Review Toundra – Hex

So verständlich es ist, dass sich eine Band nach diversen Alben einer neuen Herausforderung stellen möchte: Konzeptalben sind dann eben doch etwas anderes als ein „richtiges“ Full-Length. So ist es nach der atmosphärisch sicher stimmigen, aber als Musikalbum leider nicht vollauf überzeugenden Stummfilmvertonung „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (2020) für Fans von TOUNDRA eine positive Nachricht, dass der Nachfolger wieder ein reguläres Album geworden ist.

Dass die Instrumental-Post-Rocker den Soundtrack selbst eher als Release außer der Reihe sehen, merkt man am Titel des neuen Werkes: Auf „Hex“ (also sechs) kommt nur, wer „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (wie auch das in Zusammenarbeit mit Flamenco-Sänger Niño de Elche unter dem Projektnamen Exquirla veröffentlichte Album „Para Quienes Aún Viven“) in der Banddiskografie nicht als Album wertet.

Während das düstere Industrielandschaftsporträt eher an die Genrekollegen von Blueneck oder gar düsteren Post-Metal denken lässt, bringt einen die Musik ohne Umschweife zurück in die Welt von TOUNDRA: Bereits das albumeröffnende Song-Triptychon „El Odio.“ (Parte I-III) vereint alle Merkmale, die die Musik der Madrilenen auf „Vortex“ (2018) auszeichnet: Filigrane Melodiebögen, groovende Rhythmen und, elegant ins große Ganze eingeflochten, wiederkehrende Motive einerseits, andererseits aber auch kraftvolles Riffing, das die Intensität des Albums mal forsch steigert, mal bedächtig einbremst. Und auch im weiteren Verlauf von „Hex“ präsentieren sich TOUNDRA extrem vielseitig: Bestes Beispiel dafür ist „Watt“, in dem das Quartett dem Hörer sogar ganz subtil Bläser „unterzumogeln“ im Stande ist. Dass die Spanier im abschließenden „Fin“ zum ersten Mal überhaupt mit Stimme (oder zumindest gehauchten Geräuschen) arbeiten, sollte ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.

Das extrem abwechslungsreiche Arrangement funktioniert atmosphärisch (einmal mehr) vor allem deshalb so gut, weil TOUNDRA sich nicht nur auf Komposition und Arrangement ausgezeichnet verstehen, sondern auch ein großartiges Gespür für Sound haben. Statt der im Post-Rock viel zu verbreiteteten glattgebügelten Transparenz besticht dieses Werk im Zarten wie im Harten mit rockiger Vitalität: In den ruhigen Parts brillant, oft aber auch mal crunchig angeraut, klingt „Hex“ extrem dynamisch.

Nach ihrem experimentellen, aber entkoppelt vom Film nicht rundum stimmigen Soundtrack „Das Cabinet des Dr. Caligari“ finden TOUNDRA zurück zu ihrer alten Stärke: Wer ihr Album „Vortex“ oder lebendigen, dynamischen Post-Rock ohne Gesang im Allgemeinen mag, wird in „Hex“ ein weiteres musikalisches Kleinod finden. Es wird allerhöchste Zeit, dass diese großartige Band die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient!

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Wertung: 9 / 10

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