Interview mit Lukas und Simon von From Fall To Spring

2023 meldeten sich FROM FALL TO SPRING erstmals beim Eurovision Song Contest an und 2025 schafften sie es sogar in den deutschen Vorentscheid. Wie die Band die Bewerbung erlebte, wie es plötzlich war im Fernsehen zu sein, wie das neue Album „Entry Wounds“ entstand und welche Pläne die Jungs aus Neunkirchen nun anstreben, haben wir mit Lukas und Simon im Interview besprochen.

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Es gibt euch nun seit 2008. Dann 2023 habt ihr euch erstmals beim ESC angemeldet. Wie kam es nach all den Jahren eigentlich dazu?
Lukas: Den ESC kennen wir schon lange und man spielt ja immer mal mit dem Gedanken, da mitzumachen. Wenn da eher unbekannte Künstler stehen, denkt man sich: Das könnten wir auch schaffen. So richtig klar wurde uns das erst mit ELECTRIC CALLBOY und dann mit BLIND CHANNEL, die 2021 Fünfte wurden. Wir hatten sie kurz davor bei einer unserer ersten Supportshows in Mannheim kennengelernt. Die waren supernett, und als wir sie später beim ESC gesehen haben, dachten wir: Wenn die das schaffen, können wir das vielleicht auch. 2023 kam dann dieses TikTok-Ding, genau in unserer aktivsten Phase dort. Es hieß: „Benutzt diesen Hashtag, und wir schauen, welche Band zum ESC passen könnte.“ Wir haben es einfach ausprobiert. Als wir gesehen haben, dass da echt Traffic draufkam, haben wir Gas gegeben. Kurz darauf kam eine Mail: Wir dürften uns bewerben, sie fänden uns cool. Dann ging alles los: Bewerbung, Videos, Live-Session, damit sie sehen, dass wir performen können, und eine Aufnahme zum Beweis, dass wir auch wirklich singen. Und dann kamen die Verträge.

© Marcus Ulbrich

Habt ihr nach all dieser Zeit jetzt auch damit gerechnet, dass ihr jetzt so groß rauskommen könnt? Es kommt jetzt das zweite Album, euer Debüt hattet ihr bei RISING EMPIRE, wart danach auf Europatour … Erwartet man das nach 15 Jahren dann noch?
Lukas: Als Band hat man ja immer Ziele. Unser großes Ziel war es von Anfang an, zu touren und aus dem Saarland rauszukommen. Von dort schaffen es nicht viele, vor allem nicht mit unserem Musikstil. Es ist schwer, sich da eine Fanbase aufzubauen, weil einfach die Leute fehlen. Wir wollten schon lange auf Tour gehen und waren eigentlich früher schon so weit … also nicht erst nach 15 Jahren. Dann kam allerdings Corona dazwischen. Unsere erste große Deutschlandtour war 2020 komplett geplant, mit rund 15 Stops. Wir hätten eine amerikanische Band supportet und es gab sogar Gespräche über Shows in den Niederlanden und Österreich. Durch Corona haben wir zwei Jahre verloren, aber sobald man wieder spielen konnte, haben wir keine Zeit mehr vergeudet.

Jetzt gerade nochmal zum Thema ESC. Würdet ihr da jetzt nochmal ran wollen?
Simon: Das ist ein Thema, über das wir gerade viel sprechen. Wir wollen nicht den ESC-Stempel aufgedrückt bekommen, aber es gibt mittlerweile schon eine gewisse Verbundenheit. Die ganze ESC-Community besteht aus supernetten Leuten, und man liest oft Kommentare, dass viele uns dort gern nochmal sehen würden. Im Moment sind wir da noch etwas hin- und hergerissen.
Lukas: Wir sind da ein bisschen hin- und hergerissen. Es steht aber auch auf unserer Bucketlist, das irgendwann zu schaffen. Es wäre für uns eine große Ehre gewesen, für Deutschland anzutreten, und wir hätten das sehr gerne getan. Den Traum haben wir noch nicht aufgegeben. Ob das aber nächstes Jahr wieder zu einer Bewerbung führt, schauen wir noch.

