Review Ministry – Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012 (DVD)

Vier Jahre ist es her, dass MINISTRY mit „Adios… Puta Madres“ ihre Abschieds-DVD veröffentlichten. Geglaubt hatte das mit dem Abschied damals schon niemand – und in der Tat, Mastermind Al Jourgensen konnte sich nicht lange zurückhalten: Bereits 2012 erschien das Comeback-Album „Relapse“. Dass da auch die nächste DVD nicht lange auf sich warten lassen würde, hätte man eigentlich wissen müssen. Und doch ist die nun erscheinende DVD nicht nur eine weitere Veröffentlichung aus dem Hause MINISTRY. Denn glaubt man Al Jourgensen, sind MINISTRY seit dem Tode des wenige Monate nach dem Wacken-Auftritt verstorbenen Gitarristen Mike Scaccia nun endgültig Geschichte.

Wie bereits der Titel verrät, reiht sich „Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012″ in die lange Reihe von Wacken-Mitschnitten ein, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind – kein Wunder eigentlich, bietet das Open-Air den Bands doch qualitativ hochwertigste Video- und Audiomitschnitte und im Regelfall eine nahezu einmalige Kulisse mit zigtausenden Fans. Normalerweise.

Im Normalfall würde deshalb auch der folgende Satz aus dem Pressetext zur DVD nicht weiter auffallen: „It was the perfect event for MINISTRY to shoot their live DVD at Wacken Open Air in front of 75,000 screaming fans.“ Wer diesen Satz jedoch im konkreten Fall geschrieben hat, war wohl nicht nur nicht auf dem Festival, sondern hat ganz offensichtlich auch die vorliegende DVD nicht gesehen – denn bereits die ersten Publikums-Bilder offenbaren, was Festival-Besucher noch in Erinnerung geblieben sein dürfte: Ganz im Gegensatz zu 2006 standen 2012 aufgrund des späten Slots und des miserablen Wetters eher 7500 denn 75000 Fans vor der Bühne: Statt wilder Moshpits sieht man das ein oder andere herzhafte Gähnen – vor allem aber große, schlammige Freiflächen zwischen den spärlich gestreuten Besuchern.

Verdenken kann man wohl niemandem, unter diesen Bedingungen keine Lust mehr auf MINISTRY gehabt zu haben – spätestens beim Genuss von „Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012″ dürfte sich der ein oder andere jedoch dennoch ärgern, den Auftritt verpasst zu haben. Denn was die Industrial-Legende hier auf die Bretter gelegt hat, verdient Hochachtung: Trotz gesundheitlicher Probleme gibt Mastermind Jourgensen alles und erinnert dabei an eine schwer tattoowierte und gepiercte Version von Ozzy Osbourne. Wie bei diesem ist auch an Jourgensen der jahrelange Drogenkonsum nicht spurlos vorüber gegangen – ohne jedoch die Begeisterung für die eigene Musik in Mitleidenschaft zu ziehen: Trotz der widrigen Umstände scheint Al durchaus Begeisterung für das zu empfinden, was er da tut – und auch, wenn diese nicht direkt auf das Publikum überspringt, sorgt sie zumindest für ein mitreißendes Heimkino-Erlebnis.

Weniger, um nicht zu sagen gar nicht mitreißend hingegen ist die Dreingabe von „Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012″ … ein Mitschnitt des bereits erwähnten, deutlich ruhmreicheren Auftritts an selber Stelle sechs Jahre zuvor: Sowohl hinsichtlich des verzogenen, unscharfen Bildmaterials, als auch bezogen auf den dumpfen, undifferenziert-matschigen Sound kann hier nur von einem Bootleg gesprochen werden. Nett gemeint, in dieser Qualität aber nicht wirklich ein lohnenswerter Bonus. Schade, war der Auftritt, bei dem Slipknots Joey Jordison hinter dem Drumkit saß, seinerzeit doch ein wahrlich beeindruckendes Erlebnis.

Beeindruckend ist dafür die Produktion des aktuellen Mitschnitts von 2012: Gekonnt überspielen in die Live-Aufnahmen eingearbeitete Video-Sequenzen aus Musikvideos die lichten Reihen im Publikum – und auch über Bild und Schnitt kann man sich nicht beschweren. Dass der druckvolle Sound fast schon die Perfektion einer Studioproduktion aufweist, lässt natürlich Zweifel an dessen Authentizität aufkommen – allerdings sollte man sich mittlerweile wohl mit der Tatsache abgefunden haben, dass heutzutage das, was man bei Live-Aufnahmen hört, oft nicht mehr all zu viel mit dem originalen Sound zu tun hat.

Während „Adios… Puta Madres“ aus den hier genannten Gründen eher durchwachsen war, legen MINISTRY mit „Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012″ noch einmal ein richtig starkes Dokument ihrer Live-Qualitäten vor. Auch, wenn der an sich reizvolle Bonus-Mitschnitt vom Wacken 2006 enttäuscht, kann diese DVD jedem Fan guten Gewissens wärmstens empfohlen werden.

Wertung: 9 / 10

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