Konzertbericht: Eluveitie w/ Amorphis, Dark Tranquillity, Nailed To Obscurity

09.12.2022 München, Zenith

Als im April 2022 die Doppel-Headliner-Tour von ELUVEITIE und AMORPHIS angekündigt wurde, herrschte in der Konzertbranche so etwas wie „Post-Pandemie-Euphorie“. Zwar war die Pandemie nicht wirklich vorbei, aber man durfte doch mit einigem Recht darauf hoffen, dass bald wieder wie gewohnt Shows stattfinden könnten.

Im Juli 2022 sah die Sache dann schon etwas anders aus: Es zeichnete sich ab, dass Konzerte zwar wieder möglich, aber längst nicht so nachgefragt sind wie noch vor der Pandemie – geschweige denn stärker. Dass neben NAILED TO OBSCURITY mit DARK TRANQUILLITY noch eine Band dazugenommen wurde, die für einen Vorband-Slot eigentlich viel zu groß ist, wirkt in diesem Kontext fast wie eine Verzweiflungstat.

Aber selbst das hat wenig geholfen: Für die München-Show der Tour werden im Vorverkauf gerade einmal rund 1.700 Tickets abgesetzt, der Andrang an der Abendkasse hält sich in Grenzen. Das wäre in Ordnung gewesen, wäre die Tour nicht – aus der Euphorie heraus oder aus der Not, dass alle anderen Locations bereits vermietet waren – ins Münchner Zenith gebucht worden – die zweitgrößte Halle der Stadt mit einer Kapazität von rund 7.000 Plätzen.

So ist die Fanschar, auf die NAILED TO OBSURITY um 18:30 Uhr herabblicken, im wahrsten Sinne des Wortes „überschaubar“: Allenfalls das vordere Viertel der Halle (und auch nur im Mittelschiff, nicht aber den Seiten jenseits der Säulenreihen) ist gefüllt, und selbst dort bleibt es luftig. Dass noch nicht einmal alle, die ein Ticket gekauft haben, vor der Bühne stehen, dürfte zwei Gründe haben: Zum einen ist an einem Werktag 18:30 Uhr zumindest für alle, die arbeiten müssen, reichlich früh. Zum anderen halten sich die musikalischen Reize von NAILED TO OBSCURITY aber auch in Grenzen – zumindest verglichen mit dem Restprogramm des heutigen Abends. Denn so sympathisch die Ostfriesen aus Esens auch sind – ihrem Melodic Death Metal mangelt es leider nach wie vor an wirklich zwingenden Melodien oder sonstigen Elementen, die im Ohr bleiben.

  1. Black Frost
  2. Protean
  3. Liquid Mourning
  4. Clouded Frame
  5. Desolate Ruin

Was das angeht, könnte der Kontrast zu den folgenden DARK TRANQUILLITY kaum größer sein – hat doch fast jeder Song der Schweden Ohrwurmpotenzial. Zumindest, wenn man die Gitarren hört. Doch wie schon beim Opener (dies sei zu deren Verteidigung noch erwähnt) ist der Sound zunächst komplett ungenießbar und wird erst nach gut der Hälfte des Sets erkennbar besser. Auch, dass die Lightshow zugunsten obsoleter Videoanimationen so dunkel gestaltet ist, dass die Musiker mitunter kaum zu sehen sind, ist kein wirklich überzeugendes Konzept. Dass die Rahmenbedinungen so unvorteilhaft sind, ist schade, denn DARK TRANQUILLITY haben sich mit der Setlist sichtlich große Mühe gegeben, damit sich ihre Show möglichst stark von der ihrer Co-Headliner-Tour mit Ensiferum im April unterscheidet.

