Konzertbericht: Killing Joke w/ Death Valley High

19.11.2016 München, Strom

Vier Jahre ist es her, dass KILLING JOKE zuletzt in Deutschland unterwegs waren. Zum 40. Bandjubiläum begibt sich die Post-Punk-Legende nun wieder auf Europa-Tour – nach diversen Konzert- und Tourabsagen unter teils skurrilen Umständen in den vergangenen Jahren bleibt es jedoch auch diesmal bis zuletzt spannend, ob und wo die Fans ihre Idole zu sehen bekommen.

Während das Konzert in Berlin der großen Nachfrage wegen in eine größere Halle umgebucht wird, läuft der Vorverkauf in München so schleppend, dass sich die Fans statt in der Theaterfabrik schlussendlich im Strom einfinden sollen – einem Innenstadt-Club mit vielleicht einem Viertel der ursprünglich kalkulierten Hallenkapazität. Was für die Band natürlich einen finanziellen Rückschlag darstellt, stellt sich für ihre Fans im Verlauf des Abends als absoluter Glücksfall heraus. Doch dazu später mehr.

deathvalleyhigh-10Zunächst eröffnen DEATH VALLEY HIGH den Abend um Punkt acht im bereits gut gefüllten Strom. Zweifel an ihren Idolen lassen die US-Amerikaner keine – weder musikalisch noch optisch: So erinnert nicht nur Gitarrist Chris Sanders mit seinem bleichen Taint zu blonden Haaren merklich an John 5. Auch stand für die Schminke von Fronter Reyka Osburn unverkennbar Marilyn Manson Pate. Vor allem jedoch die musikalische Prägung durch dessen rockige Frühphasen-Alben ist nicht zu überhören.
Was die vier Musiker in der ihnen zugestandenen halben Stunde abliefern, wirkt jedoch alles andere als aufgesetzt oder bloß nachgeeifert. Mit viel Elan bringen DEATH VALLEY HIGH ihre knackigen Songs unters Volk – zuletzt stürmt
Osburn sogar durchs Publikum. Doch so sehr sich DEATH VALLEY HIGH auch mühen: Wirklich überspringen will der Funke nicht. Der Grund dafür ist schnell ausgemacht: Im Publikum würden die Eltern der Musiker vermutlich weniger auffallen als diese selbst – und die Generation Killing Joke ist eben nicht mehr mit leichtsinnigen Sprüngen von den Gitarrenboxen zu beeindrucken.

Dass dieser jedoch keineswegs die generelle Begeisterungsfähigkeit abhandengekommen ist, zeigt sich schnell, als um 21:00 Uhr KILLING JOKE, begleitet von einem satten Schwall Marihuana-Duft, die Bühne betreten: Die Stimmung geht von null auf 100 – in maximal drei Songs. Denn spätestens bei dem „Night Time“-Hit „Eighties“ von 1985 wird es im Zuschauerraum turbulent.

killingjoke-13So entspannt die Band um Charakterkopf Jaz Coleman auftritt, so unentspannt ist mitunter das Publikum: Im dem Altersdurchschnitt nicht immer angemessen harten Mosphit kommt es mehrfach fast zum handgreiflichen Generationenkonflikt. KILLING JOKE hingegen wirken, während sie einen Hit nach dem anderen abfeuern, so tiefenentspannt, wie einen wohl nur 40 Jahre gemeinsame Bandgeschichte werden lassen: Während Jaz Coleman völlig entrückt seinen charakteristischen Stampf-Tanz aufführt und allenfalls gelegentlich gespielt-erstaunt die Augen aufreißt, gibt Gitarrist Kevin „Geordie“ Walker den Mr. Cool, der sich vom Roadie sogar das Gitarrenkabel hinterher tragen lässt. Wirklich cool (weil vollkommen entrückt) wirkt dagegen Bassist Martin „Youth“ Glover, der, barfuß und in einen Kimono gehüllt, daherkommt, als wäre er im richtigen Leben Guru in einer indischen Hippie-Kommune.

killingjoke-10Ihre Wurzeln vergessen KILLING JOKE heute nicht nur musikalisch nicht: Zwischen unzähligen alten Hits lässt Jaz Coleman die Gelegenheit auch nicht aus, auf die gefähliche weltpolitische Lage („New Cold War“) hinzuweisen und sich klar gegen Trump zu positionieren („Perhaps we need an ‚Exorcism’“).  Die Zugaberufe nach einer guten Stunde sind da natürlich obligatorisch. Dass KILLING JOKE mit den Zugaben „Death & Resurrection Show“ und „Pandemonium“, für die Bassist „Youth“ zwar mit Joint, dafür jedoch ohne Plektrum in der Hand auf die Bühne zurückkehrt, am Ende stolze 90 Minuten spielen, ist dennoch eine Erwähnung wert: Schon bei Bands deutlich jüngeren Semesters sind anderthalb Stunden Spielzeit alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

  1. The Hum
  2. Love Like Blood
  3. Eighties
  4. Autonomous Zone
  5. New Cold War
  6. Exorcism
  7. Requiem
  8. Change
  9. Turn To Red
  10. European Super State
  11. I Am The Virus
  12. Complications
  13. Unspeakable
  14. The Wait
  15. Pssyche
  16. Death & Resurrection Show
  17. Pandemonium
killingjoke-11So sehr man der Band mehr Erfolg und eine höhere Nachfrage nach Tickets gegönnt hätte – aus Fan-Sicht hätte nichts Besseres als die Verlegung der Show in das drastisch kleiner dimensionierte Strom passieren können: Die Enge im gesteckt vollen Zuschauerraum, der Geruch nach Bier und Schweiß, der sich mit dem von Räucherstäbchen und Marihuana mischt und die auf dem den Bühnenboden bedeckenden Perserteppich vorherrschende Lässigkeit verleihen der Show die familiäre Atmosphäre und den einzigartigen Charme einer Bandprobe. Näher, direkter und intimer kann man eine lebende Legende wie KILLING JOKE nicht erleben. Kategorie „Unvergesslich“.

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