Review Subway To Sally – HEY!

Keine zwei Alben klingen gleich bei SUBWAY TO SALLY, das weiß der eingefleischte Fan seit nunmehr fast drei Jahrzehnten. Die Vollblutmusiker lassen es sich nicht nehmen, sich immer wieder neu zu erfinden und ihre Hörer (und vielleicht auch sich selbst) zu überraschen und herauszufordern. Das ist sympathisch, denn es biedert sich niemals an – und sorgt für gespannte Vorfreude, die andere bekannte Bands mit immer wieder ähnlich klingenden Werken schon lange nicht mehr generieren.

Mit “HEY!” veröffentlichen SUBWAY TO SALLY ihr 13. Studioalbum, und musikalisch gehen sie damit sowohl nach vorne als auch zurück. Nach vorne, indem sie moderner sind, innovativ bleiben, und zurück, indem sie verschiedene Elemente aus den zahlreichen Vorgängeralben wieder aufgreifen. Auch Samples bekannter Nicht-STS-Hits werden stellenweise eingebaut. Stilistisch geht es, wie auch schon auf Mitgift, wieder in eine härtere Gangart: Die E-Gitarre steht stark im Vordergrund und treibt die Songs gehörig nach vorne. Freunde von Rock und Metal kommen also auf ihre Kosten. Auf rohe, reduziertere Klänge wie auf „Herzblut“ wird allerdings zugunsten einer modernen, vollen Soundmischung weiterhin verzichtet.

Wer beim Titel des Albums allerdings schon stutzig wurde, wird beim Inhalt sicherlich genauso überrascht werden: SUBWAY setzen überraschend deutlich auf klare Statements, wollen, so ihre eigene Aussage, wachrütteln und nicht nur Geschichtenerzähler sein. Das funktioniert bereits hervorragend mit dem Opener “Island”, der erst mit Fanfarentönen einleitet und schließlich mit seinem Refrain “Dann wander doch nach Island aus!” jene anprangert, die immer nur hochgeistig daherreden, aber die Probleme im eigenen Umfeld nicht selbst anpacken. Chris Harms von Lord Of The Lost als Gastgrowler leistet hier einen nicht geringen Beitrag an der Wuchtigkeit der Aussage. Thematisch wird das mit “Aufgewacht” und “Ausgeträumt” am Ende des Albums wieder aufgegriffen und bildet somit eine Klammer mit Weckruf: “Stecken wir die Welt in Brand heut Nacht”.

Auch das als Single ausgekoppelte “Messias” nimmt sich ein wichtiges zeitgenössisches Thema vor, und überspitzt, immer wieder eingehüllt in bekannte Werbeslogans, ironisch das heutige Konsumverhalten. Das mag insgesamt erstmal an den meinungsspaltenden politischen Weg erinnern, den auch Bands wie SALTATIO MORTIS eingeschlagen haben – kommt aber deutlich weniger mit dem Holzhammer daher, sondern bleibt durch die typische SUBWAY-Lyrik immer auch ein wenig verschachtelt, schwarzromantisch und verlangt genaues Hinhören. Die Ausrichtung am heutigen Zeitgeist kann sich im STS-Gewand also durchaus hören lassen und erinnert stark an “Engelskrieger”.

Nach dem Ausstieg von Frau Schmitt 2018 ist mit Ally ein mehr als würdiger Ersatz zur Band dazugestoßen. Allys hochwertiges, klassisch trainiertes Geigenspiel bringt neue Facetten in den Sound, und mit “Anna’s Theme” kann sie auf beeindruckende Art ihr Können unter Beweis stellen. Das sehr emotionale, leider sehr kurze Stück, bildet den Bruch in der Mitte des Albums und ist auch ohne Worte das berührendste Lied auf der Platte. Passend eingestimmt singt Syrah von Qntal direkt im Anschluss mit glockenheller Stimme mit Eric im Duett auf “Am Tiefen See”. Die Ballade als Fortsetzung zu “Die Rose im Wasser” stößt zwar keine der bereits gefeierten alten SUBWAY-Balladen vom Thron, ist aber eine träumerische Abwechslung zum sonst sehr treibenden Rest auf “HEY!”. Als dritter Gastsänger steuert Dero von Oomph! kräftigen Sprachgesang bei, der aus “Selbstbetrug” wohl den sperrigsten Song des Albums macht. Alle drei Gastsänger*innen sind jedoch eine willkommene Abwechslung und bilden mit ihrer eigenen Art des Gesangs einen tollen Kontrast zu Erics markanter Stimme.
Als ganz persönlicher Anspieltipp sei “Alles was das Herz will”, tja, ans Herz gelegt: geht super nach vorne, hat treibende Geigensounds, und sicherlich wird man den Song in Zukunft live zu hören bekommen.

Generell lässt sich über “HEY!” schlicht wenig Schlechtes sagen. Der ungewöhnliche Kniff, wirklich alle Songs ineinander übergehen zu lassen, lässt ein Gefühl von “aus einem Guss” entstehen, weckt Neugier auf den jeweils nächsten Song fast wie ein guter Cliffhanger und bringt so die Hörer dazu, sich auch einfach mal das Album am Stück anzuhören, statt sich nur einzelne Stücke herauszupicken. Mit offensichtlich zeitgeistkritischen Stücken wie “Messias” und “Island”, aber auch geschichtenerzählenden Songs wie “Königin der Käfer” oder “Am Tiefen See” oder auch schlicht Lateinisch/Griechisches wie “Imperatur Rex Graecorum”, das bereits Estampie in den 90ern vertont hatten, haben SUBWAY TO SALLY eine sehr ausgewogene Mischung gefunden, auf der kein Song überflüssig ist. Einzig die immer wieder eingestreuten, einfach gehaltenen Mitsing-Parts (“nanana nananana”: “Imperator Rex Graecorum, “oho oho ohoo”: “Die Engel steigen auf”, “oh-oh-oh oh-oh-oh”: “Bis die Welt Auseinanderbricht”) und Klatsch-Passagen wirken arg gefällig, auch wenn sie natürlich im Wachruf- und Mitmach-Kontext des Albums schon wieder Sinn ergeben. Ein mündiger Bürger muss eben auch im SUBWAY-Chor seine Stimme finden.

Wertung: 8.5 / 10

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