Konzertbericht: Heidenfest Tour (Finntroll w/ Turisas, Alestorm)

14.10.2011 München, Backstage Werk

Wie das Paganfest oder das Thrashfest etabliert sich auch das Heidenfest mittlerweile zu einer Tourinstanz, welche mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit Deutschlands Hallen beehrt. Unter der Führung von FINNTROLL ist die Mega-Tour mit sechs, beziehungsweise bei ausgewählten Shows bis zu neun Bands derzeit wieder unterwegs – Metal1.info berichtet vom Tourstop im Münchner Backstage Werk:

Nachdem die Auftritte von SKÁLMÖLD, TROLLFEST und ARKONA leider unserem Interview mit Turisas-Geiger Olli Vänskä (A.d.Red.: Nachzulesen kommende Woche in unserer Interview-Sektion), sowie der danach dringend benötigten Stärkung in Form von Burgern und Pommes am (an dieser Stelle einmal lobend zu erwähnenden) Backstage-Imbiss zum Opfer gefallen waren, startet das für uns so deutlich gekürzte Heidenfest mit den Piraten-Metallern ALESTORM, welche um viertel vor Neun die Bühne betreten.
Recht schnell jedoch ist klar, dass zumindest dieser Auftritt das Betreten der Halle nicht eben rechtfertigt – passt hier doch so ziemlich gar nichts: Sänger und Keyboarder Christopher Bowes sieht mit seiner neongelben Hose eher aus wie ein Raver denn überhaupt ein Metaller, von „Pirat“ ganz zu schweigen – und auch das Outfit des Rests der Band macht in Shirts und kurzen Hosen optisch einen reichlich lieblos zusammengewürfelten Eindruck. Nicht, dass ich mich an derartigen Äußerlichkeiten länger festbeißen möchte – allein, wer sich als „Piraten Metal-Band“ bezeichnet, sollte vielleicht auch irgendetwas dazutun, diesem selbstkreierten Image gerecht zu werden – man denke beispielsweise an Swashbuckle, denen dies ohne viel Aufwand glänzend gelingt.
So wirken dann auch die Piraten-Lieder der bunten Mannschaft aus Schottland reichlich unglaubwürdig und halbherzig – aber mit Piratenliedern lässt sich derzeit eben gut Geld verdienen. Auch soundtechnisch ist der Auftritt eine Katastrophe: Basslastiger Brei, aus dem von Zeit zu Zeit eine Keyboardspur auftaucht oder in dem bisweilen eine Gitarrenmelodie vorbeischwimmt – viel mehr ist hier nicht auszumachen, was zumindest insofern schade ist, als dass Gavin Harper doch ein durchaus talentierter Gitarrist ist.
Eine knappe dreiviertel Stunde später ist der Spuk dann auch schon wieder vorüber, und der Ozean wieder sicher – wirklich gefährlich wirkten ALESTORM heute jedoch nicht.

Setlist ALESTORM:
01. Back Through Time
02. Shipwrecked
03. Wenches & Mead
04. Captain Morgan’s Revenge
05. The Sunk’n Norwegian
06. Death Throes Of The Terrorsquid
07. Wolves Of The Sea (Pirates Of The Sea-Cover)
08. Keelhauled
09. Rumpelkombo

