Review Naglfar – Vittra

Wir schreiben das Jahr 1995. Die zweite Welle des Black Metal rollt heran. In Norwegen haben sich Bands wie Gorgoroth, Satyricon und Immortal gegründet, doch auch die schwedischen Metalheads lassen sich nicht lange bitten: Dissection, Marduk, Lord Belial, Sacramentum und Setherial stehen ebenso am Anfang ihrer Karriere wie Dark Funeral, deren späterer Sänger Masse Broberg noch bei Peter Tägtgrens Hypocrisy aktiv ist. Und Tägtgren wiederum sammelt beim Aufnehmen und Mixen der Hypocrisy-Frühwerke gerade erste Erfahrungen als Produzent.

Seinen Händen vertrauen vier junge Männer aus Umeå in der Provinz Västerbotten ihr erstes Album an: Jens Rydén (Gesang, Keyboard), Andreas Nilsson (Gitarre), Morgan Hansson (Gitarre) und Kristoffer Olivius (Bass). Mit einem Session-Drummer spielen sie im Juli 1995 in Peters Abyss Studio ihr zuvor auf zwei Demos gesammeltes Material neu ein – und legen damit den Grundstein für die Karriere von NAGLFAR.

Doch „Vittra“, so der Titel des Albums, ist nicht nur ein mehr als ordentliches Debüt mit einem für seine Zeit beachtlich guten Sound, sondern stolze 25 Jahre später tatsächlich ein „Klassiker“: Trotz seines überraschend farbenfrohen Cover-Artworks steht „Vittra“ – mehr noch als das ein Jahr später erschienene Dark-Funeral-Debüt „Secrets Of The Black Arts“ – für alles, was schwedischen Second-Wave-Black-Metal ausmacht: NAGLFAR kombinieren eingängiges Riffing mit schnell geshreddeten Leadgitarren-Melodien, Akustikgitarren („As The Twilight Gave Birth To The Night“) und sphärischen Keyboards („Emerging From Her Weepings“).

Dabei rutschen sie jedoch zu keiner Zeit in die Rubrik „lieblich“. Dafür sorgt neben dem furiosen Schlagzeugspiel von Matte Holmgren vor allem Jens Rydén: So manisch, wie er in „The Eclipse Of Infernal Storms“ kreischt, so hasserfüllt, wie er in Songs wie „Sunless Dawn“ keift, hat man das damals wohl zuvor selten gehört. Es hat durchaus seine Gründe, dass viele Fans den heutigen Thyrfing-Sänger, der NAGLFAR bis „Sheol“ (2003) erhalten blieb, noch heute für den besseren NAGLFAR-Sänger erachten.

Keine Frage: Mit „Storm Of The Lights Bane“ legten Dissection im November 1995 (und damit nur ein knappes halbes Jahr später) ein Album vor, das den schwedischen Black Metal nochmal auf eine ganz andere Stufe heben sollte. Doch wer Melodic Black Metal verstehen, die Anfänge des Genres ergründen möchte, kommt an NAGLFARs „Vittra“ auch heute noch nicht vorbei.

Wertung: 8.5 / 10

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