Interview mit Jordan Guerette & Aaron Charles von Falls Of Rauros

Read the English version

Für eine Band mit einer beeindruckenden Diskografie wie FALLS OF RAUROS ist es nicht leicht, sich selbst zu übertreffen. Obgleich man „Key To A Vanishing Future“ nicht unbedingt als ihr Meisterwerk ansehen muss, ist das sechste Album der amerikanischen Folk-Black-Metaller doch ein in jedweder Hinsicht faszinierendes Album. Wir haben uns anlässlich der Veröffentlichung der Platte von Jordan Guerette und Aaron Charles einige Fragen beantworten lassen. Weshalb FALLS OF RAUROS sich nach einem Ort aus „Der Herr der Ringe“ benannt haben, ohne auch nur in einem einzigen Song über Mittelerde zu singen, warum Themen wie Armut im Metal kaum jemals adressiert werden und was die Band auf ihrem neuen Album anders gemacht hat, haben uns die beiden Sänger und Gitarrist im folgenden Interview erklärt.

Falls Of Rauros Logo1

Ihr habt mit „Key To A Vanishing Future“ euer neues Album am Start – ein prophetischer Titel, wenn man bedenkt, wie sehr die Welt derzeit wegen der Klimakrise, der Pandemie und Konflikten wie in Afghanistan und der Ukraine auf der Kippe zu stehen scheint. Wie kommt ihr in diesen schweren Zeiten zurecht?
Aaron: Alles in allem komme ich ganz gut damit zurecht. Es kann manchmal schwierig sein, positiv zu bleiben. Wir haben das neue Album während der Pandemie geschrieben, ohne Pläne, Konzerte zu spielen, und wir konnten nicht einmal in ein Studio gehen, um es aufzunehmen, also mussten wir es selbst einspielen. Und kürzlich, als das Album endlich kurz vor der Veröffentlichung stand, brach der Konflikt in der Ukraine aus. Es fühlt sich seltsam an, in einer solchen Zeit ein Album zu promoten; Musik zu veröffentlichen, fühlt sich an wie eine kleine, fast egozentrische Sache. Aber Musik beschäftigt auch das Herz und den Geist und sich auf etwas Produktives zu konzentrieren, ist wahrscheinlich gesund.
Jordan: Das Leiden der Menschen auf der ganzen Welt aufgrund von Konflikten, Krankheiten und Einkommensungleichheit sowie die Zerstörung der Umwelt, in der Pflanzen und Tiere gedeihen können, ist niederschmetternd für den Geist. Abgesehen davon stimme ich Aaron zu: Mir persönlich geht es gut und die meisten negativen Folgen der Pandemie waren Angst und das Gefühl der Isolation. Im Vergleich zu vielen anderen hatte ich also eine leichte Zeit damit.

Euer Name bezieht sich auf einen Wasserfall aus J.R.R. Tolkiens fiktionaler Welt „Mittelerde“. In euren Songs erzählt ihr aber nicht einfach Geschichten aus Tolkiens Werken nach, vielmehr befasst ihr euch mit allerlei essentiellen Themen. Inwiefern spiegelt dieser Name dennoch nach wie vor euer Schaffen wider?
Aaron: Wir haben keinen einzigen Song in der Geschichte der Band, der Geschichten aus Tolkiens Werken nacherzählt oder sich auch nur im Geringsten darauf bezieht. Unser Bandname ist der einzige Hinweis auf Tolkien, den man bei uns finden kann. Dennoch halten wir den Bandnamen für passend, da er sich auf ein Naturphänomen bezieht und an die Majestät und Macht der Natur sowie an die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz erinnert. Betrachtet man auch die Ereignisse, die sich im Roman in der Nähe der Rauros-Wasserfälle abspielen, so kommen Themen wie menschliche Korrumpierbarkeit und Schwäche, aber auch Stärke und Wohltätigkeit ins Spiel. Das sind alles Themen, die in unseren Texten vorkommen können. Ja, unser Name erweckt vielleicht den Eindruck, dass wir eine Fantasy-Band sind, aber ich denke, es ist ein passender Name für das, was wir tun.

