Konzertbericht: The Casualties w/ Lion’s Law, 1328

26.04.2022 München, Backstage (Halle)

Vor der Pandemie war die Streepunk-Instanz THE CASUALTIES quasi Stammgast auf europäischen Clubbühnen. Auch nach der Rückkehr der Livemusik muss man auf die New Yorker nicht lange warten. Unterstützt werden sie von der Pariser Oi-Institution LION’S LAW und in München von den einheimischen 1328 –  ausreichend Futter also für ausgehungerte Punkfreundinnen und -freunde. Dass The Exploited heute nicht – wie noch bei den Shows zuvor – mit von der Partie sind, sondern im knapp 150 km entfernten Innsbruck auftreten, ist dennoch für alle Beteiligten schade: Mit der schon auf früheren Touren sowie in den letzten Wochen erneut etablierten New-York-Edinburgh-Punk-Connection hätte die Show sicher im dann wohl auch randvoll gefüllten Werk stattgefunden. So hingegen bleibt die Besucherzahl selbst in der deutlich kleineren Halle überschaubar.

Die Münchner von 1328 müssen trotzdem um Punkt 20:00 Uhr auf die Bühne. Die Halle ist zu diesem Zeitpunkt nur im hinteren Bereich gefüllt, nach und nach rücken aber einzelne Punkerinnen und Punker auf. Sonderlich spektakulär ist der straighte Oi-Punk im Stile von UK-Bands der 1980er zwar nicht, als Einstieg in einen bierseeligen Abend passt die Band aber zugegeben wie die Faust aufs Auge. Dass die Band dem 2021 verstorbenen Münchner Kultpunker Anton ein Lied widmet, sorgt für eine extra Runde Applaus, und generell hat das Publikum mit den Saufliedern von 1328 eine Menge Spaß. Kein Wunder: Der „Beercore“ der Band – benannt nach dem Gründungsjahr der Augustiner-Brauerei – tönt druckvoll und klar abgemischt aus den Boxen. Wie wahr ihr Motto „The more you drink, the better we are“ ist, stellen 1328 zum Schluss dann eher unfreiwillig unter Beweis: Die letzten beiden Songs geraten gesanglich derartig kieksig und gehen so weit an den eigentlich intendierten Noten vorbei, dass es nüchtern schon fast weh tut. Insofern ist es auch gut, dass nach 30 Minuten und einer spontanen Zugabe Schluss ist. [BL]

Nicht einmal 15 Minuten Atempause gönnen die Bands dem Publikum. Entsprechend ist es bei den ersten Tönen der Franzosen von LION’S LAW noch relativ leer, da sich ein Großteil des Publikums nach draußen begeben hat. Schon während des Intros ändert sich das allerdings, und schnell werden erste Pogoversuche gewagt. Musikalisch legt die Band im Vergleich zum Opener eine ordentliche Schippe drauf: Treibender Oi-Punk, räudiger Gesang und eingängige Melodien laden hier wirklich konstant zum Tanzen ein. Dass der Banner der Band spiegelverkehrt hängt, kommentiert Sänger Victor Lapprend selbstironisch mit „But we won’t play all the songs backwards“. Sowohl alte Songs als auch Nummern des aktuellen Albums „The Apin, The Blood And The Sword“ von 2020 finden zur Freude der Fans Eingang in das schweißtreibende und bierseelige Set der Pariser. Das textsichere Publikum bekommt zum Ende der Show schließlich das Mikro überreicht, einzelne Fans lassen sich zum Stagediven hinreißen und mit fast 50 Minuten Spielzeit haben LION’S LAW heute fast den Status eines Co-Headliners. Nach dieser mitreißenden Show kann man nur sagen: absolut zurecht! [BL]

Punk(t) 22:00 Uhr erlischt das Licht in der Halle erneut – vielleicht pünktlicher als die Polizei erlaubt? Als Intro wird der The-Clash-Klassiker „I Fought The Law“ plötzlich jedenfalls von ohrenbetäubenden Sirenen zum in Szenekreisen gemeinhin ungeliebten Blaulicht abgewürgt. Wenig überraschend, dass THE CASUALTIES dazu direkt mit „1312 – ACAB“, dem Opener ihres nach wie vor aktuellen Albums „Written In Blood“ (2018) loslegen. Der Call-and-Response-Refrain mit dem Publikum klappt auch schon recht gut, obwohl an diesem Dienstagabend schlussendlich bestenfalls 150 Fans (un)gepflegter Punkmusik ihren Weg ins Backstage gefunden haben. Der Stimmung in der Halle und auf der Bühne tut das keinen Abbruch: Während sich THE CASUALTIES – unterstützt von einem Aushilfsbassisten und für einen Track auch dem Bassisten von Lion’s Law – richtig abrackern, wird im Publikum eifrig gemosht. Ganz zufrieden ist Fronter David Rodriguez damit aber noch nicht – so dauert es nur wenige Songs, ehe er im Publikum steht und die Fans zu Circlepits und einer amtlichen Wall of Death anstachelt. Am Ende reicht die vor der Bühne versammelte Fanschar sogar für den einen oder anderen Stagedive. Mit dem aus allen Kehlen mitgegrölten Band-Hit „We Are Alle We Have“ endet die furiose Show so abrupt wie sie begonnen hatte – nach quasi unterbrechungsfrei durchgeprügelten 50 Minuten braucht es aber auch keine Zugabe mehr, um zufrieden den Heimweg antreten zu können. [MG]

  1. 1312
  2. Chaos Sound
  3. For The Punx
  4. Ashes Of My Enemies
  5. Written In Blood
  6. Running Through The
  7. Night
  8. Demolition
  9. So Much Hate
  10. On The Front Line
  11. Punk Rock Love
  12. Lost
  13. Riot
  14. Unknown Soldier
  15. My Blood, My Life,
  16. Always Forward
  17. We Are All We Have

Mit 1328 und LION’S LAW, dafür ohne The Exploited ist dieses Leg der Tour merklich Oi-lastiger und weniger klassisch „punkig“ – doch wie schon David Rodriguez in einer Ansage feststellte: Egal, ob Metalhead, Skin oder Punk – mit dem richtigen, antifaschistischen Mindset kann man jederzeit über alle Genregrenzen hinweg zusammen feiern. Das bunt-gemischte Publikum in München macht heute vor, wie das auszusehen hat.

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