Interview mit Adrian "Ady" Vogel von Die Apokalyptischen Reiter

Interviews werden in der Regel in der Promophase zu einem Album oder einer Tour geführt – und dann über diese Themen. Doch Alben und Shows gäbe es nicht, wären die Gesprächspartner nicht so begeisterte Instrumentalisten. In unserer Serie „Saitengespräche“ wollen wir dem Rechnung tragen – mit Interviews, die sich ganz um Instrumente, Verstärker, Effekte und andere Technik drehen. Von Gear-Nerds für Gear-Nerds – und solche, die es werden wollen.

In Teil 12 der Serie unterhalten wir uns mit Adrian „Ady“ Vogel, Gitarrist bei DIE APOKALYPTISCHEN REITER.

Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Alles gut bei dir?
Hallo. Gerne und ja, bei mir ist alles gut. Ich hoffe, bei dir auch.

Wann hast du angefangen, Gitarre / Bass zu spielen?
Ich habe im Alter von zehn, elf Jahren das erste Mal die eingestaubte Gitarre meiner Mutter aus dem Keller geholt und die Gitarre dann praktisch nicht mehr aus der Hand gelegt.

Was hat dich damals dazu gebracht, dass du Gitarre lernen willst?
Ich war einfach von der Gitarre fasziniert. Dieser mächtige Sound, der mich schon immer hat aufhören lassen und mich weggeblasen hat, wenn in irgendeinem Rocksong plötzlich eine Gitarrenwand einsetzte oder ich das Gefühl hatte, dass der Gitarrist durch sein Solo direkt in mich hinein spricht und ich nicht den geringsten Zweifel hegte, dass ich diese Sprache auch spreche. Mich hatte damals die Energie und die Innovationen von Bands wie beispielweise Queen, Genesis oder Guns N‘ Roses dermaßen angesteckt, dass ich überzeugt davon war, dass ich meine Art, durch dieses Instrument zu sprechen, finden müsse. Und ich denke, es ist die Faszination, die einen bei der Stange hält.

Hast du vorher schon ein anderes Instrument erlernt (erlernen müssen)?
Tatsächlich. Eine meiner Tanten war Keyboard- und Trompetenlehrerin und ich lernte bei ihr recht früh ein grundlegendes Verständnis für Musiktheorie. Da sie diese zwei Instrumente sicher beherrschte, beschränkte sich die Wahl des Instruments, welches meinen Einstieg in die Musik eröffnete, dann im damaligen Verständnis auch nur auf eine dieser beiden Möglichkeiten. Trompete war damals keine Option, da ich sie doof fand, weil ich diese seinerzeit immer nur mit der Volksmusik meiner Oma assoziieren konnte. So was wie Ska oder Jazz kannte ich da ja noch gar nicht.
Das Keyboard machte mich neugierig, weil man sich mit flächigen Sounds und beim Klang eines verhallten Pianos so schön wegträumen konnte. Allerdings klang das damals anno 1994 noch ganz schön bescheiden und hatte mich schlichtweg nicht überzeugt. Ich war ein wilder Junge. Ich wollte es ehrlich, kraftvoll und laut. Und da begann ich mich irgendwann für Schlagzeug und Gitarre zu interessieren.

Weißt du noch, welches Modell deine erste Gitarre war?
Na klar. Die Gute räkelt sich ja auch an der Wand neben meinem Schreibtisch. Meine erste eigene (E-)Gitarre war eine schwarze Marathon aus der „Replay“-Serie. Namen und Marken waren mir so was von egal, denn es war immerhin eine E-Gitarre.

Wie viele Gitarren / Bässe besitzt du?
Sechs E-Gitarren, drei Akustikgitarren, eine klassische Gitarre und einen Bass.

