Konzertbericht: Audrey Horne w/ Malrun, From Constant Visions

13.04.2010 München, 59:1

Das 59:1 ist als Konzertlocation eine sehr bemerkenswerte Angelegenheit. Von Long Distance Calling über Dillinger Escape Plan bis hin zu den Killerpilzen gibt sich hier alles die Klinke in die Hand, was in der Szene Rang und Name hat. Heute sind es eben AUDREY HORNE, die sich zusammen mit MALRUN auf Europatour begeben haben. Die Norweger, die von den Medien als massentaugliche Vertreter einer ansonsten eher flauen Rock ’n‘ Roll-Renaissance gepriesen werden, waren unter anderem wegen ihrer Verwandtschaft mit Enslaved sowieso mal interessant gesehen zu werden und bei 16€ für drei Bands konnte man die Gelegenheit wohl mal ergreifen.

[Marius Mutz]

Den Anfang macht mit FROM CONSTANT VISONS eine Local-Support-Band. Etwas verfrüht geht es so um 20:20 los, und schon nach den ersten Songs ist klar, dass das einheimische Quintett heute eigentlich nicht verlieren kann. Denn auch, wenn die Reaktionen des Publikums noch eher verhalten ausfallen, ist doch ein grundsätzliches Wohlwollen feststellbar – Sänger Alex gibt sich dankbar und macht sich und die Band nicht zuletzt durch eine gewisse Unsicherheit, die sich in etwas verplanten Ansagen ausdrückt, sympathisch. Bei glasklarem Sound zeigt die Band dabei ein Lehrbeispiel in Sachen Zusammenspiel – hier stimmt timingmäßig einfach alles, und auch bezüglich ihrer instrumentalen Fertigkeiten braucht sich keiner der Herren verstecken. So zaubern die Münchner ein wahres Brett leicht progressiver, vor allem aber groovender Gitarrenriffs auf die Bühne, das sich recht treffend als Mischung aus The Dillinger Escape Plan und Lamb Of God gerade durch den sehr melodiebetonten Gesang um einen leichten -core-Einschlag erweitert, beschreiben lässt. Wirklich beeindruckend ist jedoch das Stageacting der Musiker: Energiegeladen wird hier abgefeiert, das Haar und die Gitarren herumgewirbelt und der relativ enge Raum, den die Bühne des 59:1 bietet, vollends in Besitz genommen. So muss das sein, sehr gelungener Auftritt, bitte weiter so!

Diese Bitte scheinen MALRUN leider überhört zu haben: Zwar sind die Dänen, die gemeinsam mit AUDREY HORNE dem Tourtross angehören, nicht minder fit an ihren Instrumenten, und gerade Sänger Jakob Løbner beeindruckt musikalisch durch seine Tonsicherheit und Stimmvielfalt. Allein, die Band schafft es nicht, ihre eigentlich relativ flotten Songs auch nur halbwegs angemessen zu präsentieren: Schlichtweg langweilig bis nicht vorhanden ist das Stageacting der Saiteninstrumentalisten, und was der Sänger an Show bietet, wirkt derart gekünstelt und unsympathisch, dass die Musik darunter merklich leidet.So richtig überspringen will der Funke jedenfalls nicht – wohl aber auch nicht zuletzt deshalb, weil sich die Songs bei genauerem hinhören auch nicht als Offenbarung erweisen: Schlecht gemacht ist hier nichts, das ist klar, von Inspiration oder Indivitualität fehlt jedoch jede Spur. Deutlich kommt dies bei der Ballade „Wounded Pride“, welche akustisch dargeboten wird, zum tragen: Spielerisch und vor allem gesanglich astrein umgesetzt, ist der Song kompositorisch so glatt, dass man keinen Ansatzpunkt für Kritik findet – ausser eben dieser Tatsache selbst… könnte der Song in unveränderter Form doch von einer Vielzahl anderer Bands ebensogut übernommen werden.
Ein wenig Emotion kommt erst in die Show, als Løbner beim finalen Rage Against The Machine-Cover „Killing In The Name Of“ von der Bühne ins Publikum kommt, nachdem dieses sich den kompletten Gig lang vehement geweigert hat, bis zum Bühnenrand aufzuschließen. Der Plan geht halbwegs auf, und so singt Løbner den Song mit Hilfe einiger Fans zu Ende. Dass die Fans MALRUN am Ende für diesen Coversong mehr feiern, als für das eigene Material, ist so bezeichnend wie schade für die Band – jedoch absolut gerechtfertigt.