Wie seht ihr das jetzt gerade mit dieser politischen Lage? Viele Länder beim ESC sagen, wenn Israel länger antritt, dann boykottieren wir das Ganze. Wie würdet ihr euch damit jetzt so fühlen? Habt ihr da schon mal bandintern drüber gesprochen?
Lukas: Das wäre bei uns tatsächlich auch ein schwieriger Punkt, weil es mittlerweile stark politisiert ist. Allein Teil einer Veranstaltung zu sein, die solche Diskussionen aufkommen lässt, ist nicht einfach. Wir sind keine Freunde davon, Musikveranstaltungen zu politisieren. Das hilft den Künstlern nicht. Sie sind nicht da, um eine politische Agenda zu vertreten. Der ESC sollte eine Familienveranstaltung sein, und dass das Ganze in eine andere Richtung abdriftet, ist schade. Ob man das deshalb boykottiert, muss jeder für sich selbst entscheiden. Dafür gibt es auf beiden Seiten Argumente. Mal sehen, wie wir das in Zukunft handhaben.

Wie war die Reaktion eurer Freunde, eures Umfelds, euch plötzlich da im Fernsehen zu sehen?
Lukas: Viele haben sich erst mal sehr für uns gefreut. Sie wissen ja, dass wir schon lange dabei sind, und das war wirklich ein Meilenstein – für die Band und auch persönlich. Am Anfang war da etwas Unglaube, so nach dem Motto: „Ja klar, warten wir’s mal ab.“ Aber als es dann wirklich losging, wir in den Zeitungen standen und die Posts von RTL kamen, haben wir unglaublich viele Nachrichten bekommen. Die Leute haben sich richtig mit uns gefreut. Während der ganzen Zeit haben wir von Freunden, Familie und auch von neuen Fans, die uns über das Format entdeckt haben, fast nur positives und wirklich starkes Feedback bekommen.
Simon: Für viele war’s, glaube ich, nochmal ein großer Schritt, uns im Fernsehen zu sehen. Das hat der Band auf unserem Weg echt weitergeholfen.

Ihr wart es davor wahrscheinlich die ganze Zeit gewohnt, in ganz normalen Konzertvenues mit vollgesticktem Backstage-Bereich und rauem Bühnenboden zu spielen. Dann auf einmal steht ihr da auf einer hochpolierten Bühne vor Stefan Raab. Wie war das dann für euch?
Lukas: Das war tatsächlich ein krasser Unterschied. Wenn du mit deiner Band einen Gig spielst, sagen wir, eine Stunde, hast du dein Intro, kennst den Ablauf, hast alles tausendmal geprobt und Zeit, mit dem Publikum zu interagieren. Hier musstest du in drei Minuten, ohne echte Probe vorher, einfach 100 % geben … und das vor Leuten, die im Publikum saßen, nicht standen. Das war kein Konzert, sondern ein Studio mit Publikum auf Stühlen. Dazu kam die Jury, eben u. a. Stefan Raab. Da herrscht natürlich Grundrespekt, es ist ja seine Show. Gleichzeitig wurde uns gesagt, wir sollen die Jury nicht direkt ansingen, sondern uns auf den Auftritt konzentrieren. Überall waren Kameras, und wir kannten die Show selbst nicht zu hundert Prozent. Vor unserem ersten Auftritt hatten wir, glaube ich, insgesamt nur etwa zehn Minuten Probezeit. Den Song kannten wir natürlich, wir waren ja kurz zuvor auf Tour, aber auf der Fernsehbühne selbst hatten wir wirklich nur diese zehn Minuten. Danach ging’s direkt live ins Fernsehen.

Ihr seid ja quasi aus einem Hobbyprojekt, irgendwo in der saarländischen Provinz, hoch auf dieses Profi-Niveau gekommen. Wie hat sich euer Übeverhalten, aber auch das Probeverhalten der Band verändert?
Lukas: Vielleicht fange ich mal an, weil Simon erst später dazugestoßen ist. Aber er kennt alle Probephasen und Räume, er ist voll im Thema (lacht). Wir sind wirklich als Schulprojekt gestartet. Wir haben uns in der Schule kennengelernt, aber nicht dort geprobt, sondern direkt bei Benedikt, unserem Drummer, zu Hause. Da waren wir zehn oder elf. Wir haben damals angefangen, uns wöchentlich zu treffen, Songs zu schreiben und zu proben. Grundsätzlich hat sich daran gar nicht so viel geändert. Wir haben immer noch unseren festen Probetag, mittwochs, oft mit TikTok- oder Instagram-Streams. Nur ist aus Freunden, die hobbymäßig Musik machen, inzwischen ein richtiger Job geworden. Je größer das Projekt, die Touren oder die Promophase werden, desto mehr kommt der Arbeitsaspekt dazu: Buchhaltung, Firmenführung, Gespräche, Interviews. Das schränkt natürlich auch privat ein. Philipp hat es schon mal gesagt: Es gibt Tage, da macht die Band einfach Spaß und du lebst deinen Traum, und dann wieder Tage, die genauso anstrengend sind wie ein normaler Job. Es ist ein Geben und Nehmen.

