Review Killing Joke – Pylon

Mit ihrer dritten Full-Length in rund fünf Jahren seit ihrer Wiedervereinigung in Gründungsbesetzung legen die britischen Szene-Veteranen KILLING JOKE einen Veröffentlichungsfleiß hin, den man sonst nur von Newcomern kennt, die um jeden Preis im Gespräch bleiben wollen – oder vielleicht noch von Motörhead, um mal eine weitere Band von der Insel zu nennen, die ebenfalls bereits seit den Siebzigern aktiv ist. Während man bei Lemmy & Co. hingegen in der Regel stets schon vorher weiß, was einen auf einer neuen Platte erwartet, haben KILLING JOKE durch ihre relativ vielschichtige musikalische Ausrichtung doch die eine oder andere Überraschung zu bieten. So auch auf dem mittlerweile sechzehnten Album „Pylon“.

Basser Youth grenzt die stilistische Marschrichtung im Vorhinein ein, indem er die Scheibe als dritten Teil eines Triptychons nach den Vorgängern „Absolute Dissent“ und „MMXXII“ einordnet. In der Tat verbindet „Pylon“ die rohe Härte des 2010er Outputs mit der hervorragenden Produktion der Platte von 2012. Ein Brecher wie „I Am The Virus“, der bereits als Vorab-Single veröffentlicht wurde, kann für KILLING-JOKE-Verhältnisse nur als heftig bezeichnet werden und die Uptempo-Nummer „Delete“ mit ihrem rastlosen Riffing und ihrem stramm marschierenden Drumming könnte zumindest instrumental genauso gut von Rammstein stammen. Demgegenüber stehen Tracks wie das poppig-wavige „Euphoria“ und das flott-träumerische „Big Buzz“, die durch ihre musikalische Dichte fast schon überproduziert klingen, unterm Strich aber reinste Ohrenschmäuse sind.

„Pylon“ ist allerdings mehr als nur ein Zusammenschnitt der letzten beiden Langeisen. Vielmehr bieten KILLING JOKE einen Querschnitt durch ihre bisherige Laufbahn und damit diverse Genres, wodurch sie sich erneut von konventionellen Rock-Acts abheben. Schon der zackige Opener „Autonomous Zone“ steigt mit Elektro-Klängen und technoiden Elementen ein, die in anderer Form auch im folgenden, wuchtigen „Dawn Of The Hive“ Verwendung finden – ein Track wie ein Brett, der sehr industrial-lastig daherkommt und mit seinen tribalartigen Drums an die von Dave Grohl eingetrommelte, selbstbetitelte 2003er Scheibe erinnert. Die Synthesizer, die mal als sanfte Hintergrundbegleitung, mal als Unterstützung für fette Soundwände herangezogen werden, sind auch auf „Pylon“ omnipräsent. Nicht selten fühlt man sich hier und da an das „Pandemonium“-Album erinnert, vor allem jedoch beim orchestralen, bombastischen und majestätischen „New Jerusalem“, das zudem mit innovativer Percussion-Arbeit aufwartet.

KILLING JOKE zeigen sich erneut als Verfechter von Langstücken, denn nur zwei der zehn Songs bleiben unter der Fünf-Minuten-Marke. Das kommt Front-Exzentriker Coleman zugute, der dadurch viel Platz hat, um die bandtypisch sarkastischen, schwarzhumorigen Lyrics unterzubringen („breaking into cold sweat, just like the good old days“ – aus „New Cold War“) und diese gekonnt mal als Goldkehlchen, mal als Berserker darbietet. Nicht zuletzt dadurch, aber insbesondere durch die stilistische Breite und den individuellen Bandsound bleiben KILLING JOKE eine äußerst relevante Band, die mit „Pylon“ eine weitere, starke Langrille abgeliefert hat und in dieser Form hoffentlich noch lange Musik macht.

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Wertung: 9 / 10

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