TURISAS machen, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, keine Musik für jedermann. Denn auch, wenn die Band aus Finnland mit „Battle Metal“ wirklich eine Jahrhundertmelodie rausgehauen hat, dürften gerade die neuen, eher soundtrackhaften Kompositionen sogar unter den kitschtolleranten Pagan Metallern dem einen oder anderen einen Schritt zu weit gehen.
Unbestreitbar ist jedoch, völlig unabhängig von der Musik selbst, dass man es bei TURISAS mit einer extrem starken Liveband zu tun hat – und so steht für mich nach der wirklich schwachen Darbietung der Piraten Metaller Alestorm nun ein Auftritt an, auf den ich mich mächtig freue – und das, obwohl ich mir in den eigenen vier Wänden niemals ernsthaft ein TURISAS-Album anhören würde – zumindest nicht am Stück.
Und in der Tat, nach den beeindruckenden Shows auf dem Brutal Assault und dem Summer Breeze im Sommer enttäuschen die Herren in schwarz-rot auch heute nicht. Die Bezeichnung „Herren“ ist dabei (leider) völlig zutreffend, sind doch zwei fremde Gesichter auf der Bühne zu sehen: Neben dem für Hannu Horma eingestiegenen Bassisten Jukka-Pekka Miettinen, den der ein oder andere noch von seiner Zeit bei Ensiferum kennen dürfte, ist es vor allem Keyboarder Robert Engstrand, welcher auffällt – ersetzt er doch die während der US-Tour aus gesundheitlichen Gründen ausgestiegene Akkordeon-Spielerin Netta Skog zumindest optisch allenfalls hinreichend. Zumindest musikalisch ist das Akkordeon aber überraschender Weise recht gut durch das Keyboard ersetzbar, fehlt doch zumindest kein essenzieller Bestandteil des typischen TURISAS-Sounds – auch, wenn man sich einbilden könnte, dass das Akkordeon für einen Tick mehr Stimmung sorgte, was, abgesehen von der ansprechenden Optik seiner Spielerin, aber wohl vor allem an Nettas umtriebiger Art lag, mit der sie die Bühne unsicher machte, was ein an sein Instrument gefesselter Keyboarder natürlich nur schwer bieten kann.
Für ausreichend Wirbel auf den Brettern sorgen jedoch problemlos auch Sänger Warlord Nygård und Geiger Olli Vänskä als quirliges Duo, während sich die Metall-Saiten-Fraktion eher aufs Spielen konzentriert. So hat man es hier mit einer Band zu tun, die nicht nur auf der Bühne steht, sondern diese bis auf den letzten Quadratzentimeter einnimmt und beherrscht – das TURISAS-charakteristisch rot-schwarz gestreifte War-Paint ist da, im Gegensatz zu anderen Bands, die derartige Hingucker-Attribute brauchen, um auf der Bühne überhaupt wahrgenommen zu werden, eigentlich nurnoch ein Gimmick.
Ob nun „One More“, das laut vom Publikum eingeforderte „Rasputin“ oder die Band-Hymne „Battle Metal“ – die Fans feiern TURISAS vorbehaltslos ab, und fressen Front-Sympath Nygård aus der Hand: Circlepits, eine Wall of Death zum Titeltrack des aktuellen Albums, „Stand Up And Fight“, und ohrenbetäubende Hey-Rufe sind die Antwort auf dessen gekonnte Interaktion mit dem Publikum, mit der er auch den letzen Zuhörer im Saal umgarnt und vor die Bühne holt.
Dass während des kompletten Auftritts zudem der Sound quasi perfekt ist, was man bei Alestorm ja nicht eben behaupten konnte, ist hier das Tüpfelchen auf dem i und perfektioniert einen Auftritt, den an Intensität und Unterhaltungsfaktor zu überbieten eine nicht eben leichte Aufgabe werden dürfte.

Setlist TURISAS:
01. The March Of The Varangian Guard
02. One More
03. The Great Escape
04. Stand Up And Fight
05. Sahti-Waari
06. To Holmgard And Beyond
07. Rasputin (Boney M.-Cover)
08. Battle Metal

