Konzertbericht: Batushka w/ Theotoxin, Irdorath, Heidnir

04.01.2020 Wien, Szene

Die schismatische Aufspaltung der quasi über Nacht berühmt gewordenen, polnischen Orthodox-Black-Metal-Sensation BATUSHKA ist wohl die meistdiskutierte Kontroverse der jüngeren Black-Metal-Geschichte. Während Leadsänger Bartłomiej Krysiuk mit seiner Version der Band trotz des nach wie vor anhängigen Rechtsstreits weiterhin um die Welt tourte, hielt sich Gitarrist Krzysztof Drabikowski weitgehend bedeckt – zumindest bis vor kurzem. Im November 2019 zog das mutmaßliche Mastermind hinter dem bahnbrechenden Projekt dann schließlich mit seinem Gegenspieler gleich und spielte in Kiew zum ersten Mal seit dem Split ein Konzert unter dem Namen BATUSHKA. Seine zweite, in Wien stattfindende Show stellt nunmehr den Auftakt zu einer Reihe von quer durch Europa geplanten Auftritten dar. Unterstützt werden Drabikowski und seine neuen Bandmitglieder von drei lokalen Support-Acts: HEIDNIR, IRDORATH und THEOTOXIN.

Als Vorband eines für seine Einzigartigkeit gefeierten Phänomens der Musiklandschaft hat man es selbstredend nicht leicht. Selbst mit diesem Gedanken im Hinterkopf lässt sich dem halbstündigen Set des pünktlich um 19:30 Uhr auf den Plan tretenden Black-Metal-Soloprojekts HEIDNIR leider nur mit viel gutem Willen etwas abgewinnen. Die Musik des auf der Bühne von Live-Musikern begleiteten Newcomers, der erst im Vorjahr mit „Von nächtlichen Erinnerungen“ sein Debüt veröffentlicht hat, braucht nicht nur eine Weile, um in Fahrt zu kommen, sondern lässt jedwede Dynamik und Prägnanz vermissen. Sofern die Songs hinsichtlich des brachialen Gitarrenspiels und des verhältnismäßig spärlich eingesetzten Schreigesangs überhaupt irgendwelche spannenden Einfälle zu bieten hätten, gehen diese im vom mechanisch-akkurat gespielten Schlagzeug auf penetrante Weise dominierten Sound gänzlich verloren. In ihrem Auftreten geben sich HEIDNIR zudem enttäuschend träge, sodass sich die Begeisterung des zahlenmäßig schon jetzt durchaus ansehnlichen Publikums verständlicherweise in Grenzen hält.

Im Anschluss daran zeigen sich IRDORATH sowohl in ihrer Setlist als auch ihrer Performance schon um ein Vielfaches flexibler. Nicht nur, dass man nunmehr erstmals Melodien zu hören bekommt, diese nehmen mitunter sogar überraschende Wendungen. Mal wird eine Nummer von einem bombastischen Symphonic-Intro eingeleitet, mal bestechen die energiegeladenen Tracks mit ausgeflippten Soli oder eiskalten, an den Melodic Black Metal der 90er Jahre erinnernden Riffs und Keyboards. Mit „Denial Of Creation“, das IRDORATH augenzwinkernd als ihren „Love Song“ ankündigen, findet sich zwischen den ansonsten eher im oberen Tempobereich aufhältigen Stücken zur Abwechslung auch eine getragene Nummer. Da die Musik inzwischen merklich definierter aus den Boxen schallt, lassen sich die spielerischen Details wesentlich besser ausmachen. Zu guter Letzt punkten IRDORATH auch mit ihrer angenehm ungezwungenen, lockeren Art, die zwar – wie sich vor allem später noch zeigen soll – ein wenig aus dem Rahmen des musikalischen Settings des Konzertabends fällt, aber doch weit davon entfernt ist, die Band der Lächerlichkeit preiszugeben.

