Konzertbericht: Heidenfest Tour (Finntroll, Primordial & Support)

01.11.2008 München

Ein sonniger erster November neigt sich dem Ende entgegen und eine Horde von Metalheads hat sich bereits um 17.00 Uhr vor dem ausverkauften Backstage Werk versammelt, um ihn mit dem Heidenfest gebührend zu beschließen. Und doch ist der Termin, wie sich nur wenig später herausstellt, nicht gerade ideal für ein solches Vorhaben – zumindest nicht im Staate Bayern: Die Regierung nämlich hat erlassen, alle Sondergenehmigungen, die von der Stadt München für den Feier(freien)tag Allerheiligen ausgesprochen wurden, zurückzunehmen. Das Tanzverbot am christlichen Feiertag machte somit ein stattfinden des Events nach geplantem Ablauf unmöglich.

Mit viel Anstrengung und einem Trick gelang es dem Veranstalter den Abend doch zumindest irgendwie zu retten: Der Konzertbeginn wird spontan auf 24:00 Uhr verlegt, so dass das Feiertagsgesetz keine Auswirkungen mehr auf die Veranstaltung hat – ein Schachzug, der zugegebenermaßen auch einige Nachteile hat. Der offensichtlichste: Sieben Stunden Wartezeit für all jene, die von weit her gekommen waren, um einen ausgelassenen Konzertabend zu erleben. Ein weiterer: Alle nicht volljährigen Besitzer eines Tickets mussten (nach Erstattung des Eintrittspreises) wieder nach Hause gehen, da nach dem deutschen Jugendschutzgesetz Minderjährige nicht bis in den Morgen hinein feiern dürfen.

Da Pagan-Metal ja bekanntermaßen eine recht junge Fanschar anzieht, ist die Halle – obwohl in der Theoretie ausverkauft – bei Einlass um 18.00 also nur etwas über die Hälfte gefüllt (was sich später jedoch aufgrund der wiedergekehrten Heimfahrer und durch eine zusätzlich eingeführte Abendkasse schnell ändern wird).

Später, darunter ist zu verstehen exakt sieben Stunden später, denn peinlichst genau muss der christliche Zeitplan eingehalten werden. Der Zwischenstand: Jesus:1, Odin: 0. Das Warten beginnt.

Sieben Stunden sind zu überbrücken, die sich die Menge mit dem einen oder anderen Bier (der Veranstalter hatte jedem sogar ein (!) Getränk für die Unannehmlichkeiten spendiert) sowie diversen Streifzügen durch die nähere Umgebung der Halle vertreibt – auf der Suche nach Essbarem, da auf dem Gelände selbst zunächst nichts angeboten wird. Erst später wird man zur Freude der Fans einen Steaksemmelverkauf eröffnet. Doch da an diesem Abend nichts normal oder wie geplant verläuft, geht es auch jetzt sehr ungewohnt weiter: So wird vom Veranstalter kurzerhand auch noch die Spielreihenfolge umgedreht: Der Headliner soll beginnen, die Slots der unbekannteren Vorbands rücken in die frühen Morgenstunden. Bei so viel Skurrilität hilft nur noch Humor: Um kurz vor Zwölf leiten die Fans den Konzertteil des Abends mit lauten „Zugabe!“-Rufen ein.

Pünktlich um Mitternacht geht es dann, nach einer kurzen Begrüßung und Danksagung für die Geduld durch Primordial-Fronter Alan, auch schon mit dem eigentlichen Headliner FINNTROLL los. Obwohl die Mannen um Mathias „Vreth“ Lillmåns wohl schon seit vielen Jahren nicht mehr in der Situation waren, als erste Band eines Abends auf die Bretter zu müssen, meistern sie diese Aufgabe erfolgreich: Spätestens nachdem die ersten Lieder des – gemäß der Band – verrücktesten Auftritts ihrer (doch nicht mehr ganz so jungen) Karriere gespielt sind, läuft das Publikum zu Höchstform auf und feierte die Trolle gebührend euphorisch ab. Bei einer Setlist quer durch alle Alben ist dies auch wenig verwunderlich: Ob bei „Jaktens Tid“, „Korpens Saga“ oder der Bandhymne „Trollhammaren“, die Fans nehmen alle Hits dankbar an und so ist die späte Uhrzeit und das überstandene Chaos schnell vergessen.
Ob es an der mittlerweile doch recht routinierten Herangehensweise der Band an die Angelegenheit liegt oder doch nur an der denkbar ungünstigsten Zusammenkunft negativer Faktoren aus extrem langer Wartezeit, weit fortgeschrittener Uhrzeit sowie dem Fehlen einer, die müden Knochen aufwärmenden Vorband, lässt sich wohl so genau nicht sagen – vorwerfen kann man der Band sowie auch den Fans jedenfalls nicht, dass niemand so recht zu Höchstform aufläuft.
Einen großen Beitrag zu der sich dennoch mit der Zeit allgemein breitmachenden Zufriedenheit leistet auch der Soundtechniker: Ein glasklarer Sound verwöhnt die Fans, so dass man das Konzert nicht nur, wie so oft, visuell, sondern auch musikalisch in vollen Zügen genießen kann. Wermutstropfen für alle jene, die nur oder zumindest vor Allem für FINNTROLL angereist sind, ist, dass ob der zeitlichen Verschiebung die, durch das große Band-Package eh schon knapp bemessenen Spielzeiten noch etwas gekürzt werden müssen beziehungsweise Zugaben gar nicht möglich sind. So ist es nach einer guten Dreiviertelstunde für FINNTROLL auch schon an der Zeit, sich zu verabschieden. Sicher nicht der beste Gig, den man von dieser Band je gesehen hat, aber zumindest den widrigen Umständen zum Trotz wirklich solide. So gibt es wohl für niemanden Grund zur Klage.