Nach diesem Lehrstück in Sachen „Souveräner Liveauftritt“ sind mit FINNTROLL die wohl dienstälteste Troll-Pagan-Band der Szene an der Reihe – und haben in München gleich mal etwas auszuwetzen, war der letzte Auftritt der Truppe im Backstage doch reichlich verkatert und entsprechend lahm.
Deutlich fitter entern die Trolle um Sänger Vreth zu „Avgrunden Öppnas“ vom „Visor Om Slutet“-Album die Bühne. Doch auch, wenn die Tracklist von Anfang an mit Songs wie „Människopesten“, „Kitteldags“ und „Nattfödd“ gut besetzt ist, merkt man schnell, dass die Band hier beim Publikum nicht, wie vielleicht erwartet, offene Türen einrennt. Dabei sind, zugegebenermaßen, die Ausgangsbedingungen für die Finnen alles andere als optimal: Zum einen ist der Sound nach dem akustischen Lichtblick bei Turisas erneut in den Keller gegangen, so dass im viel zu basshaltigen Sound vor allem Keyboard und Gitarren zu verschwinden drohen, zum anderen ist das Publikum nach fast fünf Stunden Pagan-Metal offenbar doch langsam gesättigt – ein Stimmungseinbruch nach der Umbaupause ist da quasi garantiert, unabhängig davon, welche Band den unter diesen Gesichtspunkten gar nicht mehr so wünschenswerten Slot des Headliners innehat.
Und doch sind auch FINNTROLL selbst nicht ganz unschuldig, dass sich der Konzertanfang etwas zieht – wirken die Herren doch etwas arg routiniert. Von dem inneren Feuer, das man bei TURISAS jedem einzelnen Musiker noch aus den Ohren schießen hat sehen, ist hier relativ wenig zu merken, stattdessen wird, unterbrochen nur von äußerst sparsamen Ansagen, Song um Song dargeboten.Zwar wird der Sound mit der Zeit besser, und auch das Publikum hat offenbar noch Energiereserven unbekannter Herkunft gefunden, wie die Griechen Euro-Milliarden, allein, gerade, als sich alles zum Besten zu wenden verspricht, und mit „Under Bergets Rot“ einer der wenigen Kracher des letzten Albums, „Nifelvind“ gespielt ist, greifen FINNTROLL in die Trickkiste – und damit voll daneben: Es folgen nämlich mit „Insects“ von Oingo Boingo sowie „The God That Failed“ (Metallica) zwei Coversongs – und auch, wenn diese recht FINNTROLL-typisch umgesetzt sind, reagiert das Publikum eher verständnislos – eine weitere Schlappe Turisas gegenüber, haben diese mit ihrem stets lautstark geforderten Boney M-Cover „Rasputin“ doch einen echten Hit gelandet. Dass nur für das Solo von „The God That Failed“ extra noch Alestorm-Gitarrist Harper auf die Bühne gewieselt kommt, und, nachdem er dieses ziemlich souverän gemeistert hat, ebenso schnell wieder verschwindet, wirkt dabei weniger wie der Gastauftritt eines befreundeten Musikers, denn wie ein Freundschaftsdienst, zu dem er sich breitschlagen hat lassen, weil sonst niemand auf der Bühne mit dem Solo zu Rande gekommen wäre – schade.
Songs wie „Trolhamaren“ und „Rivfader“ oder auch die abschließenden „Jaktens Tid“ und „Segersång“, welche nach kurzer Pause als Zugabe dargeboten werden, funktionieren hingegen wie immer, so dass zumindest das Ende, nun auch in halbwegs gelungenem Soundgewand, versöhnlich stimmt. Und dennoch, ich bleibe dabei: Ihre besten Tage als mitreißende Liveband mit Elan und Spaß an der Freude haben FINNTROLL hinter sich. Vielleicht braucht es auch einfach wieder ein neues Album, hatte man doch schon auf der letzten Tour „Nifelvind“ im Gepäck – allein, bedenk ichs recht, brauche ich eigentlich auch kein neues „Nifelvind“.

Setlist FINNTROLL:
01. Avgrunden Öppnas
02. Människopesten
03. Kitteldags
04. Nattfödd
05. Nedgång
06. Solsagan
07. Slaget Vid Blodsälv
08. Midnattens Widunder
09. Under Bergets Rot
10. Insects (Oingo Boingo-Cover)
11. The God That Failed (Metallica-Cover)
12 .Trolhammaren
13. Rivfader

14. Jaktens Tid
15. Segersång

Fazit: Auch wenn FINNTROLL heute eine spielerisch gute Show hingelegt und damit die eher blamable Hangover-Show bei ihrem letzten München-Besuch vergessen gemacht haben, muss man TURISAS zugestehen, dass sie mittlerweile einfach die bessere Liveband – und damit vielleicht die Beste des Genres – sind: Souveräne Ansagen, die durch Witz und Charme schlichtweg sympathisch rüberkommen, eine Band, die wie ein Uhrwerk funktioniert, dabei aber nicht wirkt, als würde sie emotionslos reproduzieren, und durchweg gutes Songmaterial mit einigen wahrlich epischen Band-Hymnen ergeben eine Kombination, die, wenn dann auch noch – wie heute – der Sound passt, schlicht nicht zu toppen ist… auch nicht von alten Hasen wie FINNTROLL, die sich ihrer Sache als Publikumslieblinge Nummer eins nicht all zu sicher sein sollten: Die Konkurrenz schläft nicht, und es gibt mit Eluveitie oder eben Turisas genug vielversprechende Kandidaten, die mittlerweile durchaus in der Lage wären, eine Tour wie die diese selbst anzuführen. Zumindest der Anzahl der gesichteten Band-Shirts nach wäre sogar heute schon Turisas der erwünschtere Headliner gewesen.

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