Konzertbericht: The Ocean w/ Shining (Nor), Tides From Nebula, Hacride

12.11.2013 München, Backstage Club

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Ziemlich genau vor einem halben Jahr waren THE OCEAN gemeinsam mit Cult Of Luna und LO! unterwegs. Im Gegensatz zur Show im Mai gestaltet sich heute die Suche nach dem gemeinsamen Nenner des Tourpakets schon etwas schwieriger. Vier Bands aus vier unterschiedlichen Stilrichtungen stehen auf dem Programm: Sphärischer Post Rock und progressiver Jazz-Metal-Wahnsinn auf einer Bühne versprechen nicht nur ein gemischtes Publikum, sondern auch einen abwechslungsreichen Abend im Backstage Club.

HacrideLogo

Den Anfang machen heute Abend HACRIDE aus Frankreich. Mit ihrer Mischung aus Groove-Metal, Djent-Einsprengseln und Sludge-Atmosphäre passt die Band zwar einerseits gut zum auch ansonsten relativ abwechslungsreichen Billing des heutige Abends – leider funktioniert die in der Theorie spannend klingende Kombination unterschiedlicher Stile bei HACRIDE in der Praxis nur mäßig. Zu diesem Eindruck trägt sicherlich auch das Posen auf der Bühne bei, welches vor allem von Sänger Luiss mehr als nur Anleihen bei Meshuggah aufweist und dabei relativ aufgesetzt wirkt. Dennoch ist die Band insgesamt sehr sympathisch und als Einstimmung für einen langen Abend funktionieren HACRIDE eigentlich ganz gut, was nicht zuletzt daran sichtbar wird, dass die Fans in den vorderen Reihen des bereits gut gefüllten Backstage Clubs während des halbstündigen Auftritts nahezu durchgehend headbangen.

TidesFromNebula Logo

Nach einer gut zwanzigminütigen Umbaupause betreten TIDES FROM NEBULA aus Warschau die Bühne. Komplett in blaues Licht getaucht und immer wieder von dichtem Nebel verdeckt, präsentieren die vier sympathischen Jungs eine nicht sonderlich spektakuläre, aber dennoch absolut überzeugende Post-Rock-Variante. Musikalisch ließe sich ihr Stil wohl am Besten als Mischung aus Bands wie Maybeshewill und Explosions In The Sky beschreiben, wobei sie kompositorisch nicht an Letztgenannte heranreichen und insgesamt deutlich härter zu Werke gehen. Auffällig ist, dass die Stärken von TIDES FROM NEBULA meist dort liegen, wo sie das Tempo anziehen. Der druckvoll abgemischte Sound und das dynamische Schlagzeugspiel in der Kombination mit schönen Melodien, sphärischen Synthie-Tönen und Groove sorgt für eifriges Nicken im Publikum – dass sich der Gitarrist der Band beim letzten Song sogar dazu hinreißen lässt, einen Ausflug ins Publikum zu unternehmen, macht die Erscheinung der Band noch sympathischer. Nach ein bisschen mehr als einer halben Stunde ist auch das Set von TIDES FROM NEBULA beendet, welche eine weitere musikalische Note in den Abend hineingetragen haben.
(Bernhard Landkammer)

ShiningNorLogo.pngNach erneut angenehm kurzer Umbaupause mache sich um kurz vor Zehn die norwegischen Black-Jazzer SHINING zur Aufgabe, dem Münchner Publikum das Gehirn zu verknoten. Wer das Quintett um Mastermind Jørgen Munkeby, welcher als Sänger sowie im steten Wechsel auch als Gitarrist und Saxophonist in Erscheinung tritt, bereits live erlebt hat oder zumindest von Platte kennt, ist zumindest vorgewarnt – bei allen anderen dürfte der Auftritt für heruntergefallene Kinnladen sorgen. Denn was die Norweger hier aufs Parkett legen, ist schlichtweg einzigartig: Bei hell erleuchteter Bühne und ohne jedwedes Showelement wie Visualisierungen oder besondere Bühnenoutfits schaffen es SHINING schon mit dem Opener „I Won’t Forget“ spielend, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Neben dem (für diesen Sound essenziellen) großartigen Sound und den schlichtweg atemberaubenden technischen Fertigkeiten der Musiker ist es dabei vor allem die Dynamik der Songs, die beeindruckt: So ist nicht nur der Hit „Fisheye“ vom Durchbruchsalbum „Black-Jazz“ ein wahres Feuerwerk aus rabiaten Riffs, furiosen Soli und einer kompositorischen Klimax, die ihresgleichen sucht. Mit jedem weiteren Song spielen sich SHINING weiter in Rage und reißen dabei wirklich alles und jeden mit. Spätestens beim abschließenden King-Crimson-Cover „21st Century Schizoid Man“ und der darin eingebetteten, nicht enden wollenden Free-Jazz-Improvisation zeigen die Norweger ihr ganzes, atemberaubendes Können. Be-ein-druck-end.
(Moritz Grütz)

