Konzertbericht: Versengold w/ Reis Against The Spülmaschine

14.03.2024 München, Backstage (Werk)

Ein „Lautes Gedenken“ wollen VERSENGOLD analog zu ihrem letzten Album auch auf der dazugehörigen Tour zelebrieren – für all diejenigen, die die Band seit rund 20 Jahren begleiten und teils nicht mehr unter uns weilen. Ein schöner Grundgedanke und auch in München ein fulminantes Live-Erlebnis in einem rappelvollen Backstage. Allerdings kommt die Show nicht ganz ohne Wermutstropfen aus, gerade für langjährige Fans.

Zunächst stellt sich mit RISE AGAINST THE SPÜLMASCHINE ein Musik-Comedy-Duo aus dem hohen Norden vor, welches im Süden bis dato noch nicht wirklich angekommen zu sein scheint. Das könnte sich nach diesem Auftritt schlagartig ändern, denn die beiden Nordlichter haben die Menge von der ersten Sekunde an fest im Griff: Der Opener „Flies mal das Bad“ funktioniert mit Wortwitz und zwei umtriebigen Musikern, die genau wissen, wie sie ihr Publikum erreichen. Eine Abwandlung von Revolverhelds „Ich lass für dich das Licht an“, in dem die Botschaft des Songs charmant auf links gedreht wird, funktioniert ebenso wie „Sauf mit mir eine Nacht“, das auf Klaus Lages „1000 und eine Nacht“ beruht, oder ein Tee-Medley mit ebenfalls vielen bekannten Melodien. Der Spruch „Ignoring Copyright Since 1981“ ist hier eindeutig Programm. Gleichzeitig verinnerlichen RISE AGAINST THE SPÜLMASCHINE ihre Aufgabe als Support: Immer wieder stimmt das Duo die Fans auf Versengold ein, unter anderem mit einem Stimmungs-TÜV und einem launigen Cover von „Thekenmädchen“. Das haben die beiden Musiker auf Männer ab 40 umgedichtet, die seltener feiern gehen. So wird aus „Nie, nie, nie, niemals nie“ ein „Mi mi mi, mi mi mi“, das problemlos analog gegrölt werden kann. Über Humor lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten, aber an diesem Abend liefern RATS einen Support-Gig aus dem Lehrbuch und werden dafür mit lautem Jubel belohnt. Hier treffen The Axis of Awesome auf Tenacious D, nur auf deutsch und glücklicherweise ganz ohne Fremdschamfaktor.

Nach lediglich 15 Minuten Umbaupause legen VERSENGOLD direkt mit einem der poppigsten Gute-Laune-Aushängeschilder ihres letztes Albums (und darüber hinaus) los, namentlich „Glimmer und Gloria“. Für den ESC-Vorentscheid hat es damit hierzulande nicht gereicht, in München sind die Fans sofort Feuer und Flamme für die guten Vibes. Mit „Niemals sang- und klanglos“ sowie „Verliebt in eine Insel“ verlassen sich die Chartstürmer anschließend auf Altbewährtes und Liveerprobtes, ehe „Wir feiern den Norden“ wieder den Bogen zu „Lautes Gedenken“ spannt. Erfreulicherweise funktioniert die launig-charmante Nummer mit dem anspruchsvollen Mitmach-Part auch fernab der Nordsee. Alles in allem präsentieren sich alle Bandmitglieder bei bester Laune; ihre Performance leidet lediglich unter kleinen technischen Problemen, besonders bei der Aussteuerung des Mikros von Sänger Malte.

„Labyrinth“ und „Tod und Trommeln“ bilden zusammen den vielleicht stärksten Live-Zweier des aktuellen Longplayers, bei zweiterem schnallt sich Geiger Flo passenderweise eine spezielle Trommel vor den Bauch. In der Folge wird es mit dem weihnachtlichen „Sally O’Brien“ und „Hey Hanna“ gleichförmiger, ehe VERSENGOLD es mit ihrem „Flasche Eleison“ als Chorus zu „Flaschengeist“ ein gutes Stück übertreiben. Auch „Lautes Gedenken“ erreicht nicht ganz die Gänsehautatmosphäre des Videos. Deutlich besser gelingt der Part mit einem Teil der Band auf einer zweiten Bühne neben dem FOH: Zusammen mit ihren Bandkollegen auf der Haupt-Stage spielen Malte, Flo und Dan einerseits das balladeske „Haut mir kein Stein“, zu dem Malte im Vorfeld einige sehr persönliche Worte verliert, und andererseits den erfolgreichsten VERSENGOLD-Songer aller Zeiten, „Thekenmädchen“, während dem sich der Vokalinist auf einem Podest durch die Menge wieder Richtung Bühne schieben lässt. Mit „Im Bier sind Dinge drin“, das Verschwörungtheorien mit einem Augenzwinkern thematisiert, läuten die Deutsch-Folker den Endspurt ihres regulären Sets ein: Nach der erneut unmissverständlichen Botschaft in „Braune Pfeifen“ wird „Kobold im Kopp“ am Ende mit einem „Killing In The Name Of“-Interlude sowie „Kobold In My Head“ als Refrain und Bassist Eike am Mikro ordentlich metallisch aufgebohrt, ehe sich die Musiker allesamt eine kleine, verdiente Verschnaufpause gönnen.

Im Zugabenblock tauchen Malte und Eike nochmals gemeinsam in die Zuschauermenge ein und spannen wieder gekonnt den Bogen zwischen Feierlaune und nachdenklichen Momenten: „Die letzte Runde“ passt mehr als nur sinnbildlich zu „Lautes Gedenken“ und allem, was das Leben im Älterwerden so mit sich bringt. „Butter bei die Fische“ ist dann schließlich der finale, überlange Party-Kracher, bei dem die Fans einen fröhlichen Circle Pit rund um Eike auf seinem Rollwagen starten. Zusammen mit dem finalen Abgesang ein mehr als würdiger Abschluss, bei dem VERSENGOLD nochmals ihr gesamtes Spektrum in komprimierter Form zum Besten geben. Leider erstreckt sich das Songmaterial insgesamt dazu aktuell nur auf die letzten sechs bis sieben Jahre.

Mögen RISE AGAINST THE SPÜLMASCHINE zwar stilistisch nicht unbedingt zur aktuellen Ausrichtung von VERSENGOLD passen, so funktioniert das Package zusammen außerordentlich gut. Besonders schön zu sehen ist, dass VERSENGOLD ihre Publikumsnähe immer noch leben und den interaktiven Teil sogar weiter ausgebaut haben. Das tröstet dann auch über den ein oder anderen Song hinweg, der mehr für die breite Masse als für die eingefleischten „Folkies“ funktioniert. Höchstwahrscheinlich werden Malte, Flo und Co. auf ihrer nächsten Tour auch in München in größere Locations wechseln. Diesen Erfolg haben sie sich buchstäblich erspielt und erarbeitet, wenngleich er nicht ganz frei von Kompromissen ist.

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