Konzertbericht: Amon Amarth w/ Machine Head, The Halo Effect

14.10.2022 München, Olympiahalle

War 2021 das (quasi) konzertfreie Jahr, so ist 2022 ist das Jahr der Mega-Touren: Wohl aus der Not heraus, dass ein Headliner derzeit nicht reicht, um genug Fans anzulocken, werden vermehrt Szenegrößen als Co-Headliner auf die Reise geschickt – und das oftmals noch mit prominenten Vorbands. Eines dieser Packages verbirgt sich hinter dem Titel „Vikings And Lionhearts Tour 2022“: AMON AMARTH, MACHINE HEAD und die neue Göteborg-Metal-Supergroup THE HALO EFFECT versuchen gemeinsam ihr Glück in den größten Hallen Europas.

THE HALO EFFECT in MünchenGanz gemäß der aktuellen Stimmungslage im Live-Business hält sich das Interesse an der Veranstaltung arg in Grenzen – dass auf der Olympiapark-Homepage „Einlass 17:00 Uhr, Beginn 18:25 Uhr“, auf den Tickets einfach nur „18:30 Uhr“ und im offiziellen Facebook-Event „von 19:00 bis 23:30“ angegeben ist, ist für THE HALO EFFECT als Opener nicht wirklich hilfreich. Diese müssen nämlich tatsächlich bereits um 18:25 Uhr auf der Bühne. Dass die Ränge noch komplett leer sind und Mikael Stannes Ansagen im weiten Sitzschalen-Rund der Münchner Olympiahalle gespenstisch verhallen wie in einer gigantischen Höhle, hätte wohl so manche Band verunsichert. Nicht so THE HALO EFFECT – „a young band consisting of old guys“, wie Stanne es ausdrückt. Denn die Schweden lassen sich im besten Sinne weder das „young“ noch das „old“ anmerken.

THE HALO EFFECT in MünchenDaniel Svensson, Niclas Engelin, Peter Iwers und Aushilfs-Gitarrist Patrik Jensen interagieren, als wären sie seit Jahrzehnten gemeinsam unterwegs – allerdings mit einer Freude am eigenen Tun, die man von routinierten Musikern mit Headliner-Erfahrung angesichts des etwas tristen Ambientes dieser Opener-Show nicht erwartet hätte. Selbst Mikael Stanne – eh schon als einer der enthusiastischsten Metal-Fronter bekannt – wirkt heute noch dankbarer und vom Zuspruch des Publikums ergriffener als sonst. So machen THE HALO EFFECT nicht nur das krankheitsbedingte Fehlen von Jesper Strömblad und den zunächst etwas basslastigen Sound wett, sondern hauchen ihren Songs auch das Feuer ein, das diesen in ihren Studioversionen leider fehlt. Dass Engelin nach der Show händeschüttelnd die erste Reihe abläuft, passt voll ins Bild: Diese Band liebt, was sie tut – und das Publikum liebt sie.

  1. Days Of The Lost
  2. The Needless End
  3. Gateways
  4. Feel What I Believe
  5. Last Of Our Kind
  6. Conditional
  7. Shadowminds

MACHINE HEAD in MünchenMit „Diary Of A Madman“ von Ozzy Osbourne wird um 19:20 Uhr der Auftritt von MACHINE HEAD eingeläutet. Waren sie auf dieser Tour bislang Headliner, müssen sich die Thrasher um Robb Flynn nun der nordeuropäischen Wikinger-Begeisterung beugen und Amon Amarth den späten Slot überlassen. Zum Nachteil gereicht das den Amerikanern nicht: Zwar sind die Ränge der Olympiahalle nach wie vor fast leer und auch in der Arena stehen die Fans vergleichsweise locker – trotzdem wirkt es während MACHINE HEAD voller als später am Abend bei Amon. Im Gegenzug liefern die Amis ab wie Headliner: Bei perfektem Sound und einer bis ins Detail choreografierten Lightshow lässt das heutige Set keine Fan-Wünsche offen.

MACHINE HEAD in MünchenVor allem aber Robb Flynn ist es zuzuschreiben, dass hier augenscheinlich noch der eingefleischteste Viking-Metaller zumindest für 75 Minuten zum MACHINE-HEAD-Fan wird: Mal spricht er über Mental Health und wie ihm als Fan Musik in düsteren Zeiten geholfen hat, mal peitscht er das Publikum richtiggehend an oder beeindruckt durch überaus geschickte Bierbecherwürfe ins Publikum. Dass er sich obendrein – bei aller Freude über ein maskenloses Publikum – erst in einer Ansage und dann sogar mit einem MACHINE-HEAD-Shirt bei einem Fan mit Maske dafür bedankt, dass dieser trotz Ansteckungsangst gekommen ist, gibt Extra-Sympathiepunkte.

  1. Becøme The Firestørm
  2. Imperium
  3. Ten Ton Hammer
  4. I Am Hell (Sonata in C#)
  5. Old
  6. Darkness Within
  7. Now We Die
  8. From This Day
  9. Davidian
  10. Halo

AMON AMARTH in MünchenAuch AMON AMARTH setzten auf einen Oldie, um das Publikum einzustimmen: Lautstark erschallt Maidens „Run To The Hills“, ehe um 21:15 Uhr der Vorhang fällt und den Blick auf den pompösen Bühnenaufbau freigibt. Wie schon bei den letzten Touren steht das Drumkit in einem riesenhaften Helm wie ein frisch geschlüpftes Küken im Ei, während links und rechts imposante Statuen prangen. Elemente wie diese tragen die ganze Darbietung: Flammenwerfer und Konfettikanonen, aufblasbare Drachenschiffe und Ungeheuer, kämpfende Wikinger und mit Trinkhörnern ausgestattete Musiker machen optisch ordentlich was her.

AMON AMARTH in MünchenDas ganze Brimborium vermag leider nicht ganz zu kaschieren, dass die meisten neueren Songs nicht mehr die Energie der frühen und mittleren Bandphase versprühen: Zwar haben die Songs von „The Great Heather Army“ wieder deutlich mehr Groove und Wumms als die der vorangegangenen Alben, die unbestreitbaren Hits im Set sind nach wie vor Klassiker wie „Pursuit Of Vikings“, „Cry Of The Black Birds“ oder „Twilight Of The Thundergod“. Immerhin: Als musikalische Begleitung zum schon jetzt ritualisierten „großen Rudern“ der Fans ist auch die 2022er-Single „Put Your Back Into The Oar“ bereits unausweichlicher Teil der Setlist geworden. Doch obschon auch AMON AMARTH heute sehr spielfreudig wirken, reicht die Performance der Schweden nicht an die spritzige Show von Machine Head heran. Insbesondere durch die durchchoreografierten Showeinalgen wie den eher unmotiviert wirkenden Schaukampf hat die ebenfalls 75-minütige Show leider ein paar Längen. Dramaturgisch betrachtet wären AMON AMARTH darum vor Machine Head definitiv besser aufgehoben gewesen.

  1. Guardians Of Asgaard
  2. Raven’s Flight
  3. Deceiver Of The Gods
  4. The Pursuit Of Vikings
  5. The Great Heathen Army
  6. Heidrun
  7. Destroyer Of The Universe
  8. Put Your Back Into The Oar
  9. Cry Of The Black Birds
  10. The Way Of Vikings
  11. First Kill
  12. Shield Wall
  13. Raise Your Horns
  14. Twilight Of The Thunder God

Wie sehr einer Rampensau wie Robb Flynn in der Pandemie die Bühne gefehlt hat, kann man nur erahnen – indem sie Routiniers wie ihn zwei Jahre aus dem Trott des Tourens herausgerissen hat, hat sie im Kleinen aber vielleicht sogar etwas Positives bewirkt: So leidenschaftlich wie heute hat man die Dauer-Tourer Flynn, Hegg oder Stanne lange nicht erlebt. Gepaart mit der Freude der Fans über die Möglichkeit, wieder Livemusik zu genießen, ergibt das eine einmalige Atmosphäre. Schade nur, dass diese insgesamt verhältnismäßig wenige Menschen erleben: Wohl nicht zuletzt der stattlichen Preise wegen (85 € für ein Ticket „Front of Stage“, 35 € für Tourshirts) passen Besucherzahl und Hallengrösse in München mehr schlecht als recht zusammen.

AMON AMARTH in München

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Ein Kommentar zu “Amon Amarth w/ Machine Head, The Halo Effect

  1. Jap so wars. Die gesamte Show hat Spaß gemacht. Auf The Halo Effect hab ich mich tierisch gefreut, obwohl ich deren Album bis zur Show genau einmal durchgehört hatte. Die haben auch absolut geliefert.
    Machine Head waren mir abgesehen vom Namen bis dahin eher unbekannt, aber haben mich live absolut umgehauen, obwohl ich bei weitem kein Fan von Thrash Metal bin. Das war wirklich eines der wenigen Male, die mich eine mir „unbekannte“ Band aus einem Genre, welches ich nicht aktiv höre, so komplett mitgerissen hat. Kann daher durchaus nachvollziehen, warum die anderswo als Headliner aufgetreten sind.

    Die Amon Amarth Show war dann am Ende so etwas wie „Business as usual“. Man wusste, was einen erwartet, aber ein wenig hat mir das gewisse Etwas gefehlt, was wohl auch an der Setlist lag. Da waren doch eher die paar wenigen Klassiker die Highlights. Da hätte man sicherlich deutlich mehr rausholen können, wenn zwei drei Songs mehr aus der Zeit von vor 10 Jahren und früher dabei gewesen wären. Es war bei weitem nicht schlecht, aber die Show war dann eher sowas, wie die letzten zwei drei Alben: Durchgehend sehr hohes Niveau, aber ohne Ausschläge nach oben und unten. Es war nichts, was in irgendeiner weise schlecht war, aber ein monumentaler Höhepunkt, der lange in Erinnerung bleibt, fehlte leider auch.

    Die etwas leere Halle hat sich aber angedeutet, so war mein Kollege bereits kurz nach Mittag vor Ort und selbst bis etwa eine Stunde vor Einlass war wirklich kaum was los vor den Eingängen. Wenn ich daran denke, dass vor Corona man mit zwei Stunden vor Einlass schon kaum eine Chance auf First-Row hatte, ist die Entwicklung zumindest nich allzu positiv, zumal es sich dann eben innen bestätigt hat, dass noch mehr als genug freie Plätze verfügbar waren.

    Seis drum, ich hatte trotzdem großen Spaß an dem Abend und werd Amon Amarth auch weiterhin live verfolgen. Allerdings dann hoffentlich wieder mit einer eigenen Tour und einer längeren, mit mehr Klassikern gefüllten Setlist.

    Grüße von dem Kollegen, der in der ersten Reihe links von dir stand ;)

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