Als nächstes sind nun PRIMORDIAL an der Reihe und die Zuschauerzahl vor der Bühne verringerte sich – leider – merklich. Man sah es kommen, fiel doch schon im Vorhinein auf, dass nahezu keine PRIMORDIAL-Shirts im Publikum zu sehen waren.
Dass die Iren nicht die Aufmerksamkeit erhalten, die sie eigentlich verdient hätten, ist nichts Neues. Dennoch ist es ernüchternd, zu sehen, wie groß der Unterschied der Publikumsreaktionen ausfällt.
Dabei haben sich PRIMORDIAL wirklich nichts vorzuwerfen: Nachdem die Iren auf den Sommerfestivals noch eher für mäßige Begeisterung zu sorgen wussten – zu unmotiviert in Wacken, auf dem Summer-Breeze durch Schlagzeuger Simon O’Laoghaires gesundheitlichen Beinahe-Gesamtausfall gebremst – wirken sie nun wie ausgewechselt: Spielfreudig und dank Alans enormer Bühnenpräsenz mit viel Bewegung im Stageacting, spielen sie sich durch ihr dreiviertelstündiges Set.
Sind die Publikumsreaktionen zu Beginn wirklich noch eher verhalten, merkt man ab dem Band-Hit „The Coffin Ships“ wenigstens eine Steigerung der Begeisterung im Publikum. Auch Hits des aktuellen Albums wie „As Rome Burns“ oder „Empire Falls“ finden zwar Gehör, werden aber weit weniger abgefeiert, als man es sich gewünscht hätte. „The Song Of The Tomb“ wird dann noch Quorton von Bathory gewidmet, eine schöne Geste, und nachdem Alan sich mehrfach beim Publikum für die Geduld bedankt und es aufgefordert hatte, das nächste Mal wählen zu gehen, um einen solchen Abend nicht noch einmal geschehen zu lassen, verabschiedet man sich, passend zum Motto des Abends, mit „Heathen Tribes“ vom aktuellen Langspieler. Dass PRIMORDIAL 2008 und vor allem nach dem Release zweier genialer Scheiben, die auch von der entsprechenden Presse sehr positiv aufgenommen wurden, immer noch eine solche Aussenseiter- bzw. Geheimtipp-Position inne haben, ist unverständlich, aber vielleicht ist die Musik auch einfach nicht genug Party und zu ernst, als dass das gemeine Pagan-Volk daran Gefallen finden kann.

Gefallen findet dieses jedoch, wie erwartet, an den darauf folgenden ELUVEITIE, was die Folk-Metaller aus der Schweiz auch entsprechend auszunutzen wissen: Mit viel Elan spielen sie sich durch ihre halbe Stunde Spielzeit und gönnen den Fans dabei nur wenig Verschnaufpausen. Ihre Mischung aus melodischen Riffs, die mich unweigerlich an die schwedischen In Flames erinnern, und Folkinstrumentierung wie Flöte, Dudelsack, Geige oder Drehleier ist bei einem Event wie diesem wohl eine Wunderwaffe: Euphorisch feiert das Publikum die stark und überzeugend dargebotenen Tracks ab, so dass nach den doch eher ernsteren, ruhigeren PRIMORDIAL erst einmal Party angesagt ist.