Falls Of Rauros - Key To A Vanishing Future CoverMit welchem Ziel seid ihr an die Arbeit an „Key To A Vanishing Future“ herangegangen?
Aaron: Unser erstes Ziel zu Beginn des Schreibens einer Platte ist, dass die Platte ihre eigene Persönlichkeit hat. Sie soll nach uns klingen, aber auch frisch und einzigartig in unserem Katalog. Ich denke, das haben wir bis zu einem gewissen Grad immer erreicht, aber ich würde sagen, „Key To A Vanishing Future“ ist der offensichtlichste Schritt in eine andere Richtung. Ein weiteres Ziel, das wir verfolgten, war es, uns kreativ herauszufordern und nicht einfach nur dasselbe wie immer zu tun. Wir wollten nicht versuchen, „Patterns In Mythology“ mit seinen eigenen Waffen zu schlagen; es machte mehr Sinn, etwas Neues zu versuchen. Wir hatten auch andere Ziele vor Augen, die wir wohl erreicht haben, wenn man sich einige Fragen ansieht, die du später stellst.

Inwiefern habt ihr euch auf dem neuen Album aus deiner Sicht weiterentwickelt?
Aaron: Auf „Key To A Vanishing Future“ haben wir uns entschieden, uns mehr auf den Rhythmus und die rhythmischen Hooks zu konzentrieren, als wir es in der Vergangenheit getan haben. Wir haben das Gefühl, dass der Rhythmus im Black Metal und in black-metal-verwandten Genres unterbetont wird, da dort Atmosphäre und Melodie im Vordergrund stehen. Wir wollten weder Atmosphäre noch Melodie opfern, sondern einfach darauf achten, wie sich die Songs entwickeln, und sicherstellen, dass es einige rhythmische Hooks und Motive gibt, die in die Songs eingestreut sind. Nichts zu Ausgefallenes oder Technisches; selbst die einfachste rhythmische Hook kann einen Song sehr aufwerten. Eine weitere Entwicklung war der verstärkte Einsatz von Synthesizern. Wir haben nach und nach immer mehr Synthesizer in unsere Platten eingebaut, aber ich denke, diese neue Platte hat unsere besten Synthesizer-Spuren und -Sounds.
Jordan: Zusätzlich zu allem, was Aaron gesagt hat, denke ich, dass wir neue Einflüsse aufgenommen haben, die wir noch nicht in unserem Sound verarbeitet hatten. Ich finde es aufregend, wenn sich Sounds, die wir bei früheren Veröffentlichungen „verworfen“ haben, in unserem Sound richtig anfühlen, während er sich weiterentwickelt. Einige Momente von „Known World Narrows“ sind am offensichtlichsten, aber auch einige der riffigeren Teile von „Poverty Hymn“ hätten wir nicht einmal auf unserem letzten Album geschrieben.

Auf mich wirkt die Platte etwas vertrackter als eure früheren Veröffentlichungen. Wolltet ihr euch selbst mehr herausfordern?
Aaron: Auf jeden Fall! Wir wollen nie die Technik in den Vordergrund stellen, und es gibt unzählige Instrumentalisten, die uns in den Schatten stellen können, aber wir dachten, es würde der Musik mehr Spannung und Würze verleihen, wenn sie etwas riffiger wäre. Ein paar knackige, Palm-Mute-Riffs im 7/8- oder 9/8-Takt zu haben, klingt im Vergleich zu unseren früheren Veröffentlichungen vergleichsweise kompliziert. Wir mögen es auch selten, wenn beide Gitarristen denselben Part spielen, also hört man normalerweise mindestens zwei verschiedene Parts, die sich umeinander ranken. Ich sehe nicht unbedingt, dass wir immer technischer werden, aber es ist sowohl herausfordernd als auch befriedigend, über den Tellerrand zu schauen.

