stück Normalität in der Metalgemeinde, die nun endlich wieder zusammenfinden und zusammen feiern kann.

  1. Absolution
  2. Du nich
  3. Es kotzt mich an
  4. Ein Wunsch
  5. Revolution
  6. Am Arsch
  7. Alter Mann
  8. Eigentum
  9. Buchstabensuppe
  10. Ring My Bell
  11. (Stromausfall Witzesession)
  12. All That She Wants
  13. Ich bin der Boss
  14. Hardcore
  15. Ich hasse Musik
  16. Krieg
  17. Rette sich wer kann
  18. Böse
  19. Weg nach unten
  20. Wir werden alle sterben
  21. Gedicht „Coming In“
  22. Verflucht und zugenäht
  23. Zähneputzen, pullern und ab ins Bett
  24. Zu kurz
  25. Warum

Knorkator Zweck ist widerstandslos Tourplakat

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