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Doch lange Zeit bleibt danach nicht, die irre Performance von Shining zu verdauen. THE OCEAN stehen nämlich schon kurze Zeit später auf der Bühne. Mit drückendem Sound im Rücken startet die Band mit „Epipelagic“ ins Set, das, genau wie auf der letzten Tour, fast nur vom neuen Album geprägt ist. Bis auf zwei Ausnahmen spielen THE OCEAN „Pelegial“ durch. Die Ozeanthematik, Trademark von THE OCEAN, spiegelt sich nicht nur im Artwork und der Musik wieder, sondern auch im Bühnenbild: Neben der stimmigen, in grün und blau gehaltenen Lichtshow, gibt’s auch (wie so oft in diesem Genre) Hintergrundkino in Form von Visuals. Düstere Unterwasserimpressionen begleiten das Geschehen auf der Bühne. Die Energie der Musiker geht förmlich aufs Publikum über und Sänger Loïc Rossetti versucht, jeden im Club mit einzubeziehen. Dazu gehört Stagediving genauso wie ein Ausflug auf die Galerie, der durch einen Sprung ins Publikum seinen krönenden Abschluss findet.

Die Mischung aus Post-Hardcore und atmophärischen Sludge mag auf Platte vielleicht nicht besonders eingängig sein – live gespielt kommt die ganze Wucht der Songs aber richtig zur Geltung. Die Meinung vieler THE-OCEAN-Fans der ersten Stunde, die Intensität der Auftritte habe über die letzen Jahre hinweg abgenommen, kann ich nicht beurteilen. Dass die Songs der Zugabe (die einzigen, die nicht dem aktuellen Werk entnommen sind) allerdings die Besten des Abends sind, deutet in dieselbe Richtung. Auf eines können sich heute aber wohl alle Fans einigen: Ein bisschen schlechter als früher ist bei dieser Band immer noch überragend gut.

Ganz zum Schluss holen THE OCEAN noch Shining-Saxophonist Munkeby auf die Bühne, der zum Abschluss von „The Origin Of Species“ eine furiose Improvisation beisteuert, während sich die Band unter tobenden Applaus verabschiedet.
(Michael H.)

Setlist THE OCEAN:
01. Epipelagic
02. Mesopelagic: Into The Uncanny
03. Bathyalpelagic I: Impasses
04. Bathyalpelagic II: The Wish In Dreams
05. Bathyalpelagic III: Disequillibrated
06. Abyssopelagic I: Boundless Vasts
07. Hadopelagic II: Let Them Believe
08. Demersal: Cognitive Dissonance
09. Benthic: The Origin Of Our Wishes

10. Ectasian: De Profundis (w/ Swoon Outro)
11. The Origin Of God
12. The Origin Of Species

FAZIT: Dass Jørgen Munkeby das Konzert so quasi im Alleingang beenden und für sein Können nochmals kräftig Applaus ernten darf, ist nicht bloß ein gelungener Bogenschluss, der den in allen belangen perfekten Abend gekonnt abrundet. Viel mehr darf diese Geste von The Ocean wohl auch als Verneigung vor dem wohl versiertesten aller an dieser Tour beteiligten Musiker verstanden werden. Doch auch, wenn er mit seinen SHINING den zweifellos beeindruckendsten Auftritt des Abends auf die Bretter gelegt hat, braucht sich hier wirklich keiner der Beteiligten verstecken: Durch das stilistisch breit gefächerte Billing und die bei fast allen Auftritten an den Tag gelegte Prefektion steht hier heute eigentlich jede Band als Gewinner da.
(Moritz Grütz)

Publiziert am von , und Michael

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