Konzertbericht: Dark Tranquillity w/ Insomnium, Slate Gray

22.10.2010 München, Backstage Halle

Der Melo-Death-Sektor scheint derzeit ein absolutes Hoch zu durchleben – zumindest, wenn man für dieses Urteil die Tourpackages heranzieht, die in den letzten und kommenden Monaten in Deutschland unterwegs waren, sind und sein werden. Eine dieser attraktiven Band-Combos ist die Tour „Where Death Is Most Alive Part II“, an der neben Headliner DARK TRANQUILLITY die Finnen INSOMNIUM auf ihrem unaufhaltsam steil nach oben führenden Karriereweg sowie eine per Voting bestimmte Vorband teilnehmen.

In München hat so die Lokalband SLATE GRAY die Ehre, in der restlos ausverkauften Backstage Halle zu eröffnen. Entsprechend motiviert betreten die Jungs so auch püntklich um 20:00 Uhr die Bühne – schade jedoch, dass die Truppe mit ihrer Mischung aus Modern Death und Core so garnicht ins ansonsten durchweg „melo-deathige“ Billing passt. Und so ist es auch wenig verwunderlich, dass die Reaktionen des Publikums trotz aller Mühen Seitens der Band eher Verhalten bleiben. Hier prallen in gewisser Weise zwei Welten aufeinander, kommt zusammen, was nicht zusammen gehört. Auch, wenn SLATE GRAY ihre Sache durchwegs professionell durchziehen: So richtig begeistern können die Jungs hier wohl nur die wenigsten. Zu monoton ist der Gesang, zu austauschbar die Songs – und zu wenig melodiös, dafür aber viel zu aggressiv und hektisch für diesen Anlass. Schade, hätte man statt eines Votings hier nach einer passenderen Supportband gesucht, wäre wohl allen mehr gedient gewesen…

Doch aller Kummer über den etwas missglückten Start in den Abend verflüchtigt sich umgehend, als die Finnen INSOMNIUM die Bühne betreten. Bereits auf ihrer ersten Europatour mit Satyricon (2006) beeindruckte die Bühnenpräsenz der Band und vor allem dem Charisma von Fronter, Bassist und Sänger in Personalunion, Niilo Sevänen. Diverse Touren folgten, mit Amorphis, Omnium Gatherum und zuletzt mit Ghost Brigade – und von Mal zu Mal wirkte die Band souveräner, professioneller und dem Weltruhm gewachsen, der ihnen wohl noch bevorsteht. Auch der heutige Auftritt ist da keine Ausnahme: Sicherlich, ein Supportslot bietet weniger Möglichkeiten, sich auszutoben, als der Quasiheadliner-Slot auf der letzten Tour, aber dennoch machen die Finnen das Beste draus und beweisen erneut, warum die Band als einer der Newcomer der letzten Jahre gefeiert wird. INSOMNIUM haben alles, was eine Band braucht, um erfolgreich zu sein: Talent als Musiker, Charisma und Präsenz auf der Bühne und last but not least echte Hits. Dass darüber hinaus auchnoch der Sound mitspielt und bis auf einige Stellen, an denen die Gitarren präsenter hätten sein können, keinen Anlass zu Kritik bietet, ist dabei natürlich noch das Quäntchen Glück, das auch irgendwo immer dazugehört.

INSOMNIUM begeistern auf Album, INSOMNIUM begeistern in Hallen… und dass sie es auch auf Festivals können, haben sie ja erst unlängst auf dem Summer-Breeze 2010 bewiesen. Wenn in der heutigen Zeit im Metal noch Bands entstehen und groß werden, die Potenzial dazu haben, irgendwann einmal Szenekoryphären zu sein, dann gehören INSOMNIUM aber ganz sicher dazu. Summa cum laude – und bis zum nächsten Mal!
[Moritz Grütz]

Obwohl INSOMNIUM gut aufgenommen wurden, besteht, als DARK TRANQUILLITY die Bühne betreten, doch keine Frage, warum die Fans heute hier sind: Als Headliner geben die Schweden von der ersten Sekunde an Vollgas und machen deutlich, warum sie zu den führenden Melodic-Death-Metal-Größen gehören. Ob es nun an der exzellenten Performance liegt oder an der formidablen Songauswahl, die Hörer ab „Damage Done“ mehr als zufriedenstellen muss, die Stimmung kocht und Band und Fans geben alles, dass das auch so bleibt. Zwar werden auch ältere Alben wie „The Gallery“ oder „Haven“ beackert, der Fokus liegt aber deutlich auf den letzten drei Alben, was Hits wie „Focus Shift“, „Misery’s Crown“ , „Final Resistance“ oder „Monochromatic“ natürlich einschließt. Bei tollem Sound bauen auch die Songs der neuen Scheibe „We Are The Void“ eine Menge Druck auf, und „Shadow In Our Blood“, „Dream Oblivion“ und „The Fatalist“ schielen schon sehr deutlich in Richtung Klassiker.

Das beste an einer DARK TRANQUILLITY-Show ist aber – neben den Songs – wie immer Sympathiebolzen Mikael Stanne, dem man stundenlang dabei zusehen könnte, wie er über die Bühne fegt, sich ins Publikum lehnt und dabei immer ein Strahlen im Gesicht hat, wie man es einem Musiker, der das mit dieser Band seit 17 Jahren macht, gar nicht mehr zutrauen würde. Dass er es gegen Ende der Show auch nicht lassen kann, mehrmals stagediven zu gehen, spricht Bände darüber, wie viel Spaß der Mann immer noch an seinem Job hat. DARK TRANQUILLITY machen es einem durch ihr Auftreten im Gegensatz zu so manch anderer Truppe nicht schwer, sie zur Lieblingsband zu küren. Warum kriegen das andere Combos nicht genauso hin?
Der einzige fade Beigeschmack an der ansonsten makellosen Show ist das Fehlen von „The Treason Wall“ im Set, was aber vom Summer Breeze her schon zu erwarten war. Umso bitterer natürlich insofern, als Mikael im dritten Drittel der Show fragt, was die Fans hören wollen, und sich diese nach kurzer Uneinigkeit lautstark auf genau diesen Song einigen – hier hätte man sich vielleicht noch etwas mehr Flexibilität gewünscht.

Wer nicht einzi8g dieses Songs wegen den Weg ins Backstage angetreten ist, hat heute – wie schon vor zwei Jahren eine Halle weiter – einen perfekten Abend mit DARK TRANQUILLITY erlebt. Da auch INSOMNIUM ihrem Ausnahmestatus mehr als gerecht wurden, ist man sehr geneigt, SLATE GRAY zu verzeihen, dass sie hier eher deplatziert wirkten. Gäbe es auch noch eine „Where Death Is Most Alive III“-Tour – die Halle wäre wohl zu Recht wieder voll.

[Marius Mutz]

Publiziert am von Marius Mutz und

Fotos von: Moritz Grütz

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