Konzertbericht: Wardruna

26.03.2021 Norwegen (Stream-Show)

Eine „Virtual Release Show“ eines neuen Albums zu geben, ist etwas, was im Januar 2020 nicht denkbar gewesen wäre; warum auch auf die Live-Atmosphäre verzichten, wenn das Gefühl, neues Material vor der gespannten Audienz zu präsentieren für die Musiker ebenso glücksbringend ist wie für die Fans, die es erstmalig hören. Doch die anhaltende Pandemie mitsamt ihren Einschränkungen fordert von Bands und Fans gleichermaßen, auf genau das auch weiterhin zu verzichten. WARDRUNA schlagen dem insofern ein Schnippchen, als die Norweger alle Möglichkeiten nutzen, um ihr neues Album „Kvitravn“ erstmals in Teilen live zu spielen – und die Idee der „Virtual Release Show“ war geboren. Unklar ist, wie sich die Umsetzung gestalten wird: Wird das neue Album in Gänze gespielt werden? Wo wird die Aufnahme stattfinden?

Der Opener „Kvitravn“ kann zumindest die Frage nach dem Ort direkt beantworten: In einem komplett abgedunkelten Raum stehen WARDRUNA, passend hierzu in schwarz gekleidet, vor einer überdimensionalen Leinwand, die den besungenen weißen Raben einblendet. Vor den Musikern rundum Sänger Einar Selvik befinden sich nur ihre gewohnt anachronistisch wirkenden Instrumente sowie akzentuierte Lichtquellen, die die Gänsehaut, die mit den ersten Klängen der Talharpa eintritt, nur noch stärker werden lässt.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Wardruna

Der Übergang zwischen dem Titeltrack des Album und dem mit einer phänomenalen Klimax versehenen Song „Skugge“ wird mit Auszügen des Songtextes, übersetzt ins Englische, eingeleitet. Ein guter Kniff, um den Zuschauer nicht nur visuell einzufangen, sondern ihn auch inhaltlich in die Welt der nordischen Spiritualität zu begleiten. Genau diese Verbindung zum Projekt wird im folgenden Track „Solringen“ („Yggdrasil“, 2013) nochmals verstärkt, da neben dem Textauszug ebenfalls die historische Bedeutung des skandinavischen Brauchtums namens Solringen erklärt wird, ehe WARDRUNAs atemberaubende Interpretation dessen beginnt.

„Bjarkan“ („Gap Var Ginnunga„, 2009) dürfte besonders für Instrumenten-Liebhaber lehrreich sein: Neben den bereits im Track zuvor verwendeten Naturhölzern und Stöckern zur rhythmischen Untermalung bekommt man nun in HD-Qualität zu sehen, womit eigentlich dieser prägnante, quakende Ton gemacht wird. Dabei zeigt sich umso mehr der immense Spagat, den WARDRUNA grundsätzlich seit Jahren, nun aber auch speziell in diesem Stream absolvieren: Die archaischen, selbstgemachten Instrumente auf der einen Seite, deren hochmoderne, glasklare und druckvolle Tonabnahme auf der anderen Seite. Die Darbietung von „Voluspá“ steht der auf dem dazugehörigen Album „Skald“ (2018) in nichts nach – im Gegenteil, der Track gewinnt hier an Atmosphäre, die das Album nicht zu erschaffen vermochte.

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Wardruna

Das ohnehin einnehmende „Isa“ („Ragnarok„, 2016) verdeutlicht live umso mehr, dass Lindy-Fay Hella nicht nur eine ausgezeichnete, sondern auch in dem Projekt aufgehende Sängerin ist; beinah wie in Trance singt und kreischt sie sich durch die Tracks, sodass es längst nicht mehr nur Einar ist, der WARDRUNA diese völlig eigene Aura verleiht. Apropos Aura: Die Norweger, die live bisher nicht auf ausgefallene Effekte, sondern stets auf übermannende Atmosphäre setzten, beschreiten in ihrem ersten Stream (zumindest für sie völlig) neue Pfade, denn die Songs werden durch unterschiedliche Ausleuchtungen individuell in Szene gesetzt und die Farbwärme wird als unterstützendes Mittel genutzt. Bei ihrer Performance von „Fehu“ („Yggdrasil“, 2013) überraschen WARDRUNA sogar mit lasergeschaffenen, violetten Nebelteppichen; diese moderne Visualisierung in Maßen steht der Band gut zu Gesicht!

  1. Kvitravn
  2. Skugge
  3. Solringen
  4. Bjarkan
  5. Raido
  6. Voluspá (Skaldic Version)
  7. Isa
  8. UruR
  9. Gra
  10. Vindavlarljod
  11. Rotlaust Tre fell
  12. Fehu
  13. Helvegen

Mit dem wirkungsvoll in Szene gesetzten „Helvegen“ beenden die Norweger nach 13 Songs ein Set, dessen Gestaltung sie sich mit der weitläufigen Bezeichnung „Virtual Release Show“ bis zuletzt offen gehalten haben. Die Erwartungshaltung, ihr neues Album zu präsentieren, haben WARDRUNA mit der Live-Premiere von vier Tracks geschafft; die Diskografie umspannende Best-Of-Setlist dazwischen ist ein zusätzlicher Ohrenschmaus, auch dank der High-End-Aufnahme des Sets. Eben jenes ist noch bis Sonntag, den 28. März bis 23:59 Uhr abrufbar: https://wardrunashop.com/collections/kvitravn-live-stream

Screenshot der Live-Stream-Show, Foto-Credit: Wardruna

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