Review Zahn – Zahn

[Noise-Rock / Sludge / Stoner Rock] So richtig für die breite Masse war Noise-Rock noch nie. Gefühlt jeder Zweite hat das Debüt der Swans im Regal stehen (ist ja auch künstlerisch wertvoll), aber Hand aufs Herz, wie oft wurde es wohl wirklich gehört? Zu sperrig, zu extrem ist dieses Subgenre in den meisten Fällen für Otto Normalhörer. Umso überraschender, dass mit Bands wie den New Yorkern Daughters oder der deutsch-australischen Combo Heads. immer mehr Musiker an die Oberfläche schwappen, die zwar krachige Rockmusik spielen, aber trotzdem Melodien schreiben, die im Ohr hängenbleiben. Womit wir zu den Newcomern ZAHN aus Berlin kommen. Und weil hier auch zwei Heads.-Mitglieder in die Saiten bzw. Felle hauen, darf man durchaus gespannt sein, wie eigenständig und zugänglich das selbstbetitelte Debüt wohl geraten ist.

Schon nach den ersten der rund 39 Minuten von „Zahn“ wird klar, dass der Australier Ed Fraser in Sachen Songwriting die treibende Kraft hinter Heads. ist. Denn ZAHN klingen völlig anders: weniger kalt und schleppend, in Ermangelung von Gesang weniger songorientiert im klassischen Sinne, aber dafür verspielter und … ja, irgendwie lebensbejahender. Lediglich das Organische, das Analoge und das Live-Gefühl verbinden das Berliner Trio mit dem anderen Wirkungskreis von Chris Breuer (Bass – Ex-The Ocean, Heads.) und Nic Stockmann (Schlagzeug – Heads.). Unterstützt werden die beiden von Felix Gebhard an der Gitarre, der schon gemeinsam mit den Einstürzenden Neubauten auf der Bühne stand.

Die Kompositionen von ZAHN haben ohne Frage Jam-Charakter und man hört den Musikern die Freude am Zusammenspiel regelrecht an. Die Bandbreite an musikalischen Stilen, die die Band verwurstet, ist groß: Der Opener „Zerrung“ geht schon mal gut vorwärts und erinnert in vielen Momenten an Therapy?s Noise-Phase um die Jahrtausendwende oder auch (bedingt durch eine leichte Prise Stoner Rock bzw. Sludge) an die Melvins. Songs wie „Tseudo“ versprühen einen beinahe post-punkigen Vibe, während das experimentelle „Gyhum“ die Brücke Richtung Drone schlägt – man könnte auch Noise sagen, denn auf Rock im herkömmlichen Sinne wird hier komplett verzichtet.

Dass die zweite Hälfte der Platte atmosphärischer und getragener rüberkommt, steht ZAHN gut zu Gesicht und macht das Album zu einer spannenden und kurzweiligen Angelegenheit. The Oceans Peter Voigtmann hat den Longplayer aufgenommen, für die gelungene, oldschool-dreckige Mischung ist Dennis Jüngel verantwortlich. Beide haben einen tollen Job gemacht, klingt „Zahn“ insgesamt doch wie eine coole Mischung aus modernem, rifforientiertem Noise-Rock und irgendwas mit Josh Homme (Queens Of The Stone Age, Kyuss) an der Gitarre. The Desert Sessions lassen grüßen.

Einziger Wermutstropfen ist das Fehlen von Gesang – zumindest manchmal. Bei den kürzeren, griffigeren Nummern wie „Pavian“ oder „Schrank“ könnte man sich irgendeine Form von Vocals ganz gut vorstellen. Unterm Strich gehen ZAHN aber auch auf rein instrumentaler Ebene abwechslungsreich genug zu Werke, sodass die Platte auch so gut runtergeht.

ZAHN bringen erfolgreich frischen Wind in die Noise-Rock-Welt, da sie wenig Berührungsängste mit anderen Stilen an den Tag legen. Wer ein bisschen was für diese spezielle Musikrichtung, aber auch Sludge, Stoner Rock oder Post-Punk übrig hat, sollte der Band auf jeden Fall mal eine Chance geben. Aber auch Freunde von atmosphärischem, instrumentalem Post-Rock dürften ihre Freude haben – vor allem, wenn es ein paar Beats per Minute mehr sein dürfen. Schönes Ding.

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Wertung: 8 / 10

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