Haben die Instrumente für dich unterschiedliche Einsatzbereiche, also hast du etwa verschiedene für unterschiedliche Bands oder Anlässe, etwa Studio, Liveauftritte und den Urlaub?
Ja, haben sie und man kann sich das auch genau so vorstellen, wie du es erfragst. Mit meiner Yamaha Pacifica und dem Bass halte ich daheim per Home-Recording Ideen fest. Meine „Signature Zwillinge“ in V-Form begleiten mich live und im Studio bei DIE APOKALYPTISCHEN REITER. Weiterhin habe ich eine E-Gitarre für meine andere Band. Diese ist in einem anderen Tuning, als es bei den REITERN der Fall ist, und soll natürlich auch einen völlig anderen Sound bringen. Ich hab‘ eine verstärkbare nylonbesaitete Akustikgitarre mit einem dünneren Hals, einer E-Gitarre ähnlicher als einer klassischen. Die benutze ich für viele Sachen: Straßenmusik, gesangliches Arrangieren, Gitarrenunterricht und auch immer gerne wenn beispielsweise mein Freund Fuchs wieder eine seiner coolen Ausstellungen mit einer Vernissage eröffnet.

Worauf legst du aus technischer Sicht besonderen Wert, welche Kriterien muss ein Instrument für dich erfüllen, damit du damit zufrieden bist?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich bin niemand, der sagt, der Korpus müsse aus diesem oder jenem Holz sein oder man bräuchte ganz bestimmte Tonabnehmer von jenem Hersteller aus genau der einen Serie, wo alles cool war. Wenn du weißt, mit wem du etwas gemeinsam vorhast, dann weißt du auch, was jeder in dieser Situation braucht. Ich finde, man muss in irgendeiner Form zu dem Instrument einen persönlichen Kontakt aufbauen können. Das klingt vielleicht komisch und ich hätte auch keine Ahnung, wie das bei anderen aussieht.

Früher war mir beispielsweise die Verarbeitung und gewisse Einstellungen wie die Saitenlage nicht so wichtig, da es ohnehin schon der Wahnsinn war, eine mit verrosteten Saiten überzogene Gitarre in den Händen zu halten und durch das Kinderzimmer zu hüpfen und sich dabei vorzustellen, man stünde stattdessen mit einer E-Gitarre auf einer Riesenbühne vor abertausenden von Leuten und rockt die Scheiße aus dem Leib. Aber es hat meine Faszination gestärkt. Ich will ja auch Gitarre spielen und kein wandelndes Lexikon für Gitarrenhersteller sein. Heute weiß ich durch viele, viele Erfahrungen, dass man durch so viele Sachen – unterschiedliche Saiten, Einstellungen an der Gitarre, durch Pflege, durch Mut zum Experimentieren, eigenes Befinden und so weiter – viel verändern kann und vor allem die eigene Wahrnehmung prägt. Es ist daher wichtig für mich, wie mit einem Freund zu kommunizieren, auf den man sich einfach verlassen kann, der mich genauso gut lesen kann, wie ich auch in ihm lese und mitbekomme, wenn irgendetwas in der Beziehung einer Änderung bedarf.
Meiner Meinung nach ist es gut, zu wissen, was man will, was man von sich und vom Instrument erwartet und wie man das erreichen will. Wenn man das nicht weiß, ist es gut, seine eigenen Erfahrungen zu machen und nicht verschlossen für die Meinung anderer zu sein – selbst wenn man diese erst nicht versteht.

Man hört ja oft von Musikern, die eine spezielle Verbindung zu ihrem Instrument zu haben scheinen. Empfindest du das auch so? Hast du ein Lieblingsinstrument?
(lacht) Ersteres wäre ja mit der Antwort zur vorherigen Frage eindeutig geklärt. Aber ich habe kein Lieblingsinstrument – genauso wenig, wie ich eine Leibspeise habe. Ich glaube, das Gefühl des Moments und der Grund des Bedürfnisses wiegen schwerer als die Vorstellung vom Liebling. Natürlich gibt es Eigenschaften an Instrumenten, die ich zu gewissen Zeiten bevorzuge, etwa Evertune gegenüber Tremolohebel, und Eigenschaften die ich zu anderen Zeiten schlichtweg mehr benötige. Ich bin dankbar, dass ich da so ein wunderbar offenes Verhältnis zu meinen besaiteten Freundinnen pflege.

