Review Paradise Lost – In Requiem

Requiem, eine Totenmesse und damit ein Begriff, der im Gothic Metal sicher einige Relevanz hat. Im Falle von PARADISE LOST könnte der Titel aber eine tiefsinnigere Bedeutung erhalten. Es handelt sich hierbei also um das mittlerweile elfte Album einer der dienstältesten Bands des Sektors und um den sechsten Versuch, an frühere Heldentaten anzuknüpfen. „One Second“ sei hier mal als Album zwischen den Welten bezeichnet, stellt es doch so etwas wie einen Übergang zwischen den metallischen Frühwerken und der späteren Ära,die mehr von poppigem Chart-Metal geprägt ist.

Mehr Metal als je zuvor, härter und eingängiger als „Icon“ und „Draconian Times“, so die gängigen Werbeslogans vor der Veröffentlichung, Attribute, die es dem geneigten Hörer schon schmackhaft macht, dieses „In Requiem“. Leider hatte es in der Vergangenheit diverse Male solche Vorschusslorbeeren gehagelt, aber weder „Believe In Nothing“ noch „Paradise Lost“ oder ein anderes Album seit den angesprochenen (Mit-) Neunzigern wusste vollends zu überzeugen und dies trifft – leider, wie an dieser Stelle ruhig mal gesagt werden darf – auch auf „In Requiem“ zu. Vielleicht kommt es einfach auf die Erwartungshaltung an, ob die CD nun gefällt oder nicht, wer aber geglaubt hat, dass ihn hier die volle Metaldröhnung ereilt, mag schon etwas enttäuscht sein. Vielmehr scheint es, dass die Briten um Frontmann Nick Holmes auf Neubewährtes setzen. Will heißen: diejenigen – und es dürften Zahlreiche sein – die der Band mit den letzten Alben ordentliche Verkaufszahlen beschert haben, können sich freuen, bekommen sie doch elf düster-poppige Liedchen serviert, die sich ohne großen Aufwand nebenbei hören lassen. Sicher, PARADISE LOST waren nie Garanten für sehr kopflastige Musik, aber immerhin war es schon immer so, dass man eine gute Anzahl von Malen während eines CD-Konsums aufschreckte und sich heimlich, still und leise dachte: „Das war aber eine schöne Stelle“ oder „Toller Song“ oder ähnliches. Bei „In Requiem“ ist es eher so, dass man die CD hört und denkt: „Hmm, schon vorbei? Schade, irgendwie kann ich mich an nichts erinnern“.

Dabei ist das Bemühen nicht einmal abzusprechen, man merkt, dass die Band weg wollte von glattgebügelten, potentiellen Charthits, aber es hat den Anschein, als wenn ihnen das nicht so recht gelänge. Zu sehr haben sie sich wohl vom Metal abgekehrt, um jetzt so ohne weiteres dorthin zurückkehren zu können. Die Geister, die ich rief…. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden, Experimentierfreude, Entwicklung und auch Unmetallischem stehe ich grundsätzlich sehr offen entgegen, ich mag auch Vieles aus diesem Bereich, aber wenn ich gesagt bekomme, dass Paradise Lost seit zehn Jahren oder noch nie so hart waren, dann sollen sie es verdammt noch mal beweisen.

Dass sich die vergangenen CDs wohl nicht schlecht verkauft haben, zeigt sich, wenn man sich die Credits durchliest: auf dem Weg vom Proberaum bis in den Plattenladen ging „In Requiem“ praktisch um die ganze Welt und wiederum durch namhafte Finger wie die Rhys Fulbers, der bereits früher mit der Band zusammengearbeitet hat. Dies hat zumindest den Vorteil, dass man bei Songs wie „The Enemy“ nicht auf billigen Plastik-Synthie-Sounds sitzen bleibt, sondern mit Hilfe von zwei netten Frauenstimmen einen durchaus intensiven Klangteppich erzeugen kann. Dieser Song gehört zusammen mit „Ash & Debris“, „Praise Laurented Shade“ und dem getragenen Rausschmeißer „Your Own Reality“ zu den wenigen Lichtblicken, der Rest ist mehr oder weniger Einheitsbrei, der, als Demo vorgelegt, heute bei Plattenfirmen kaum mehr als das Armzucken, welches selbiges Demo in den Papierkorb befördern würde, erzeugen würde.

Es ist wirklich schade und kaum vorstellbar, dass man bei Songs wie „Ember`s Fire“, „Elusive Cure“, „Hands Of Reason“, „As I Die“ oder „The Last Time“ – alle von DIESER Band – regelrechte Gänsehautmomente serviert bekam und schon Tage vor neuen Veröffentlichungen um 1995 vor Aufregung kaum noch schlafen konnte. Wo ist dieses Gespür für diese besonderen Augenblicke geblieben, wo das Feeling für einen spannenden, fesselnden Song? Scheinbar hat sich doch weniger als erhofft geändert und der bereits angesprochene Sound entpuppt sich neben dem Segen auch als Fluch. Natürlich ist der Klang total transparent, man kann jedes Instrument in jedem Augenblick klar und deutlich vernehmen. Das nützt aber nicht viel, wenn hier jeglicher Druck verloren geht. Verzichtet man nicht lieber auf etwas Keyboard – zumal es ohnehin keinen festen Keyboarder gibt – und wünscht sich mehr wummernde Bässe und sägende Gitarren hinzu?

Blickt man einmal kritisch auf die letzten Jahre zurück, kommt der etwas bedrückende Eindruck auf, als wenn die Gründerväter einer ganzen Szene langsam aber sicher – und sei es noch so unbemerkt – von ihren eigenen Söhnen und Töchtern überholt worden. So gesehen passt der eingangs gezogene Vergleich mit der Totenmesse vielleicht sogar, denn in dieser Form macht es nur wenig Sinn für PARADISE LOST am Ball zu bleiben. Es bleibt abzuwarten, ob sich da noch etwas tut oder ob sich zwischen den Zeilen doch schon das nahende Bandende abzeichnet. Ironisch-bissig (wie die Briten gerne vorgehen) lässt sich der Titel des letzten Songs „My Own Reality“ sogar prima darauf beziehen. „In Requiem“ ist vielleicht nicht so schlecht, wie es diese Review vermuten lässt, aber von Paradise Lost erwartet man eben bei solchen Ankündigungen einfach doch etwas mehr. So verteile ich abschließend gut gemeinte

Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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