Zugleich sind die Songs etwas ausgeglichener als zuvor – es gibt weder Intros oder Zwischenspiele noch Longtracks mit einer Länge von über 10 Minuten. Was hat euch dazu angeregt, diesmal eher gleichförmige Songs zu schreiben?
Aaron: Das war eine weitere neue Idee für uns, und wir haben darüber diskutiert, bevor wir mit dem Schreiben des Albums begannen. Da es unser sechstes Album ist, hatten wir wirklich das Gefühl, dass wir uns an kürzeren Songs versuchen sollten, aber wir wollten sie nicht so stark kürzen, dass sie nicht mehr effektiv sind. Wir streben immer an, dass unsere Platten auf eine einzige LP passen, also dachten wir uns, wir könnten die Intro-/Zwischentracks weglassen und drei Songs pro Seite unterbringen, die jeweils zwischen sechs und acht Minuten lang sind. Das ist immer noch lang genug, um eine Entwicklung zu ermöglichen, vor allem, weil wir versucht haben, nicht alles in jeden Song zu packen. Auf früheren Alben hatten wir zehn- bis zwölfminütige Songs, die alle Emotionen abdeckten, aber hier haben wir den Songs erlaubt, sich auf eine kleinere Anzahl von Klangfarben und Emotionen zu konzentrieren. „Clarity“ ist zum Beispiel der Opener, und wir haben beschlossen, dass er als Opener Sinn macht, weil er eher ein „Rock Out“-Song ist. Er ist nicht übermäßig emotional, er ist keine Schnulze oder so. Es machte Sinn, sich auf einige dieser anderen Emotionen später im Albumverlauf zu konzentrieren.

Der Bass sticht auf dem Album sehr deutlich heraus – im Black Metal eher eine Seltenheit. Warum wolltet ihr diesem Instrument auf der Platte mehr Raum geben?
Aaron: Das ist eine weitere bewusste Entwicklung, die sich aus der Tatsache ergibt, dass wir den rhythmischen Hooks mehr Aufmerksamkeit schenken wollten. Es schien uns der richtige Ansatz zu sein, einen hörbaren Bass zu haben, der eng mit dem Schlagzeug zusammenarbeitet, um interessante rhythmische Ideen zu kreieren. Die Gitarren könnten einen harmonisch dichten, Temolo-Wall-Of-Sound-Part spielen, während Bass und Schlagzeug etwas ganz anderes machen. Wir alle lieben die Bassgitarre und was sie zur Musik beiträgt, aber im extremen Metal wird sie meistens dazu benutzt, die Gitarren zu verdoppeln, damit die Band härter klingt. Das funktioniert wunderbar, aber wir bevorzugen es, wenn der Bass einen Kontrapunkt setzt oder sich in einen Groove mit dem Schlagzeug einfügt. Das macht die Musik weniger monolithisch, sondern grooviger. Wir haben sowieso nie versucht, die härteste Band der Welt zu sein.
Jordan: Evan (unser Bassist) hat es auf diesem Album geschafft, und ich habe mich gefreut, dass sein Spiel in Reviews und Interviews erwähnt wurde. Ich muss sagen, dass ich nicht glaube, dass sich der Ansatz am Bass so sehr von den letzten Alben unterscheidet, aber vielleicht lässt die Produktion es deutlicher hören und er hat seinen Ansatz sicherlich ständig verfeinert. Aber es gibt Bass-Momente, die ich in unserer gesamten Diskographie liebe, und ich fand die Bass-Produktion auf „Patterns In Mythology“ genauso gut wie auf „Key To A Vanishing Future“ – ich bin gespannt, ob jemandem das kreative Bassspiel auf „Patterns“ jetzt, wo er es hört, wieder auffällt.