Hast du daran spezielle Modifikationen vorgenommen oder ist es sowieso ein Custom-Modell? Kannst du uns hier die technischen Details nennen?
Ich habe meinen V-Custom-Modellen, die ja schon nach meinen Vorstellungen gebaut sind, beiden eine Back Box und der einen noch zusätzlich ein „Tremol-No“ System eingebaut, mit dem man die ganze Brücke nach Bedarf starr machen kann. Ich würde bei einer gerne ein kugelgelagertes Tremolo-System einbauen, aber manche Hersteller machen es einem da nicht gerade leicht, an spezielle einzelne Teile heranzukommen.
In meinen VGS-Signature-V-Modellen sind EMG-Humbucker drin, die man bei Bedarf zu Single-Coils splitten kann. Das war ein netter Versuch, aber ich finde die Single-Coils klingen furchtbar scharf und haben auch nur den halben Dampf an Output.
Sehr gelungen finde ich, dass man die Halsform nach meinen Vorstellungen angepasst hat. Das bedeutet in etwa so viel, dass die Form des Halses – würde man von oben auf die Gitarre schauen – bis zum siebten Bund, mehr der Form eines „V“ entsprechen würde, während sich die Form zu den höheren Bünden hin dann zu einem „D“ entwickelt. Unten Pfund zum Greifen und oben Entspanntheit zum „Solieren“. Ansonsten bin ich Freund von großer Schlichtheit: Ein Volume-Poti und für gelegentlichen Spaß den Tremolo-Hebel und danke, damit kann ich fast alles machen.

Gibt es ein Modell, etwa das Instrument eines großen Vorbilds, das du gerne einmal spielen würdest?
Nein.

Welche Plektren spielst du und warum genau diese?
Wir haben uns unsere eigenen Plektren von einer US-amerikanischen Firma namens InTune Guitar Picks machen lassen. Die Gründe sind so einfach wie auf der Hand liegend: Sie entsprechen genau meinen Vorstellungen davon, was mich am besten spielen lässt und zu alledem sehen sie mit unserem Logo und dem Reiter darauf gedruckt natürlich fetzig aus.
Ich brauche bei meinen schwitzenden Händen auf der Bühne definitiv etwas, das mir beim Spielen nicht zu oft aus der Hand rutscht. Die Plektrenstärke kommt tatsächlich sehr auf das Instrument an und was ich damit spielen will. Ich habe in der Regel Plektren mit der Stärke 0,88 mm für knackige und präzise Metalriffs, nehme aber beispielsweise 0,73 mm Tortex Plektren für das Spielen auf Akustikgitarren.

Für Touren werden Verstärker ja oft geleast – ist das für dich in Ordnung oder hast du deinen eigenen Amp dabei? Welches Modell spielst du?
Das kann jeder für sich halten, wie er will. Das sehe ich ganz unproblematisch. Ich selbst habe für mich genug Erfahrungen gesammelt, die mir klar gemacht haben, was ich will, wenn wir als DIE APOKALYPTISCHEN REITER touren. Da will ich mich auf keinen Fall auf etwas verlassen, das ich nicht kenne: weder Eigenheiten des Gerätes (und jeder Amp klingt und reagiert anders) noch Verlässlichkeit. Wenn ich aber dagegen in Asien in einer Bar rumhänge und mich die Lust zum Jammen packt, dann bin ich schon dankbar, wenn die Gitarre alle Saiten hat. Da alle meine Sounds mehrkanalig sind, spiele ich die im Proberaum und live auch mehrkanalig. Seit ein paar Jahren bin ich ein interessierter Verfolger der technischen Möglichkeiten vom Sound-Profiling, was einem im Endeffekt viel Schlepperei und Fehlersuche im Tour-Alltag erspart.
Man kann sich immer über Qualitäten und Geschmäcker streiten, aber ich bin da eher praxisbezogen und denke, dass alles seinen Einsatzort hat. Für mich sind echte Gitarren-Amps beim Einsatz im Studio einfach nicht wegzudenken, wohingegen sie beim Home-Recording nur umständlich, platzraubend und dem Haussegen sehr unzuträglich wären.

