Interview mit Jakob Batten von Illdisposed

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In unserem insgesamt fünften Interview mit ILLDISPOSED geht es um das 30-jährige Jubiläum der dänischen Death-Metal-Instanz, wohl oder übel auch um Corona und um die Frage, was früher alles besser war. Dabei verrät Gitarrist und Songschreiber Jakob Batten, dass ihn während des Lockdowns die Motivation verlassen hat und was er vom digitalen Wandel der Musikindustrie hält. Und wie ein nicht unmittelbar verschicktes Vertragsdokument die Geschichte der Band ganz entscheidend beeinflussen sollte.

Jakob, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses ILLDISPOSED-Special zum 30-jährigen Bandjubiläum nimmst. Wie geht es dir dieser Tage?
Danke Andreas! Abgesehen vom Virus ist alles gut. In meinem regulären Beruf als IT-Techniker arbeite ich momentan zahlreiche Stunden mehr als sonst, um die ausbleibenden Liveshows zu kompensieren und einfach auch um auf andere Gedanken zu kommen. Dieser Lockdown ist für einen Musiker wenig motivierend.

Um das Organisatorische zuerst zu klären: Das hier ist unser fünftes Interview und die letzten beiden waren zum 20. und 25. Jubiläum. Sind wir in fünf Jahren wieder verabredet?
Darauf kannst du wetten. Das sollte unser Ding bleiben: exklusive Jubiläums-Interviews. Und so wie die Zeit fliegt, sollten wir uns auch langsam schon darauf vorbereiten.

30 Jahre ILLDISPOSED! Was kann als der bedeutsamste Moment oder als die wichtigste Entscheidung der Band in den vergangenen drei Jahrzehnten herausgestellt werden?
Das war zweifelsohne damals im Jahr 2003, als wir uns nach einer neuen Plattenfirma umgesehen haben, um das neue Album zu veröffentlichen, das wir geschrieben haben, nachdem wir als Band beinahe zerbrochen wären. Wir entschieden uns für ein kleineres Label in Amerika, hatten die Papiere bereits unterschrieben und mussten sie nur noch zurück in die Staaten schicken. Aus irgendeinem Grund wollte ich den Vertrag erst am Folgetag zurückschicken und das war tatsächlich die wichtigste Entscheidung überhaupt. Denn später an diesem Tag rief ein Talentscout von Roadrunner Records an und fragte, ob wir nicht dort unterschreiben wollen. Das taten wir und nahmen dann das Album auf, das das wichtigste unserer ganzen Karriere werden sollte.

Gibt es Pläne, das 30-jährige Jubiläum zu feiern?
Ursprünglich wollten wir eine große Tour spielen und die „Submit“ in Gänze darbieten. Unglücklicherweise kam das Virus dazwischen und so können wir das „Submit“-Album nur in ein paar gewählten Venues vor sitzendem Publikum spielen.

Kurz nach der Gründung von ILLDISPOSED wurde Dänemark Fußball-Europameister, die älteren von uns können sich vorstellen, wie lange das her ist. War es in den 90ern einfacher mit einer Band zu starten, verglichen mit heute?
Nicht alles war damals einfacher. Es war sogar ziemlich schwierig, mit der Musik Leute zu erreichen. Wir mussten Kassetten verschicken und so weiter, denn Online-Plattformen zum Promoten der Musik gab es natürlich nicht. Dennoch möchte ich die Zeit nicht missen. Wir wuchsen auf, als der Heavy Metal wild und verrückt war. So waren wir auch: wir haben uns Scheiße eingebrockt, uns geprügelt und haben gemacht, was immer wir wollten, um zu provozieren und dem Mainstream ein großes „Fuck You“ zu entgegnen. Heute erkennst du doch nicht mal mehr den Unterschied zwischen einer Metalband und einer Schlager-Gruppe. Das sind alles Pussies, wenn du mich fragst.

Und gibt es heute dieses eine Ding, das du komplett anders machen würdest als damals?
Nein, nicht wirklich. Es gab zwar einige schlechte Entscheidungen, die sich negativ auf unsere Karriere auswirkten, aber letztlich trafen wir diese Entscheidungen, um uns treu zu bleiben, um vor niemandem die Hosen runterlassen zu müssen. Um von der Musikindustrie nicht von hinten genommen zu werden. Ich bin stolz auf alles, was wir gemacht haben, ob gut oder schlecht. Ich würde nichts anders machen.