DARK TRANQUILLITY im Dezember 2022 in MünchenSo finden sich im insgesamt recht „oldschooligen“ Set einige echte Perlen wieder – „Nothing To No One“ beispielsweise, das am heutigen Tag zum ersten Mal seit 2009 (und damit zum ersten Mal überhaupt in der aktuellen Besetzung) live gespielt wird, „Hours Passed In Exile“, das auf dieser Tour erstmalig seit 2005 wieder auf dem Zettel steht oder „Cathode Ray Sunshine“, das DARK TRANQUILLITY 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung auf „Damage Done“ auf dieser Tour zum ersten Mal überhaupt (!) auf die Bühne bringen. Wenn man ehrlich ist, sind diese Perlen am heutigen Abend aber fast verschwendet: Im halbleeren Zenith, mit mäßigem Sound und wenig Licht gelingt es selbst Entertainer-Genie Mikael Stanne nur passagenweise, für gute Stimmung zu sorgen.

  1. Identical To None
  2. Terminus (Where Death Is Most Alive)
  3. What Only You Know
  4. Atoma
  5. Nothing To No One
  6. Cathode Ray Sunshine
  7. Hours Passed In Exile
  8. Phantom Days
  9. Misery’s Crown

AMORPHIS im Dezember 2022 in MünchenAuch AMORPHIS haben im Anschluss mit so ziemlich allen bereits für Dark Tranquillity beschriebenen Problemen zu kämpfen: Zwar gibt es hier keine Videos, die Lightshow bleibt – etwa mit einem stroboskopartigen Wechsel zwischen Rot und Blau, der allenfalls mit einer 3D-Brille einen coolen Effekt ergeben könnte – absolut unterdurchschnittlich. Auch der Sound ist leider weit von allem entfernt, was man von den letzten Shows der Band im Backstage gewohnt ist. Und so kommt leider auch bei den sympathischen Finnen, die sonst ein Garant für Shows mit herausragender Atmosphäre sind, kaum Stimmung auf. AMORPHIS selbst kann am wenigsten dafür: Musikalisch lupenrein dargeboten, gibt die Setlist einen gelungenen Überblick über die nunmehr 32-jährige Karriere der Band.

AMORPHIS im Dezember 2022 in MünchenSo finden neben vier Songs vom aktuellen Album „Halo“ (2022) sowie zwei vom Vorgänger „Queen Of Time“ (2018) etwa auch drei Songs von „Tales From The Thousand Lakes“ und „Elegy“ (1994/1996) ihren Weg ins Set. Auf Überraschungen verzichten AMORPHIS allerdings: Sieht man von den neu ins Set gerückten „Halo“-Songs ab, findet sich kein Song im Set, den Fans der Band nicht schon unzählige Male live gesehen haben. Mag sein, dass AMORPHIS damit antizipieren, was stimmungsmäßig bereits zu erahnen ist – dass das Publikum wohl überwiegend aus Eluvietie-Fans besteht, denen man AMORPHIS mit einem Best-Of-Set am besten näherbringen kann. Schade ist es trotzdem, wenn man bedenkt, dass durchaus auch eine nennenswerte Zahl AMORPHIS-Fans rund 50€ für das Ticket gezahlt hat.

  1. Northwards
  2. On The Dark Waters
  3. Death Of A King
  4. Silver Bride
  5. Wrong Direction
  6. The Moon
  7. Into Hiding
  8. Seven Roads Come Together
  9. Black Winter Day
  10. My Kantele
  11. The Bee
  12. House Of Sleep

ELUVEITIE 2022 in MünchenUm kurz nach 22:00 Uhr sind dann ELUVEITIE an der Reihe, den Konzertabend zu beschließen. War schon bei Amorphis spürbar, dass die Fanlager nicht ganz so kompatibel sind, wie sich das die Tourverantwortlichen erhofft hatten, wird dies nun nochmals deutlich: Nicht wenige Amorphis-Fans verabschieden sich direkt nach dem Auftritt „ihrer“ Band gen Ausgang. Schlussendlich macht das allerdings keinen großen Unterschied – zum einen waren die Fans der Finnen eh in der Unterzahl, zum anderen sind die ELUVEITIE-Anhänger:innen so textsicher, dass bei den Hits der Band zumindest direkt vor der Bühne trotzdem einigermaßen Stimmung aufkommt. Nicht abzustreiten ist aber auch: Verlässt man diese „Kernzone“, wird es schnell leer, unangenehm kalt und ziemlich trist.