Neben dem Instrument und dem Verstärker haben Soundeffekte einen wichtigen Anteil am Klang. Setzt du auf einzelne Tretminen, ein Multieffektboard oder eine Kombination?
Wie erwähnt bin ich bei der Umsetzung ein auf sehr praktikable Lösungen orientierter Mensch. Ich wähle lieber einen Sound an, den ich vorher genau ausgetüftelt habe – wie Lautstärken, Hallfahnen, Delay-Längen und so weiter. Für mich war es immer ein Graus, wenn man von einem Sound zu einem anderen umschaltet und dabei am besten drei Taster auf dem Boden gleichzeitig an- oder ausschalten müsste. Daher besteht meine Effektleiste lediglich aus einem schlichten Midi-Board, das mich vorgespeicherte Presets anwählen lässt, und einem Expression-Pedal, das ich nach Lust und Laune zu jedem Preset programmieren kann oder auch nicht.

Lass uns ins Detail gehen: Erkläre uns doch bitte die Elemente deiner Effektschleife. Welche Geräte nutzt du, in welcher Reihenfolge geschaltet und warum? Benutzt du ein Noise-Gate – warum (nicht)?
Das Tolle an den technischen Errungenschaften ist, dass man mit jedem Preset eine andere, neue Effektschleife abspeichern und nutzen kann. Daher kann ich die Frage so gar nicht beantworten. Ginge es um den hauptsächlich genutzten Rhythmus-Sound, so verhielte es sich so, dass die Effektschleife eine ganz einfache und vielfältig angewandte ist. Gitarre-Tubescreamer-Noise-Gate-Amp Eins und das Gleiche parallel nochmal zu einem zweiten Amp. So betrachtet also ganz easy.

Gedankenspiel: Du darfst nur einen Einzel(!)effekt mit auf die Bühne nehmen – für welchen entscheidest du dich? Welches Effektpedal macht deinen Sound aus?
Das käme wohl auch darauf an, ob man sich vorstellt, eine professionell aufgezogene Show mit einem Einzeleffekt „retten“ zu müssen oder ob ich mir vorstelle, dass es nicht so stark darauf ankommt und ich einfach mit etwas auskommen muss, was ich mir später nicht anders überlegen kann. Im Falle eins wäre es wohl ein einfaches Pedal, das es mir möglich macht, sauber und schnell zwischen clean und verzerrt umzuschalten, während ich im zweiten Fall wohl zum Delay greifen würde.

Ist dein Effektboard „fertig“ oder in stetem Wandel?
Ich glaube, Musik zu machen bedeutet im steten Wandel zu sein. Ich bin sicher, irgendwann wäre auf Dauer jeder von seinem fertigen Ergebnis gelangweilt und hat das Bedürfnis, mal etwas anders zu machen – und sei es nur kurz mal an einem Knopf herumzudrehen, um eine leichte Färbung zu erreichen.

Hast du zum Abschluss noch einen Tipp für angehende Musiker?
Ja. Es gibt im Erlernen von Musik kein „richtig“ oder „falsch“, nur praktikable Sachen und weniger praktikable Sachen. Das eigene Gefühl, die eigene Vorstellungskraft, eigene Ziele, eigene Erfahrungen und eigene Entscheidungen haben mehr Einfluss als ein teures Instrument. Es gibt bestimmt jede Menge guter und schlechter Tipps, aber nicht den einen Weg, den schon mal jemand vor dir gegangen ist und der auch für dich genau so funktionieren wird. Auf zwei Sachen kann man sich verlassen: „Übung macht den Meister“ und „Versuch macht klug“.


Im nächsten Teil der Serie kommt Tuomas Saukkonen von WOLFHEART zu Wort!


Die bisherigen Teile der Serie findest du hier:

Publiziert am von

Fotos von: Andreas Brückner

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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