Konzertbericht: ZSK w/ Radio Havanna, Dagger Threat

11.10.2019 Erlangen, E-Werk

Ihr letztes Album „Hallo Hoffnung“ hat mittlerweile anderthalb Jahre auf dem Buckel – doch die Berliner Deutschpunker ZSK sind des Tourens scheinbar noch lange nicht müde. Nach einer Konzertreise mit Slime im Januar sowie einigen Special-Shows, unter anderem in Tel Aviv, im Fanladen des FC St. Pauli sowie beim Geburtstag der Roten Flora gehen ZSK zum Jahresausklang nochmal auf Headliner-Tour. Erster Stop: das E-Werk in Erlangen.

Den Tourauftakt hätte sich die Crew sicher stressfreier gewünscht: Zur guten Nachricht, dass der Club mit rund 450 verkauften Tickets quasi ausverkauft ist kommt die schlechte Nachricht, dass sich DAGGER THREAT aus Hamburg verspäten. Um kurz vor Acht kommt ZSK-Fronter Joshi deswegen auf die Bühne und gibt durch, wie es nun weitergeht: DAGGER THREAT würden gleich kommen und über das Equipment der anderen Bands so viel Musik spielen, wie die Zeit noch zulässt. Und jetzt alle Mann nach vorne!

Nach einem Minimal-Soundcheck in Rekordzeit geht es um kurz vor Acht dann auch direkt los – und ab: Kommt der Brutal-Death-Core-Mix von DAGGER THREAT für den einen oder anderen Punk-Rock-Fan vielleicht überraschend, können die Hamburger den Großteil des Publikums durch ihre Energie in Musik und Show direkt mitreißen. Dass der Auftritt schlussendlich nur knapp 20 Minuten dauert und von vorne bis hinten improvisiert ist, steigert das Konzerterlebnis eher noch als es zu schmälern. Denn tatsächlich merkt man den Jungs von DAGGER THREAT weder die achtstündige Autofahrt an, noch die Angst um den Tour-Van, die Fronter Tim zwischendurch erwähnt: „Wir haben in zweiter Reihe geparkt. Die Warnblinkanlage ist noch an. Musste schnell gehen – hoffentlich wird der nicht abgeschleppt.“ Mit diesem Auftritt dürften sich die Hamburger jedenfalls einige neue Fans erspielt haben.

Etwas geordneter geht es um 20:30 Uhr bei RADIO HAVANNA zu – zumindest auf der Bühne. Vor der Bühne hingegen herrscht bei den Wahl-Berlinern das getanzte Chaos: Zu Deutschpunk-Hymnen wie „Homophobes Arschloch“, „Faust hoch“ oder „Mein Name ist Mensch“ geht das Publikum im E-Werk steil. Und obwohl vermutlich gut zwei Drittel der Anwesenden aus Alters- (oder sollte man sagen: Jugend-?)Gründen wohl nicht einmal wissen, wer Die Prinzen waren, erweist sich deren Hit „Alles nur geklaut“ auch in der Coverversion von RADIO HAVANNA als tanz- und mitgrölbarer Evergreen. Doch RADIO HAVANNA haben nicht nur musikalisch ihre Hausaufgaben gemacht: Mal werden Pfeffi-Shots an die ersten Reihen ausgegeben, mal Konfetti ins Publikum geschossen. Mit anderen Worten: RADIO HAVANNA wissen, wie man seine Fans bei Laune halten kann. Nach 45 Minuten ist dann trotzdem Schluss – und nicht nur der Temperatur und des schweißtreibenden Pogos wegen fragt man sich bei so manchem Fan, wie er den Headliner überhaupt noch überstehen soll.

Der steht dann um 21:45 Uhr mit ZSK auf der Bühne. Und wer dachte, die Stimmung im E-Werk könnte heute nicht mehr besser werden, wird unversehens eines Besseren belehrt. Crowdsurfer werden – notfalls auch mal als Drei-Mann-Projekt – durch die Halle getragen, ein 2000 km angereister Spanier vernichtet recht souverän auf der Bühne eine Halbe auf Ex, und wer dazu nicht mehr fähig ist, spritzt sein Bier einfach in Richtung Bühne. Auch auf der Bühne geht der Punk ab, wie man so schön sagt – schließlich ist Tourstart und der Akku noch voll. Fronter Joshi geht zwischendurch crowdsurfen, singt mit dem Publikum den Anti-Flag-Hit „Die For Your Government“ und springt wie ein Flummi über die Bühne. Kein Wunder: Bei Hits wie „Es wird Zeit“, „Unzerstörbar“ oder „Make Racists Afraid Again“ kann man schließlich kaum still stehen.

Wie in ihrer Musik, gelingt es ZSK auch live, den richtigen Mittelweg zwischen Punk-Rock-Party und Politik: Nicht nur in den Songtexten wird es bei aller Feierlaune immer wieder ernst. Ob seitens der Fans, die ein ums andere Mal „Alerta, alerta, Antifascista“-Chöre anstimmen, oder seitens der Band – etwa, wenn ZSK die Ballade „Wellen brechen“ den beiden Opfern des rechtsterroristischen Attentats in Halle widmen. Nach einer kurzen Pause machen ZSK die anderthalb Stunden dann noch mit zwei Zugaben voll: „Es müsste immer Musik da sein und Antifascista“. Beidem dürften die 450 Fans im Erlanger E-Werk voll und ganz zustimmen.

  1. Herz für die Sache
  2. Der richtige Weg
  3. Kein Mensch ist illegal
  4. Es wird Zeit
  5. We Will Stop You
  6. Wut
  7. Punkverrat
  8. Alles steht still
  9. Keine Angst
  10. Lichterketten
  11. Unzerstörbar
  12. Unser Schiff
  13. Hallo Hoffnung
  14. Hamburg
  15. Keine Lust
  16. Make Racists Afraid Again
  17. Die For Your Government (Anti-Flag-Cover)
  18. Die besten Lieder
  19. Riot Radio
  20. Wellen brechen
  21. Es müsste immer Musik da sein
  22. Antifascista

Mag der Tour-Auftakt zunächst auch etwas chaotisch begonnen haben, können schlussendlich ZSK, RADIO HAVANNA und eigentlich auch die DAGGER THREAT vollends zufrieden sein (so denn ihr Van nicht abgeschleppt wurde). Über mangelnden Zuspruch kann sich jedenfalls keine der drei Bands beschweren – und das von einem extrem jungen und dabei politisch im besten Sinne extrem motivierten Publikum. Man muss in Zeiten der angeblichen Politikverdrossenheit der Jugend ja auch mal das Positive sehen. In diesem Sinne: „Hallo Hoffnung!“

Hier die verblieben Live-Termine von ZSK für 2019:

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