ELUVEITIE 2022 in MünchenVon „schweißtreibend“, „energiegeladen“ und was für Attribute man für Live-Shows sonst oft findet, ist die Show aber auch sonst weit entfernt: Bandkopf Christian „Chrigel“ Glanzmann wirkt angeschlagen und verschwindet öfter als gewohnt neben der Bühne, der Sound bereitet weiterhin Probleme (insbesondere die Zusatzinstrumente klingen oft wie Fremdkörper im Sound) und sieht man von „De Ruef Vo De Bärge“ ab, das außer in München nur in Wien auf der Setlist war, gibt es auch keine Überraschungen bei der Songauswahl. Als Fan der Band kann man mit dem Set sicher trotzdem eine gute Zeit haben – und doch dürfte wohl jeder ELUVEITIE-Fan schon bessere Shows der Band gesehen haben.

Exile Of The Gods
Nil (Reloaded)
Deathwalker
Epona (Metal Version)
Anu
A Rose For Epona
Thousandfold
Ambiramus
King
Breathe
De Ruef Vo De Bärge

Aidus
Ategnatos
Inis Mona

ELUVEITIE 2022 in München
ELUVEITIE 2022 in München

Dass dieser Konzertabend den hohen Erwartungen nicht gerecht werden konnte, ist einer Verkettung ungünstiger Umstände geschuldet: Dass AMORPHIS melodisch klingen und im Studio bisweilen mit Flöten arbeiten, macht die Finnen eben noch lange nicht zu einer Folk-Metal-Band. Die Paarung mit ELUVIETIE stellt sich deswegen leider als wenig stimmig heraus. Dass wohl auch deswegen (und nicht zuletzt in der aktuellen Situation) vielen Fans nur jeweils einer der Bands die Tickets zu teuer sind, sorgt für eine erschreckend leere Halle. Das wiederum ist nicht nur ein Stimmungskiller, sondern auch der Alptraum jedes Soundtechnikers – und tatsächlich wird das Zenith heute seinem Ruf als die Halle mit dem schlechtesten Sound der Stadt in vollem Umfang gerecht.

Am Ende wären (vielleicht mit Ausnahme von NAILED TO OBSCURITY) alle Bands und deren Fans mit kleineren Headliner-Touren (oder zumindest einer kleineren Halle) besser bedient gewesen. Wenn dieser Abend einen Gewinner hat, dann am ehesten noch DARK TRANQUILLITY, die als spät bestätigter „Special Guest“ trotz widriger Umstände noch die beste Stimmung ins Zenith zaubern.

AMORPHIS im Dezember 2022 in München
AMORPHIS im Dezember 2022 in München

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3 Kommentare zu “Eluveitie w/ Amorphis, Dark Tranquillity, Nailed To Obscurity

  1. Achja, das gute alte Zenith…gab es eigentlich schon mal ein Konzert mit gutem Sound in dieser Halle? Lediglich bei Manowar ist der Sound ab und zu erträglich, da spielt aber halt auch nur eine Band…

    Und die Soundproblematik der Halle ist sogar genreübergreifend, ich war auch schon bei Elektro- und Technoveranstaltungen dort und es war jedes Mal eine Katastrophe…

    1. Witzigerweise kann ich dieser „allgemeinen“ Kritik am Zenith nie in vollem Umfang zustimmen. Ich habe in der Halle schon wirklich viele Shows gesehen, und die meisten hatten zumindest OK geklungen. Klar, die Ausnahme bestätigt die Regel, aber eine halbleere Halle ist für jeden Tontechniker halt auch die Pest, v.a. wenns ein solches Stahlstangenungetüm ist. Generell finde ich den Sound in der Halle aber nicht schlechter als in anderen Hallen … da ist etwa, was man in der Oly den Vorbands immer mit 5% der PA-Leistung zusammenmischt, eine viel größere Frechheit … und auch vergleichbare Hallen anderer Städte stehen dagegen nicht immer gut da.

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