[Moritz Grütz]

Als AUDREY HORNE dann zu ausgedehntem Intro die Bühne entern ist klar, was die Überzahl an Bandshirts schon andeutete, bis auf ein paar lokale FROM CONSTANT VISIONS-Fans lockten ausschließlich die Norweger vor die Tür. Und, was man sich ebenfalls irgendwie gedacht hatte: AUDREY HORNE-Fans sind sehr hingebungsvolle, treue Fans. Wie die Truppe um Arve Isdal und Torkjell Rød von der ersten Sekunde an abgefeiert wird, ist annähernd beispiellos. Doch obwohl die Band also offene Türen einrennt, lehnt sie sich nicht in Applaus-Polster zurück, sondern gibt direkt Vollgas.
Allerdings, hier spielt natürlich die erwähnte Werbemaschinerie, die AUDREY HORNE eben als Classic/Hard Rock-Band bewarb, eine große Rolle bei der Vorab-Meinungsbildung, für meinen Geschmack ist der Stil der Jungs nicht unbedingt das, worauf ich mich eingestellt hatte. Wo ich fetzige Rock ’n‘ Roll-Riffs erwarte, bekomme ich eine seltsame Melange aus leicht melancholischem Depressive Rock im Sinne von neueren Sentenced auf der einen, einer undefinierbaren Punk-Attitüde auf der anderen Seite, die sich unter anderem durch den exzessiven Gebrauch eines Megaphons äußert. Dieses „Stilmittel“, als Gimmick für einen Song zwischendurch mal gerne gesehen, wird hier meiner Meinung nach etwas übertrieben beansprucht.
Ich persönlich kann durch meine offenbar wirklich vollkommen falschen Erwartungen nur mit einigen netten Refrain-Melodien etwas anfangen und bewahre sonst eher kühlen Kopf, was Band und Publikum aber nicht daran hindert, sich im Laufe des Gigs regelrecht in Ekstase zu feiern. Dabei sucht erstere von Anfang an den Kontakt zu letzterem, besonders Torkjell hält sich bevorzugt auf den Monitor-Boxen auf. Einer der Höhepunkte der Interaktion dürfte aber wohl „Sail Away“ darstellen: Torkjell, sowieso schon im Publikum zugange, wird dort von Thomas Tofthagen verstärkt, wo die beiden den kompletten Song performen. Mitklatschaktionen von Angesicht zu Angesicht, Refrains wirklich auf Augenhöhe mit dem Sänger zu singen – Das muss man AUDREY HORNE lassen, hier sind sie durch ihre offensichtliche Spielfreude doch wieder irgendwo Rock ’n‘ Roll.

Dennoch ließ der Abend alles in allem etwas kalt, einzig FROM CONSTANT VISIONS wussten vollends zu überzeugen, hatten aber das Publikum noch nicht auf ihrer Seite, sodass die Stimmung hier nicht gerade überkochte. MALRUN zeigten, wie man technische Finesse in nichtssagende Songs verpackt und AUDREY HORNE… Ja, AUDREY HORNE habe ich einfach in den falschen Hals bekommen, aber, wie an den Fan-Reaktionen unschwer abzulesen, haben sie an diesem Abend absolut alles richtig gemacht – Für Leute, die die Musik kennen und mit ihr etwas anfangen können, versteht sich.

[Marius Mutz]

Publiziert am von Marius Mutz und

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