Falls Of Rauros Bandfoto2Eure Musik hat man bisher hauptsächlich mit Black Metal, Folk und Post-Rock assoziiert. Auf dem neuen Album meint man nun aber auch ein bisschen Death Metal herauszuhören. Habt ihr ein größeres Interesse an dem Genre entwickelt?
Jordan: Wir alle haben schon vor den Anfängen von FALLS OF RAUROS Death Metal gehört. Ich weiß, dass vor allem Aaron und Ray (unser Schlagzeuger) schon immer große Death Metal-Fans waren – Ray spielt seit vielen Jahren in der (großartigen) Death Metal-Band Shabti. Ich persönlich habe in den letzten Jahren und während des Schreibens von „Key To A Vanishing Future“ mehr Death Metal gehört (besonders Immolation und Gorguts).
Aaron: Ja, Death Metal war meine erste Liebe, was den extremen Metal angeht. Ich habe in den frühen 2000er Jahren mit melodischem Death Metal angefangen und mich dann schnell für brutalere Sachen wie Nile, Suffocation und Cryptopsy sowie für atmosphärischere Bands wie Immolation und Incantation interessiert. Wenn überhaupt, bin ich heute viel weniger an Death Metal interessiert als damals als Teenager. Dennoch ist es ein Genre, das mir Spaß macht und das ich mir immer noch manchmal anhöre. Die Riffs, die im Death Metal verwendet werden, haben sich in meine Psyche eingebrannt und kamen beim Schreiben einiger „riffigerer“ Teile des Albums ganz natürlich heraus.

Könnt ihr uns verraten, was der titelgebende Schlüssel ist, von dem in „Key To A Vanishing Future“ die Rede ist?
Aaron: Der Schlüssel ist einfach eine Metapher für ein Erbe, was ein sehr weites Thema sein kann. Wenn man es mit einem weiten Blick betrachtet, steht der Schlüssel für alles, was von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Dazu gehören soziale Normen, religiöse Überzeugungen, wirtschaftliche Gesundheit, staatliche Strukturen usw. Dazu gehören auch Dinge, die von den Eltern an die Kinder weitergegeben werden, wie körperliche und geistige Gesundheit, Armut oder Reichtum, Verpflichtungen, Bürden und alles andere. Das Thema ist wirklich so breit gefächert, dass sich jeder Song auf einen anderen Aspekt konzentriert, aber nur an der Oberfläche kratzt. Die Texte auf diesem Album sind nur eine Erkundung des Themas, keine strenge Analyse, und es werden keine konkreten Meinungen oder Lösungen angeboten.

Eure Songtexte sind meist metaphorisch formuliert und nicht immer ist ganz offensichtlich, was gemeint ist. Bedauerst du es, wenn Leute nicht auf die Texte achten oder sie nicht verstehen?
Aaron: Das stört mich überhaupt nicht. Sie sind absichtlich so geschrieben, dass sie metaphorisch sind. Ich habe keine Antworten auf die Fragen, die auf dieser Platte gestellt werden; wichtig ist, dass ich darüber nachgedacht habe, und die Hörer werden vielleicht über diese Konzepte nachdenken, die auf der oberflächlichen Ebene beschrieben werden. Von Song zu Song biete ich dem Hörer nicht viel an Erkenntnis, sondern eher eine nebulöse Reihe von introspektiven Gedanken. Ich hoffe, dass die Leute vage wissen, worum es auf der Platte geht, und dass das ausreicht, um ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen und sich auf ihre eigene Weise mit dem Album zu verbinden. Ich könnte dir nicht sagen, wovon die meisten meiner Lieblings-Metal-Platten lyrisch handeln, und ich denke, das ist Teil des Reizes.

