Konzertbericht: ZSK w/ Moscow Death Brigade, Story Untold

04.05.2024 München, Backstage (Werk)

Mittlerweile hat es sich etabliert, dass man Bands mit einem Album immer zweimal sieht: auf Release- und auf Jubiläumstour. Auch die live sehr umtriebigen Skatepunks ZSK greifen diesen Trend auf und gehen mit ihrem 2013 veröffentlichten Album „Herz für die Sache“ auf Jubiläumstour. Dass 2013 mittlerweile elf Jahre her ist, das Jubiläum also eher eine Schnapszahl ist, soll nicht weiter stören – irritierender ist, mit wem ZSK feiern.

STORY UNTOLD im Mai 2024 in München

Dabei passt der erste Support noch voll ins Bild: Um 20:00 Uhr stürmen STORY UNTOLD die Bühne. Dass es die Band bereits seit 2012 gibt, wirkt in jeder Hinsicht unglaubwürdig: Musikalisch klingt die Band nämlich wie direkt vom Jahrtausendwechsel hergebeamt – und wie um diese These zu untermauern, liefert das Trio direkt ein Medley aus Sum 41, Blink-182 und Greenday ab. Vom Auftreten wiederum wirken die Kanadier wie eine waschechte Generation-TikTok-Band: Ein Großteil der Musik (inklusive Bass) kommt vom Laptop, und auch sonst bekommt man zwischendurch das Gefühl, es geht hier eher um eine Social-Media-mäßig verwertbare Show als um die Musik: So darf zwischendurch ein Fan per Los bestimmen, was Drummer Jonathan Landry während des nächsten Songs machen muss (Sandwich zubereiten). Das ist zwar eigentlich Quatsch, aber zugegebenermaßen auch unterhaltsam. Eigentlich ist damit die ganze Show gut zusammengefasst: Musikalisch ist die STORY zwar ganz sicher nicht UNTOLD, aber all das hat man immerhin auch schon schlechter gehört.

Das unverfänglich-belanglose dieses Auftritts wünscht man sich jedenfalls schnell zurück, als MOSCOW DEATH BRIGADE übernehmen – und das in mehrfacher Hinsicht: Mit dem Gute-Laune-Skatepunk von STORY UNTOLD im Ohr und einer gehörigen Portion Vorfreude auf ZSK im Bauch wirkt der stumpfe Mix aus Techno und Rap ziemlich fehl am Platz. Auch in Sachen Stimmung ist das aggressiv-martialische Auftreten des russischen Trios eher ein Abtörn als ein Upturn. Und dann ist da noch die Sache mit der Politik: Eine Band, die gute zwei Jahre nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine auf dem Bandnamen MOSCOW DEATH BRIGADE beharrt und darüber hinaus jedes kritische Wort an Russland missen lässt, wirft viele Fragen auf.

MOSCOW DEATH BRIGADE im Mai 2024 in MünchenAllgemeinplätze wie „All Refugees Are Welcome“ oder „Fuck Rassism“ hört man im Verlauf der Show zwar ständig, auf eine Verurteilung der russischen Invasion oder ein „Fuck Putin“ wartet man dagegen vergeblich – im Rahmen der heutigen Show, aber auch allgemein. Bis auf schwammige Statements, in denen MDB explizit nur den Zivilisten in der Ukraine ihre Solidarität ausgesprochen haben, oder platten Aussagen wie „Let’s fight fascism always and everywhere“ gibt es von MOSCOW DEATH BRIGADE nicht zu lesen – aber das ist in diesem Kontext einfach zu wenig. Man erinnere sich: Selbst Putin stellte seinen Überfall auf die Ukraine unter das Banner der „Entnazifizierung“. Aber selbst, wenn MDB ihre antifaschistischen Ansichten ernst meinen: Ein starker Beigeschmack in Sachen Ukraine bleibt.

Ihr aggressives Auftreten konterkarieren MDB mit einem Gitarre spielenden Krokodil: Unter diesen Umständen ist das grotesk bis geschmacklos – doch der Pit tobt. Da können aus dem Publikum noch so oft „Alerta Antifaschista“-Rufe angestimmt werden – etwas mehr Feingefühl hätte man sich ZSK und ihre Fans erwartet. Immerhin, es gibt Anzeichen, dass ZSK mit der Wahl dieser Vorband am Ende dieser Tour selbst nicht mehr so ganz glücklich sind: Obwohl Joshi auf dem kommenden Album ein Feature hat, gibt es beim entsprechenden Song heute keinen Gastauftritt. Auch kommen zur Tourabschluss-Party später nur STORY UNTOLD nochmal auf die Bühne. Vor allem aber: Als Joshi sämtlichen an der Tour Involvierten dankt, erwähnt er die Vorbands mit keiner Silbe. Das ist ein Novum – und ohne Worte ist damit vielleicht alles gesagt.