Wenn es hingegen eine Band gibt, mit der im Zuge der heutigen Show ganz und gar nicht zu spaßen ist, dann sind es THEOTOXIN. Fühlt man sich zu Beginn noch durch den aufgelegten Weihrauch, das tief grollende Ambient-Dröhnen und die zwischendurch ertönende Glocke zum andächtigen Lauschen angehalten, so geht es in weiterer Folge alles andere als zeremoniell zu. Nicht umsonst werden die Wiener aufgrund der markerschütternden Härte ihres Blackened Death Metal oft mit ihren Landsmännern von Belphegor verglichen – bezüglich schierer Klanggewalt lassen THEOTOXIN ihre beiden Vorbands kilometerweit hinter sich. Entsprechend aggressiv ist auch die Bühnenpräsenz des Quintetts. Vor allem Sänger Ragnar, der während der ganzen Show nicht ein nettes Wort an die Zuseher richtet, bringt in seiner Gestik und Mimik eine geradezu furchteinflößende, an Wahnsinn grenzende Feindseligkeit zum Ausdruck. Dass der Frontmann in seiner Rage auch den Weihrauchständer umstößt und daraufhin ein Crewmitglied herbeieilen muss, um die glimmende Asche aufzukehren, entbehrt freilich nicht einer gewissen Komik. Einprägsame Tonfolgen oder Breaks vermag man in dem wiederum ohrenbetäubend lärmenden Sound zudem zwar kaum wahrzunehmen, doch allein durch die rohe Intensität ihrer Darbietung hinterlassen THEOTOXIN letztlich einen bleibenden Eindruck.

Dass die inzwischen kaum noch zu überblickende Zuschauerschar mit BATUSHKA nicht einfach nur eine weitere herkömmliche Black-Metal-Band erwartet, steht bereits vor dem für 22:20 Uhr angesetzten Beginn ihres Sets außer Frage. So wird in der auffallend langen Pause ein prunkvolles Bühnenbild aufgebaut, während aus den Lautsprechern bedrückende Orgelklänge und Chorgesang ertönen. Schließlich werden die Lichter gedimmt und über mehr als zehn Minuten hinweg hört man nichts als wehklagenden, sakralen Gesang, der regelmäßig zu einem überwältigenden Crescendo anschwillt. Als die achtköpfige Band dann endlich die Bühne betritt und in andächtiger Gemächlichkeit die ringsum aufgestellten Trauerlichter entzündet werden, fühlt man sich bereits wie in eine orthodoxe Totenmesse versetzt. Dieses Bild vermitteln BATUSHKA die gesamte Show hindurch mit einer stoischen Erhabenheit, die ihresgleichen sucht. Bis zum Ende des Konzerts verharren die barfuß und in ornamentierte Roben gekleidet auftretenden Musiker auf den ihnen zugedachten Plätzen und bewegen sich lediglich, um das Publikum mit Weihwasser zu besprengen oder Messglocken zu läuten.

Dass Drabikowski mit „Panihida“ in den Augen vieler den wahren, spirituellen Nachfolger zu dem umjubelten Debütalbum „Litourgiya“ kreiert hat, macht sich insofern bemerkbar, als heute Stücke beider Platten gespielt werden, ohne dass es dadurch zu unpassend erscheinenden Umbrüchen kommt. In zutiefst stimmiger Weise kombinieren die Polen gramvollen, wuchtigen Black Metal mit desolat-reduzieren Clean-Gitarren-Parts und liturgischen Einschüben, wobei vor allem die mehrstimmigen Kirchengesänge im Wechselspiel mit den harschen Schrei-Vocals eine faszinierende Wirkung entfalten. So fesselnd ist die von BATUSHKA heraufbeschworene Atmosphäre, dass weder die während der wütenden Blast-Beat-Passagen etwas zu exzessive Beleuchtung noch das stete Getratsche der Zuseher diese zunichtemachen könnten. Nach einer guten Stunde geht die Band zu dem eingangs eingespielten Mönchsgesang von der Bühne und nur noch einer der fünf Sänger bleibt zurück, löscht die Kerzen, schüttelt einigen Leuten in der ersten Reihe die Hand und verbeugt sich noch einmal wortlos, bevor auch er unter tosendem Applaus entschwindet.

Wie auch immer das juristische Geplänkel zwischen Krysiuk und Drabikowski letztlich ausgehen wird, eines steht nunmehr jedenfalls fest: Drabikowski ist seinem Kontrahenten nicht nur als Songwriter deutlich überlegen, sondern mindestens in gleichem Maße dazu in der Lage, ein eindrucksvolles Bühnenkonzept auf die Beine zu stellen. So konnten BATUSHKA am heutigen Abend nach dem mäßig aufregenden Opening-Set von HEIDNIR und den durchwegs soliden, aber letztlich doch recht konventionellen Shows von IRDORATH und THEOTOXIN nicht nur mit ihrem unverwechselbaren Musikstil, sondern auch mit der Inszenierung des Konzerts als die auf „Panihida“ thematisierte Totenmesse auf voller Linie beeindrucken. Damit dürfte Drabikowski den Kampf um BATUSHKA zumindest in den Herzen der Fan bereits für sich entschieden haben.

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Fotos von: Stephan Rajchl

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