Dann schwenken wir jetzt mal zu eurem neuen Album „Entry Wounds“. Wessen Idee war es, in diesen eher futuristischen Kontext, in das Intro des Albums Modemgeräusche einzubauen?
Lukas: (lacht) Das ist ein kleiner Kniff: Wir haben zwar den futuristischen Kontext mit dem Cloud- und Digitalthema, aber auch eine Website gelauncht, auf der man mehr über das Album erfahren kann – Track by Track, alte Videos, Fotos und vieles mehr. Die Seite ist im Stil von Windows 95 gehalten, was das Ganze etwas oldschool wirken lässt. Futuristisch, aber in einem Retro-Gewand. Das passt auch zu unserem Stil. Wir nehmen Dinge, mit denen wir groß geworden sind, und bringen sie auf ein neues Level. Deshalb gibt es auch ein Elektro-Intro für ein Nu-Metal-Album mit einem Modem am Anfang.

Ihr betitelt „Entry Wounds“ als eine Reise ins Innere und als eine Auseinandersetzung mit eigenen Wunden und Verletzungen. Woher kam diese Idee, sich damit lyrisch und musikalisch auseinanderzusetzen?
Lukas: Der Vergleich zum ersten Album ist klar: „Rise“ war mehr Repräsentation. Wir wollten zeigen, dass wir Teil der Szene sind, wer wir sind und was wir können. Beim zweiten Album, nach all den Erfahrungen als Band, haben wir den Blick mehr nach innen gerichtet. Wir wollten persönliche Erlebnisse und auch ernstere Themen wie Depressionen und Selbstzweifel ansprechen, dabei aber trotzdem unseren Stil als FROM FALL TO SPRING beibehalten.

Wie war das für euch? War das auch irgendwie heilsam, war das herausfordernd bei manchen Themen? Gerade „Chasing The High“ ist beispielsweise sehr explizit mit seinen Lyrics – wie war es, diesen Song zu schreiben?
Lukas: Wir wussten relativ schnell, was wir mit dem Song sagen wollten, weil wir den Vibe schon im Refrain hatten. Im Nachhinein mussten wir uns allerdings durchkämpfen, damit er so steht, wie er jetzt ist. Wir wollen beim Schreiben immer ein Bild erzeugen, das zur Musik passt. Manchmal flowt es einfach, manchmal braucht es Arbeit. Bei „Chasing The High“ ging es um ein Gefühl, das jeder kennt: Liebeskummer, verlassen werden oder jemanden verlieren, der einem wichtig ist. Das haben wir versucht, im Text widerzuspiegeln. Es war Arbeit, wie der gesamte lyrische Prozess, aber ich denke, wir haben ein rundes Bild erzeugt.

Ihr habt schon sieben Tracks veröffentlicht und es gibt jetzt für eure Fans eigentlich gar nicht mehr so viel zu entdecken vom neuen Album. Was war das für eine Entscheidung? Zünden Single-Drops heutzutage einfach besser als ein einzelner Album-Release?
Simon: Ich glaube, in der aktuellen Musiklandschaft läuft alles über Singles, über einzelne Videos, einzelne Tracks. Wenn wir jetzt ein Album mit fünf unveröffentlichten Songs rausbringen würden, würden die einfach untergehen. Das wäre viel zu schade für die Songs. Deshalb haben wir uns entschieden, jeden Track einzeln zu veröffentlichen. Das haben wir bei „Rise“ auch schon so gemacht.
Lukas: Eigentlich war geplant, dass wir das Album viel früher veröffentlichen. Ich gebe Simon recht: Ich würde jeder Band empfehlen, möglichst viele Singles zu droppen. So hat jeder Release noch einmal einen eigenen Impact – über Spotify, Amazon, Playlists und so weiter. Zehn Songs auf einmal bringen nur einen Push, zehn Singles zehnmal. Der ESC kam uns da aber etwas dazwischen. Eigentlich wollten wir das Album Ende Januar abgeben, doch Mitte Dezember war klar, dass wir ins Fernsehen zu Stefan Raab gehen. Alles wurde auf Eis gelegt. Dann kamen noch Vorbereitungen für die Gigs im Sommer hinzu, und so zog sich die Veröffentlichung bis Juni oder Juli.