Rechtsextreme Umtriebe sind im Folk Black Metal leider allzu weit verbreitet – viele Bands verbreiten abseits ihres Schaffens schädliche Botschaften oder verpacken diese durch Symbolik in ihrer Kunst. Nahezu jedes für diese Stilrichtung relevante Label hat zumindest eine solche Band im Roster. Wie nimmst du die Szene wahr und wie geht es dir damit?
Jordan: Es ist ein größeres Problem, als ich in meiner Jugend erkannt habe, sowohl in der „Metalszene“ als auch außerhalb der Szene. Es ist wichtig, diejenigen nicht zu unterstützen, die ihre Plattform nutzen, um Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Transphobie, Behindertenfeindlichkeit oder jede andere hasserfüllte Ideologie zu verbreiten. Für mich ist die Welle des Rechtsextremismus, die über die Welt zu schwappen scheint, der „Todeskampf“ verunsicherter weißer Männer, die spüren, dass die Welt sich von ihnen wegbewegt und sie nicht mehr tun und sagen können, was sie wollen, ohne dass es Konsequenzen hat. Aus meiner Erfahrung, die ich in den USA gemacht habe, kann ich sagen, dass der Rechtsextremismus schwerwiegende soziale und rechtliche Folgen hat – das ist ehrlich gesagt ziemlich beängstigend. Das Mindeste, was wir mit unserer kleinen Plattform tun können, ist deutlich zu machen, dass wir solidarisch mit Frauen, Menschen der BIPOC- und LGBTQ+-Community, Menschen mit Behinderungen und allen anderen sind, deren Macht in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt wird.

Was sollen die Leute, wenn es nach dir geht, aus „Key To A Vanishing Future“ mitnehmen?
Jordan: Im Grunde hoffe ich, dass die Leute es genießen oder eine Art emotionale Katharsis daraus ziehen. Es wäre cool, wenn Musik-Nerds einige der harmonischen oder strukturellen Dinge, die wir machen, bemerken würden, aber das ist zweitrangig gegenüber dem „Gefühl“ der Musik.
Aaron: Ich stimme Jordan in diesem Punkt zu. Emotionale Katharsis ist die Priorität Nummer eins, aber Musik-Nerds, die die Struktur der Platte sezieren, sind immer willkommen. Es gibt eine Reihe von Stellen, an denen wir versteckte Verweise auf andere Songs auf dem Album eingebaut haben, zum Beispiel sind die Outro-Akkorde in „Daggers In Floodlight“ eigentlich ein Riff aus „Survival Poem“. Es ist überhaupt nicht offensichtlich, dass dies der Fall ist.

Ich habe den Eindruck, dass eure Musik nicht besonders verkopft, sondern sehr gefühlsgeladen ist. Welches Album hat dich zuletzt so richtig mitgerissen oder berührt und warum?
Jordan: Ich stehe auf „The Sediments We Move“ von Charlotte Greve/Wood River und „A jamais pour toujours“ von N Nao.
Aaron: Ich war schon immer misstrauisch gegenüber John Lennons Soloalben wegen des Songs „Imagine“ und der Tatsache, dass er ein unausstehlicher Mensch war, aber in letzter Zeit höre ich viel Plastic Ono Band, und das gefällt mir wirklich gut. Der Song „God“ ist unglaublich kraftvoll; er klingt wirklich wie der Tod der 60er Jahre. Er verleugnet dreist den ganzen alt-spirituellen Hokuspokus der psychedelischen Ära, nimmt eine offen atheistische Haltung ein und verleugnet die Vergötterung von Berühmtheiten, die mit den Beatles einen solchen Fieberpegel erreichte. Eine so intensive Art, die 70er Jahre einzuleiten, und ein durch und durch schönes Album.

Falls Of Rauros Bandfoto1

Mit dem Song „Poverty Hymn“ greift ihr ein Thema auf, das im Metal seltsamerweise kaum Beachtung findet: Armut. Warum, denkst du, wird diese Problematik im Metal derart totgeschwiegen?
Aaron: Ich denke, es ist wahrscheinlich ein zu „reales“ Thema für viele Metalbands, als dass sie es ansprechen würden. Ein Großteil des Metals ist sehr eskapistisch, mit Texten, die sich auf Sci-Fi, Fantasy, Horror, Mythologie, das Okkulte und so weiter konzentrieren. Bands, die antireligiöse Themen aufgreifen, tun dies oft aus einem satanischen oder heidnischen Blickwinkel. Alle diese Themen haben einen eskapistischen Charakter; sie entführen den Geist aus der realen Welt. Ich denke, die meisten Bands, die Armut und andere soziale Themen in ihren Texten behandeln, sind eher Thrash- und Crossover-Bands. Vielleicht Grindcore. Subgenres, die sich etwas mehr am Punkrock orientieren.

