Review Toundra – Das Cabinet des Dr. Caligari

Mit ihren durchweg starken Alben und konstant packenden Liveshows haben sich TOUNDRA in den letzten 13 Jahren einen mehr als guten Ruf in der Post-Rock-Szene erarbeitet. Als wollten sich die Spanier nun noch eindrücklicher von durchschnittlichen Bands abheben, ist Album Nummer sechs nicht mehr nur ein Album, sondern ein umfassenderes Kunstprojekt geworden: ein Soundtrack zum Stummfilm-Klassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“, der 2020 seinen 100. Geburtstag feiert.

So ist das Werk, das den gesamten Film musikalisch untermalen soll und auf der kommenden Tour begleitend zum Film vorgeführt wird, der Bewegtbild-Vorlage entsprechend rund 70 Minuten lang. Diese verglichen mit den letzten Alben überdurchschnittlich lange Spielzeit füllen TOUNDRA bandtypisch – aber doch anders, als man es von den Madrilenen bislang gewohnt war.

Zwar erkennt man als Fan der früheren Alben TOUNDRA insofern schnell wieder, als die ruhigen Arrangements auf „Das Cabinet des Dr. Caligari“ direkt vertraut klingen. Im Gegensatz zu „Vortex“ gibt es allerdings auch fast nur ebensolche ruhige Arrangements: Nicht nur, dass der Sound etwas dünner und transparenter wirkt, auch sind die verzerrten Gitarren weitgehend verschwunden oder spielen eher in einsam-verlorenen Tonfolgen denn in geschrammelten Riffs eine Rolle.

Getreu dem in sechs Akte geteilten Film ist auch das Album in sechs Stücke (plus die vorangestellte Titelsequenz) unterteilt. Und entsprechend den Akten sind die Stücke allesamt zwischen zehn und 14 Minuten lang. Was man sich als Begleitung zum Film gut vorstellen kann, funktioniert ohne Bewegtbilder leider nicht immer: Zwar entwickeln TOUNDRA die überlangen Stücke sehr elegant über die Zeit weiter. Die eine oder andere Länge in Parts, die TOUNDRA als ungebundene Komponisten sicherlich nicht so arrangiert hätten, schleicht sich leider trotzdem ein. So ist die Musik diesmal quasi vorgabenbedingt nicht so prägnant wie etwa auf „Vortex“. Um sich in TOUNDRAs fast meditativ Klangwelten zu verlieren, eignet sich das Album dafür umso besser.

Alles in allem fließt „Das Cabinet des Dr. Caligari“ nämlich recht beständig dahin – und erinnert in diesem Punkt stark an klassische Stummfilm-Begleitung: Über weite Strecken bleibt die Musik recht gemächlich, auf das filmische Geschehen scheinen TOUNDRA nicht gezielt einzugehen. Allzu dramatisch wird hier jedenfalls nichts inszeniert. Inwieweit das der Atmosphäre des Films entspricht, lässt sich wohl erst bei den Livedarbietungen mit Filmvorführung beurteilen – eine DVD, auf der Bild und Ton auch daheim vereint zu erleben sind, wäre bei diesem Projekt eigentlich ein Muss gewesen.

So krankt das Album an einem grundsätzlichen Problem: „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ist keine Sammlung der besten Soundtrack-Themes eines Films, sondern eher eine durchgehende Tonspur zum gesamten Film. Und eine solche kann so liebevoll umgesetzt sein, wie sie mag – ohne die Bilder fehlt dem Werk eine Dimension – und stellenweise auch die Begründung für überlange Songs.

Wertung: 7.5 / 10

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