Ich weiß nicht, ob du dich an den 24. Mai 2006 erinnerst. Du hattest mich und einen Kumpel zur Release-Show der „Burn Me Wicked“ nach Kopenhagen eingeladen. Es war ein unfassbarer Abend, für den ich sehr dankbar bin, eigentlich die tollste Erfahrung im Zuge meiner Mitarbeit hier bei Metal1.info. Bo hat einen Song wegen uns sogar auf Deutsch angekündigt, und dass vor eurem heimischen Publikum. Wie wichtig ist euch solch ein Austausch bzw. Kontakt mit euren Fans?
Das war tatsächlich ein großartiger Abend. Ich glaube, dass war der Abend als Michael von Volbeat sturzbetrunken die Treppen zu unserem Backstageraum runterflog und bewusstlos wurde. Kurz bevor wir auf die Bühne sind, haben wir ihn in einen Schrank verfrachtet. Nach der Show lag er noch immer ohne Bewusstsein da, aber glücklicherweise ist nichts passiert.
Aber davon ab: wir haben nie Musik gemacht, um berühmt oder reich zu werden. Wir machen das, um dem Alltag zu entfliehen, Spaß zu haben und verrückte Leute zu treffen. Das ist, was wichtig ist.

Wie stehst du zu diesen sündhaft teuren Meet-and-Greets, die während diverser Tourneen angeboten werden? Siehst du darin „Value for Money“? Korn boten für 200$ sogar ein virtuelles Meet & Greet während ihres Streaming-Events an, was doch nichts anderes ist, als eine simple Video-Konferenz.
Das widert mich an und solche Bands tun mir leid. Das wollen sie doch nicht mal, fühlen sich aber gezwungen, weil sie nicht genug kriegen können. Die Szene hat sich schon stark verändert: Du gibst deine Musik kostenlos frei, hast aber trotzdem eine Menge fürs Producing zu zahlen. Das ist nicht einfach.

Sind Streaming-Shows etwas, was ihr euch auch vorstellen könntet, solange keine „normalen“ Konzerte gespielt werden können?
Definitiv nicht. Wir spielen Shows wegen der Leute im Publikum, wegen der Stimmung und der Verbindung zwischen uns und den Leuten. Als die Pandemie aufkam, hatten wir uns geschworen, niemals ein Konzert vor sitzendem Publikum zu spielen. Wir haben es trotzdem gemacht und zwei solcher Shows gespielt. Wer hätte denn auch gedacht, dass das so lange andauert?

In den Anfangstagen habt ihr rohen Death Metal gespielt und euch seither stärker einer moderneren, melodischeren Spielart verschrieben. Gab es bestimmte Bands, auf deren Einfluss das zurückzuführen ist?
Das kam, als wir viel At The Gates, In Flames und diese melodischen schwedischen Bands gehört haben. Das dürfte der Haupteinfluss gewesen sein. Ich mochte schon immer gute Melodien, völlig gleich welche Art Musik ich gerade höre. Ohne gute Melodien haben Songs für mich keinen Wiedererkennungswert.

Mein Lieblingsalbum ist die „1-800 Vindication“, eben wegen seiner sehr melodischen Art. Seither seid ihr wieder etwas zurück zu euren geradlinigeren Ursprüngen gegangen. Könnte es ein solches melodisches Album noch einmal geben, auch mit all den verwendeten Samples, oder ist dieses Kapitel beendet?
Nichts ist beendet. Wir machen immer das, wonach uns gerade ist, besonders wenn uns etwas nach einer gewissen Zeit langweilig wird. Was aber als nächstes kommt, kann ich noch gar nicht sagen. Als der Lockdown kam, habe ich meine Motivation, Musik zu machen, komplett verloren. Es fühlt sich beinahe an, als würde man von vorne anfangen, jetzt, wo langsam wieder mehr geöffnet wird.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die Musikindustrie komplett verändert. In den 90er Jahren musste man CDs kaufen, die heute keiner mehr anfasst, weil nur noch gestreamt wird. Wie gefällt dir diese Entwicklung? Wenn du könntest, würdest du diese ganze digitale Entwicklung stoppen, oder sagst du, dass das das Beste ist, was einer Band passieren kann?
Ich persönlich hasse diese digitale Entwicklung der Musik. Es hat vieles vereinfacht, keine Frage, aber einfach ist nicht immer der richtige Weg. Jede Band kann ihre Musik auf allen Plattformen veröffentlichen, aber das bedeutet auch, dass diese Plattformen mit Scheiße überschwemmt sind. Und als Musiker ist es ein Schlag in die Magengrube, mit anzusehen, wie die Leute gut produzierte Musik am Handy oder mit schlechten Bluetooth-Boxen hören. Das ist ermüdend. Demzufolge hatte ich auch noch nie ein Abo bei irgendeiner Streaming-Plattform. In einer riesigen Ansammlung von Scheiße ist gute Musik schwer zu finden. Da sammle ich lieber Vinyls und höre diese auf meiner Stereo-Anlage. So fühlt sich Musik für mich richtig an.