Musiker*in sein ist ein finanziell prekäres Unterfangen. Das nötige Equipment ist teuer und nur die wenigsten können damit auch nur ihren Lebensunterhalt bestreiten. Welche Erfahrungen hast du in dieser Hinsicht gemacht?
Jordan: Keiner von uns kann von dieser Band leben. Nicht mal annähernd. Wir haben das Glück, dass genug Leute unsere Platten und Merch kaufen und uns auf Tournee sehen, sodass unsere Band sich selbst finanziert. Von uns vieren bin ich der einzige, der von Musik lebt – ich arbeite als Audio-Designer in der Videospielindustrie, komponiere für Spiele und gebe Musikunterricht, zusätzlich zu meinen Auftritten mit FALLS OF RAUROS und meiner Neoklassik-/Folk-Gruppe Forêt Endormie. Ich habe auch angefangen, klassische Gitarrenkonzerte zu spielen, was ich sehr liebe. Als Musiker seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist absolut machbar, aber mit einer Band zu leben, ist viel, viel schwieriger – die meisten Bands müssen pausenlos touren und selbst dann ist das Geld relativ gering, es sei denn, man überschreitet eine gewisse Popularitätsschwelle.

In diesen Zeiten vorauszuplanen, ist gewiss nicht leicht. Habt ihr dennoch schon eine Vorstellung davon, wie es mit FALLS OF RAUROS als Nächstes weitergehen wird?
Jordan: Ich nehme später in diesem Jahr ein neues Album mit meiner Neoklassik-/Folk-Gruppe Forêt Endormie auf, und ich weiß, dass Ray an Alben mit Shabti und Obsidian Tongue arbeitet, und Aaron hat ein Album, das er später in diesem Jahr veröffentlichen wird. Abgesehen von all diesen Projekten planen FALLS OF RAUROS weitere Tourneen, möglicherweise im Jahr 2023, an Orte, die wir noch nicht besucht haben. Zu diesem Zeitpunkt gibt es allerdings keine Versprechungen!

Kommen wir nun langsam zum Ende des Interviews. An dieser Stelle würde ich mit dir gerne noch ein kurzes Brainstorming machen. Was fällt dir zu den folgenden Schlagworten ein?
(Alle Antworten von Jordan)
Musik-Streaming: Zugänglichkeit, unendliche Auswahl (im Guten wie im Schlechten).
Soziale Gerechtigkeit: Jede Handlung ist politisch, allein dadurch, dass wir in einer Gesellschaft leben, haben wir eine Verantwortung gegenüber anderen, ob der Einzelne sie wahrnehmen will oder nicht.
Genre-Labels: Hilfreich, sollte nicht zu ernst genommen werden.
Optimismus: Auf persönlicher Ebene leichter als auf gesellschaftlicher Ebene.
Metal im Mainstream: Oft enttäuschend und überproduziert, manchmal großartig. Ich fühle mich relativ neutral gegenüber Prominenten, die Slayer-Shirts tragen, vielleicht hilft es dem Untergrund, vielleicht auch nicht.
Wildnis: Unverzichtbar, erschreckend.

Zum Abschluss nochmals vielen Dank für deine Antworten. Möchtest du noch ein paar Worte an die Leserschaft richten?
Jordan: Danke für die Einladung, wir wissen es wirklich zu schätzen, dass wir unsere Gedanken über unsere Musik mit euch teilen können!
Aaron: Stimmt. Vielen Dank für die Unterstützung! Bleibt gesund!

 

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert