Review Amon Amarth – The Great Heathen Army

Ein Bandfoto ist als Albumcover selten eine gute Idee. Insbesondere dann nicht, wenn schon das Bild an sich ziemlich peinlich ist. So stehen da nun also AMON AMARTH im Wald herum – mit einer „Great Heathen Army“ im Rücken, bis an die Zähne bewaffnet, aber als einzige ohne Helme und auch sonst eher im Chillout-Modus denn kampfbereit. Man muss kein Historiker sein, um die Widersinnigkeit dieses Szenarios zu erkennen – und kein Grafiker, um zu sehen, wie unorganisch die Herren hier vor das Armeebild gelayert wurden.

Nun waren Artworks schon seit vielen Alben keine Stärke von AMON AMARTH, und zumindest „Berserker“ (2019) hatte als durchaus brauchbares Album gezeigt, dass die Qualität des Covers nicht automatisch mit der des Songmaterials korrelieren muss. Der Vorgriff sei erlaubt: Bei „The Great Heathen Army“ verhält es sich zum Glück ähnlich, auch das zwölfte Album der Schweden ist nicht ansatzweise so kitschig wie sein Cover – im Gegenteil.

Von „Rückbesinnung“ oder „Oldschool-Vibe“ zu sprechen, wäre vielleicht etwas hoch gegriffen – die Wucht von Songs der „With Oden On Our Side“-Platte (2006) oder den Biss noch früherer Alben bekommt man auch auf „The Great Heathen Army“ nicht mehr geboten. Zumindest die „Kitschphase“ der Band scheint aber überwunden. Das Material klingt wieder reduzierter und ist stellenweise sogar überraschend hart: So erinnert der erfrischend harte Opener „Get In The Ring“, geschrieben als Einlaufmusik für den Wrestler Erick „Redbeard“ Rowan, tatsächlich an längst vergangene Tage – und auch das düstere „Oden Owns You All“ bietet über weite Strecken wuchtigen Death Metal, während die Ohrwurm-Gitarre an Hits wie „Cry Of The Black Birds“ erinnert. An anderer Stelle lockern AMON AMARTH ihren Harnisch auch mal – etwa für das extrem melodische „Skagul Rides With Me“.

Ganz allgemein ist die Bemühung um Abwechslungsreichtum auf „The Great Heathen Army“ nicht zu überhören: „The Serpent’s Tail“ könnte, leicht umarrangiert, passagenweise auch von In Flames in den 2010er-Jahren stammen, und „Dawn Of The Norsemen“ ist mit einem – diesmal organisch in den Song eingeflochtenen – Cleanpart der wohl vielseitigste AMON-AMARTH-Song seit vielen langen Jahren.

Dazwischen haben sich allerdings auch einige Songs von fragwürdigem Charakter gemogelt: „Heidrun“ etwa, der neben viel Pagan-Schunkel-Vibe auch mit der Textzeile „Who’s the Goat, Who’s the Goat – Heidrun, Heidrun“ und eingesampletem Ziegen-Gemecker irritiert. Oder der rockige, aber eben auch reichlich platte Stampfer „Find A Way Or Make One“. Und auch „Saxons And Vikings“ fällt in die Kategorie „Geschmackssache“: Nach Doro (auf „Jomsviking“) darf diesmal Peter „Biff“ Byford von Saxon die Fahne des wahren Heavy Metal hochhalten. Das Ergebnis ist allemal achtbarer als „A Dream That Cannot Be“ – aber auch nur genießbar, wenn man ein gewisses Faible für Heavy-Vocals und absolute No-Brainer (textlich wie musikalisch) mitbringt.

Nachdem AMON AMARTH mit „Berserker“ das Ruder herumreißen konnten, um nicht weiter in die Belanglosigkeit hineinzusteuern, geht es auch mit dem neuen Album prinzipiell in die richtige Richtung weiter: „The Great Heathen Army“ ist ein vielseitiges, insgesamt gut hörbares Album geworden, das einige Songs mit Hitpotenzial enthält und langjährigen Fans tendenziell noch besser gefallen sollte als der Vorgänger. Zugleich schreitet die Sabatonisierung des Heidenlands voran: AMON AMARTH sind mit diesem Album hörbar um einen Platz im Metal-Mainstream bemüht, ihr Fokus liegt klar auf Eingängigkeit und Mitsingtauglichkeit. Doch der Spagat gelingt: AMON AMARTH spielen 2022 Death Metal, der für ihre alten Fans genauso funktionieren dürfte wie wie für Menschen, die eigentlich keinen Death Metal mögen – ganz nach dem Credo „In der großen Heidenarmee ist jeder willkommen“. Auch das muss man so erst einmal hinbekommen.

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Wertung: 8 / 10

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3 Kommentare zu “Amon Amarth – The Great Heathen Army

  1. Kann mich bisher nicht mit der Platte anfreunden. Gerade die Gitarrenarbeit finde ich schwach, klingt alles nach Jamsession für mich. Nach 7-10 Durchläufen ist da kein Song hängen geblieben. „Heidrun“ macht Live wahrscheinlich echt Laune und ist der einzige Song von der Platte den ich zumindest grob summen kann, alles andere wollte bisher nicht hängenbleiben. Mal schauen ob sich das noch ändert.

  2. Hab mir das Album gestern gegeben und war auch angenehm überrascht. Ich kann mich grundsätzlich den Punkten im Review anschließen. Das Album ist natürlich nicht mehr mit früheren Werken vergleichbar, aber als nette Scheibe für Zwischendurch auf jeden Fall zu gebrauchen.
    Mich haben „Oden Owns You All“ und „Skagul Rides with Me“ nach dem ersten Hören am ehesten mitgenommen. Ich muss mich aber auch meinem Vorredner anschließen. „Heidrun“ ist, wenn man es als das akzeptiert was es sein soll, eine richtige schöne Rock-Schunkel-Party-Hymne. Die Sound-Effekte haben mich aber beim ersten Mal auch verwirrt und beim zweiten Mal musste ich nur noch lachen, weil das genau mein Humor ist. :D

  3. Hab das Album eben zum ersten mal aufgelegt und hänge grad beim dritten „Heidrun“-Durchlauf fest. Der Track ist ja wohl der Kracher schlechthin, was hab ich Bock, das live zu erleben :D

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