Review Subway To Sally – Neon

Es ist kein Geheimnis: Wenn Beziehungen in die Jahre kommen, dann kommt die Lust auf den Partner nicht selten abhanden. Man weiß, was man am Gegenüber hat, ist ab und zu aber auch mal froh über ein wenig Distanz. Selbiges widerfährt einem auch mit den Bands, die man in frühen Teenager-Tagen kennenlernt, feiert, verehrt. So ist es mit mir und SUBWAY TO SALLY geschehen. Alle Alben tausendfach gehört, fast ein Dutzend Mal live gesehen, alle Lyrics könnte ich im Schlaf aufsagen. Nach und nach muss es dann passiert sein. Frei nach Deutschrock-Urgestein Klaus Lage: Tausendmal berührt und dann is‘ nix mehr passiert.

Und so wären die Potsdamer wohl irgendwann in die hintersten Regionen meiner Musiksammlung gewandert, gäbe es nicht immer wieder Veröffentlichungen wie das Livealbum „Neon“, die dem umfangreichen Katalog der oft – und mittlerweile zu Unrecht – auf die Mittelalter-Schublade reduzierten Band ungekannte Facetten abringen. Was an der sechsten Live-Scheibe der Band noch interessant sein soll, ist schnell erklärt: Bei „Neon“ handelt es sich um Mitschnitte der gleichnamigen Tour, auf der die Gruppe ein sogenanntes „Ekustik“-Programm auf die Bühne brachte. Die E-Gitarren durften zu Hause bleiben und an ihre Stelle traten verschiedene Akustik-Gitarren, Lauten und Leiern. Anders als auf den beiden akustischen „Nackt“-Scheiben finden auf „Neon“ jedoch elektronische Klänge Eingang in das Klangbild.

Diese stammen vom Mannheimer Produzent Cop Dickie, der seine Synthies auch schon auf der Studioscheibe „Mitgift“ in dubsteppiger Skrillex-Manier von der Leine ließ und so die zuletzt etwas eingefahrene SUBWAY wieder neu auf Touren brachte. Auch auf „Neon“ gelingt ihm – trotz bedenklicher Referenzen wie Xavier Naidoo im Lebenslauf – das Kunststück, sich in den Klangkosmos der Band einzuschmiegen, ohne jemals ein Fremdkörper zu sein. Im Gegenteil: Je präsenter die Elektronik knurrt und knarzt, faucht und beißt, dröhnt und wummert, desto mehr Freude bereitet „Neon“.

„Die Rose im Wasser“ etwa, textlich die blumige Umschreibung einer weiblichen Wasserleiche, kann erst durch die technoiden Klänge, die in scharfem Kontrast zu den lieblichen Lauten-Läufen von Ingo Hampf stehen, ihr ganzes abgründiges Potenzial ausspielen. Ähnlich verhält es sich mit dem seit jeher eindringlichen „Wenn Engel hassen“. Der altbekannte „Veitstanz“ kommt hier beinahe als groovige Industrial-Nummer daher und die Liebesballade „Verloren“, die auf „Engelskrieger“ zwischen den Stampf-Rockern unterging, überzeugt hier erstmals vollauf. Die altbekannten „Eisblumen“ begeistern als Hybrid zwischen Klavier-Ballade und treibend-tanzbarem Goth-Rock.

Wer SUBWAY TO SALLY  neu entdecken möchte oder schlichtweg einen Vorwand sucht, um die alten Nummern noch einmal aufzulegen, der hat mit „Neon“ Grund genug dazu.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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