Jetzt kommt das neue Album. Morgen ist quasi offizieller Release-Day. Wie fühlt ihr euch?
Lukas: Wir sind vor allem froh, dass es ab morgen draußen ist. Das zusammenzustellen war richtig harte Arbeit. Neben unseren Jobs, Touren, Fernsehen und allem anderen noch alles unter einen Hut zu bekommen, war nicht einfach. Es ist eine echte Erleichterung, dass wir es geschafft haben und es jetzt da ist. Heute haben wir schon Storys und Videos von Fans gesehen, die die Box in den Händen halten. Das war ein schönes Gefühl.

Ihr habt da jetzt schon einiges hinter euch. Ihr spielt jetzt sogar ein paar ausverkaufte Shows. Wie geht’s jetzt weiter bei euch? Neue Ziele? Was habt ihr jetzt vor? Was soll jetzt noch passieren?
Lukas: Du hast es schon gesagt: Für uns geht’s jetzt auf Tour. Wir pushen noch ein bisschen, weil wir wollen, dass unsere CD vielleicht in die Charts kommt. Dann bereiten wir die Tour vor: Pre-Production für Licht, Ton und alles. Danach geht es für uns dreieinhalb Wochen auf die erste EU-Tour. Darauf haben wir seit Jahren hingearbeitet, darauf haben wir richtig Bock. Am liebsten stehen wir auf der Bühne, sind bei den Leuten und reisen herum. Besonders schön ist, dass wir mittlerweile auch im Ausland teilweise vor fast ausverkauften Shows spielen. Es ist ein geiles Gefühl, herumzufahren und das, was wir erschaffen haben, endlich auf die Bühne zu bringen.

Mit welchen Künstlern würdet ihr da unbedingt mal gerne zusammenarbeiten – sei es jetzt ein einfaches Feature für einen Song oder gar auf Tour zu gehen?
Simon: Jeder in der Band hat eigentlich so seine eigenen Favoriten, mit denen man mal gerne spielen würde. Ich persönlich würde supergern mit ARCHITECTS etwas zusammen machen. Vom Vibe würde das momentan gut passen, und sie sind ja auch ziemlich groß unterwegs. Wenn wir da als Support mit draufkommen würden, wäre das natürlich irre für uns. Eine weitere Band in dem Bereich ist APRIL RAIL. Da würde ich auch gern etwas machen, vielleicht sogar ein Feature, bei dem sie den härteren Part bei uns ergänzen. Ein All-Time-Favorite ist natürlich LINKIN PARK. Momentan ist das vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Aber wir hatten die Ehre, mit ihnen auf einem Festival in Tschechien, beim ROCK FOR PEOPLE, zu spielen. Sie live zu sehen war schon cool. Auf demselben Plakat wie LINKIN PARK zu stehen … wenn uns das vor zehn Jahren jemand erzählt hätte, hätte keiner geglaubt.

© Marcus Ulbrich

Habt ihr noch abschließende Worte, die ihr an unsere Leser richten wollt?
Lukas: An jeden, der uns all die Jahre unterstützt hat: Wir haben viele Steine in den Weg gelegt bekommen, aber wir können uns immer auf unsere Fanbase verlassen. Es ist unglaublich, wie viele neue Leute wir dieses Jahr dazugewonnen haben – danke an euch! Während der Festivalsaison, gerade auf dem WACKEN OPEN AIR, haben wir mit so vielen Leuten gesprochen, die genau verstehen, was wir mit unserer Musik erreichen wollen. Jetzt freuen wir uns einfach sehr, dass wir das mit der kommenden Tour krönen können. Wir haben richtig viel Aufwand betrieben, um eine richtig geile Show hinzustellen – alles an Licht- und Screentechnik, was man sich vorstellen kann. Falls das hier noch jemand vor der Tour liest: Holt euch ein Ticket und kommt vorbei! Wir haben ein starkes Set, spielen das komplett neue Album und einfach alles, was dazugehört. Nach unseren Shows geht niemand unglücklich nach Hause.

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Redaktion Metal1.info

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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