April 2009

Review Long Distance Calling – Avoid The Light

LONG DISTANCE CALLING sind eine Postrock-Band aus dem nordrhein-westfälischen Münster, das bisher nicht als Quelle erwähnenswerter und hochkarätiger Musikgruppen bekannt war. Doch das dürfte sich mit „Avoid The Light“, dem zweiten Werk der fünfköpfigen Combo, hoffentlich ändern. Ihr Debütalbum „Satellite Bay“ erschien vor zwei Jahren, 2008 spielten sie zahlreiche Gigs – unter anderem mit Dredg und bei Rock am Ring – und veröffentlichten eine Split-EP zusammen mit den Schweizer Postrockern Leech.

2009 steht ganz im Zeichen der neuen Platte und der sich daran anschließenden Tour. Die sechs Tracks des Albums kommen auf eine Gesamtspielzeit von 55 Minuten und sollten jedem Postrock-Fan und allen Freunden anspruchsvoller und vor allem stilvoller Rockmusik viele großartige Stunden unter dem heimischen Kopfhörer bescheren.

Die fünf Herren haben nämlich einen Silberling geschaffen, der nur so vor Atmosphäre, interessanten Arrangements und spannenden Wendungen strotzt. Sie schaffen das große Kunststück, Postrock nicht bloß als eine eine Gegenüberstellung von Leise und Laut zu verstehen, sondern kümmern sich insbesondere um die Klänge, die dazwischen liegen. Ihre Musik fließt geradezu, entwickelt sich völlig natürlich, ganz egal, ob die Jungs sich harter Alternative Rock-Riffs bedienen, wie bei „Black Paper Planes“, oder eher opulentes Kopfkino wie im zwölfminütigen Opener „Apparitions“ zelebrieren. Unterwegs streifen sie jede nur erdenkliche Stimmung, geben sich melancholisch-nachdenklich („359°“) oder noisig-treibend-progressiv („I Know You, Stanley Milgram!“). Dabei verzichten sie genretypisch fast vollständig auf Gesang. Lediglich „The Nearing Grave“ wird mit einer Gesangsstimme veredelt, und diese stammt von niemand geringerem als Katatonia-Vokalist Jonas Renkse. Dessen Leistung ist über jeden Zweifel erhaben, dennoch gehört der Song eher zu den schwächeren der Platte, denn der bloße Einsatz von Gesang reißt den Hörer – wenn auch äußerst sanft – aus der musikalischen Traumlandschaft heraus, die bis dahin behutsam, aber dennoch kraftvoll, gewebt wurde.

Sanfte Ambient-Sounds und Anklänge an Progressive Rock und Psychedelic sorgen für ein vielschichtiges Klangbild, was die Musik von LONG DISTANCE CALLING spannender macht als die von vielen ihrer Genrekollegen. Hervorgehoben werden muss auch das unheimlich geschmackvolle, abwechslungsreiche und akzentuierte Schlagzeugspiel von Janosch Rathmer, der weit mehr zu bieten hat, als durchgehend laut schallende Becken. Es macht unheimlich Spaß, ihm bei der Arbeit zuzuhören. Er verleiht den Tracks Tiefe und Dynamik, auch wenn die Gitarren schweigen.

Die großartige, druckvolle, transparente und unheimlich dichte Produktion setzt diese hochkarätigen Kompositionen erst so richtig in Szene. Verantwortlich für die Aufnahmen zeichnet sich Kurt Ebelhäuser, der schon mit Blackmail und den Donots zusammenarbeitete. In Kombination mit dem geschmackvollen Artwork entsteht ein Album, das zu den besten Veröffentlichungen dieses Genres im laufenden Jahr zählen dürfte.

Merkt Euch LONG DISTANCE CALLING – ein Bandname, der so gut ist, wie die Musik dahinter. Kommt mit auf eine sphärische Traumreise, wie sie packender kaum sein könnte! Die Höchstnote gibt es nur deshalb nicht, weil die Münsteraner sicher noch in der Lage sind, auf diese Platte eins draufzusetzen. Wetten?

Wertung: 9 / 10

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