In dieser Euphorie schwelgend ist das Publikum so dann auch gleich optimal auf den heimlichen Headliner des Abends, EQUILIBRIUM, eingestimmt. Die Münchner Lokalmatadore haben natürlich, ob ihres Heimspiels, einen gewissen Vorteil, der sich auch direkt im Publikumsverhalten ablesen lässt: Die Reihen auf der Tanzfläche füllen sich noch einmal merklich. Jeder, wirklich jeder Anwesende scheint sich jetzt vor die Bühne zu drängen, um der Formation um den blonden Hünen Helge Stang zu huldigen. Mit „Wurzelbert“ vom aktuellen Album geht man auch gleich in die Offensive und nimmt das Publikum so im Sturm. Die Spielzeit ist für die Recken mit einer halben Stunde auch ungewohnt kurz gehalten, wird aber durch ein Hitfeuerwerk aus allen alten und neuen Klassikern optimal genutzt. Ob „Snüffel“ oder „Der Sturm“, souverän spielt man sich durch das Set, und trotz der Fortgeschrittenen Uhrzeit – es ist mittlerweile nach 3:00 Uhr – feierte das Publikum ungebremst mit.

Nachdem die Münchner die Bühne verlassen haben, entscheiden sich, wohl auch ob der späten Uhrzeit, leider relativ viele Besucher dafür, ihren Konzertabend hier enden zu lassen. So verringert sich die Zahl der Anwesenden doch deutlich, bis um 3:40 Uhr CATAMENIA die Bühne betreten. Trotz der späten Stunde wirken die Finnen mit dem charakteristischen Gesangs-Duett zwischen Growler Ari Nissilä und dem Mann für die sanfteren Klänge, Kari Vähäkuopus von Beginn an hellwach: Instrumental einwandfrei prügelt man sich durch das Set, zusammengesetzt aus Knallern aus zehn Jahren Bandgeschichte sowie einem Song vom neuen Album, und weder die Musiker, noch das Publikum lassen sich von der späten Uhrzeit beeindrucken. Vergessen das lange Warten, und auch, dass das Publikum im Vergleich zu den Bands davor deutlich geschrumpft ist, beeindruckte die Band wenig, kann sie sich doch so zumindest sicher sein, dass alle Zuschauer sich wirklich für ihre Musik begeisterten.

Nachdem die Umbaupausen mit je einer viertel Stunde eher knapp bemessen sind, muss an dieser Stelle auch die Organisation des Abends gelobt werden: Mit der durchaus akzeptablen Verschiebung von insgesamt nur einer Viertelstunde im Vergleich zum aushängenden Spielplan ist es um 4.30 Uhr dann endlich Zeit für die Schweden mit dem Wolf im Logo, für die der Tag, an dem sie nach Finntroll und Primordial auf die Bretter durften, wohl auf ewig ganz besonders in Erinnerung bleiben wird: Die Schweden MÅNEGARM sind nun also als letzte Band des Abends an der Reihe, ihre sehr individuelle Mischung aus Pagan, Viking und Black Metal unter’s, für die späte Stunde doch immer noch recht zahlreich vertretene, Volk zu bringen.Waren Catamenia auf der Bühne eher verhalten, sieht es bei den „Headlinern“ nun gleich ganz anders aus: Vorallem E-Geiger Janne Liljeqvist ist kaum zu bändigen und wuselt stets über die Bühne. Jedoch auch Sänger Erik Grawsiö sowie der Rest der Truppe lassen sich nicht lumpen und wecken so auch den letzten Fan noch ein Mal auf. Headbangen, „HeyHey“-Chöre und Mitklatschen, das volle Programm wird noch ein letztes Mal gefordert und von den tapferen und standhaften Metalheads im Publikum, die nun ja schon geschlagene elf Stunden vor Ort sind, hingebungsvoll geliefert, so dass mit den letzten Klängen von MÅNEGARM nicht nur ein Konzert, sondern ein ganz besonderer Abend zu Ende geht, den wohl keiner der Beteiligten so schnell vergessen oder, viel wichtiger noch, in schlechter Erinnerung behalten wird.

Der Verlauf des Abends hat vor Allem eines gezeigt: Wenn alle an einem Strang ziehen, in diesem Fall Veranstalter, Bands und Fans, kann man aus den widrigsten Umständen etwas positives machen. Großes Lob an alle Beteiligten, dass die Sache so reibungslos, friedlich und am ende erfolgreich verlaufen ist. Und so lässt sich mit großer Genugtuung das Endergebnis verkünden: Jesus-Odin: 1: 2 (nach Verlängerung).

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