ILLDISPOSED zu sehen ist immer ein riesiger Spaß, besonders mit Bos deutschsprachigen Ansagen, die die Leute zum Lachen bringen. Bemerkt ihr, dass sich die ganze Political Correctness auf eure Bühnenshow auswirkt? Würdet ihr mit „Wir sind die Schwulen / Nutten aus Dänemark“ im Internet herumalbern, würden zahlreiche Leute direkt durchdrehen und eine Welle der Empörung lostreten.
Das wirkt sich tatsächlich auf uns aus. Es ist keine Seltenheit, dass Leute versuchen, unsere Shows zu verhindern, indem sie den Promotern E-Mails schicken und schreiben, wir wären Nazis oder so etwas. Wir werden uns an all dieser Political Correctness aber nicht beteiligen, die die Welt zu einem riesigen Kindergarten werden lässt.

Euer letztes Album „Reveal Your Soul For The Dead“ wurde 2019 veröffentlicht. Ist bereits neue Musik in Arbeit? Wie kann man sich das Songwriting bei ILLDISPOSED überhaupt vorstellen während der Corona-Situation?
Bislang war ich nicht in der Lage, neue Musik zu schreiben, da ich meine Motivation verloren habe. Aber ich spüre, dass sie allmählich zurückkommt, während auch das normale Leben wieder mehr und mehr zurückkommt.

In der Zwischenzeit ist euer „neuestes“ Bandmitglied Rasmus (Schlagzeug) bereits rund sieben Jahre bei euch, während es davor immer reichlich Fluktuation gab. Was ist innerhalb der Band mittlerweile anders?
Eigentlich haben wir sogar ein noch neueres Mitglied. Aber dessen Name ist ebenfalls Rasmus. Er hat Kens Platz an der Gitarre übernommen. Wir sind jetzt noch stärker, denn Rasmus und ich spielen die Rhythmusgitarre ganz ähnlich. Es klingt jetzt noch straffer. Und Rasmus Trommelaffe ist ein herausragender Drummer. Der beste, den wir je hatten.

Besuchst du noch Konzerte als Fan? Falls ja, welches war dein letztes?
Aber sicher. Das letzte Metal-Konzert, das ich besucht habe, war Dawn Of Demise, eine Band aus der Stadt, in der ich lebe. Deren Sänger Scott war übrigens auch der Sänger meiner alten Band Infernal Torment. Und das letzte Non-Metal-Konzert war von Steven Wilson in Hannover. Ich bin ein großer Fan seiner Musik, auch während seiner Zeit bei Porcupine Tree.

Gehen wir über zu unserem üblichen Brainstorming am Ende des Interviews…

Lieblings-Festival in Deutschland: Da gibt es eine wirklich große Auswahl. Von den größeren gefällt mir das Summer Breeze sehr. Bei den kleineren ist es das Chronical Moshers.
Was tust du als erstes, wenn Corona offiziell vorbei ist: Dann möchte ich weit reisen und meiner Tochter großartige Erfahrungen ermöglichen. Sie ist jetzt vier Jahre alt und konnte wegen dem Virus noch nicht so viel erleben.
Deine Pläne für den Sommer: Gute Freunde aus Deutschland werden mich für ein paar Wochen in meinem neuen Haus besuchen, das wird großartig. Und ansonsten werde ich mit unserem früheren Bassisten Jonas Motorrad fahren.
Illdisposed in fünf Jahren: Grauer, aber noch immer stark.

Jakob, vielen Dank hierfür! Dir und den anderen Jungs alles Gute und viele, viele weitere Jahre mit ILLDISPOSED. Die letzten Worte gehören dir.
Danke Andreas, schön wieder von dir gehört zu haben. Hoffentlich bis bald!

Publiziert am von Andreas Althoff

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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