Die Stimmung nach dieser sonderbaren Darbietung ist gemischt: Während ein Teil des Publikums nach einem schweißtreibenden Moshpit seinen Wasserhaushalt an der Bar reguliert, wirkt der Rest eher erleichtert, dass der Lärm ein Ende hat. Wirklich gut eingestimmt auf ZSK hat diese Show jedenfalls nicht.

ZSK im Mai 2024 in MünchenDoch ZSK wären nicht ZSK, wenn sie diese Stimmung nicht wortwörtlich binnen Sekunden wieder gedreht hätten: Schon das epische Intro aus „Fluch der Karibik“ zaubert das Lächeln zurück auf die Gesichter im Publikum – als dann der Vorhang zu „Der richtige Weg“ fällt, tobt der Pogo. Obschon Joshi direkt zu Beginn vorwarnt, dass er zum Ende der Tour stimmlich stark angeschlagen sei, gibt er direkt Vollgas – und zeigt auch sonst keinerlei Ermüdungserscheinungen: Schon beim zweiten Song, dem Titeltrack des heute gefeierten Albums „Herz für die Sache“, steht er auf dem Absperrgitter, später findet man ihn immer wieder auf den Händen der Fans oder – zu „Es müsste immer Musik da sein“ mit seiner Akustikgitarre inmitten der andächtig Zuhörenden.

ZSK im Mai 2024 in MünchenWenn man ehrlich ist, kennt man das von ZSK ja gar nicht anders – und doch ist der heutige Abend nochmal in verschiedener Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen ist da natürlich das gefeierte Jubiläum, das zur Folge hat, dass einige Songs im Set stehen, die lange nicht zu hören waren. Warum ZSK „Soll das alles gewesen sein“ weglassen, bleibt ihr Geheimnis – Stücke wie „Before We Go“ (erstmalig seit 2017), „Viel Glück“ oder „Was wollt ihr hören?“ (beide auf dieser Tour zum ersten Mal überhaupt) live zu hören, ist zumindest für diejenigen Fans, die mit diesem Album groß geworden sind, etwas Besonderes. Besonders ist die Show aber auch, weil ZSK München besonders ins Herz geschlossen haben. Spätestens, als es für Roadie Hannes aus den ersten Reihen Manna-Waffeln auf die Bühne regnet, und die Band eine Pause einlegen muss, bis die Bühne geräumt ist, weiß man, warum.

ZSK im Mai 2024 in MünchenUnd dann ist es eben auch Tour-Abschluss, was allerlei ungeplante Aktionen und auch ein bisschen Chaos bedeutet. Mal kommt die Crew mit Konfetti und Burger-King-Kronen für alle Musiker auf die Bühne gestürmt, mal wagen der STORY-UNTOLD-Sänger (erfolgreich) oder ihr Drummer (weniger erfolgreich) den Stagedive, und dann muss Hannes sich auch noch (mit heldenhafter Unterstützung von Gitarrist Arne an der zweiten Griffhand) an der Gitarre beweisen und den Ramones-Klassiker „Hey Ho, Let’s Go“ nicht nur an-, sondern komplett durchspielen. Zu „Punkverrat“ gibt’s Bier (aus dem Marshall-Kühlschrank), zu „Die Kids sind OK“ kommt eine kleine Ehrengästin auf die Bühne … und dass das „FCK AFD“-Banner beim Hochziehen abschmiert, stört niemanden (außer Hannes): Wichtig ist schließlich die Message, nicht deren Inszenierung.

  1. Der richtige Weg
  2. Herz für die Sache
  3. Was wollt ihr hören?
  4. Before We Go
  5. Lichterketten
  6. Bis jetzt ging alles gut
  7. This Fight
  8. Unser Schiff
  9. Viel Glück
  10. Punkverrat
  11. Jede Sekunde
  12. Antifascista
  13. Darwin
  14. Keine Angst
  15. Die Kids sind okay
  16. Mein Staat
  17. Es müsste immer Musik da sein
  18. Die besten Lieder
  19. Alle meine Freunde
  20. Hassliebe
  21. Wenn so viele schweigen
  22. Make Racists Afraid Again
  23. Und ich höre dich atmen
  24. Riot Radio

Nach 24 politischen, emotionalen oder eben auch einfach nur schweißtreibend-unterhaltsamen Songs rundet „Riot Radio“ vom gleichnamigen Debüt den eh schon nostalgischen Abend stimmig ab: Mehr ZSK geht nicht – zumal die Band im Anschluss am Merch für Fotos, Autogramme oder einfach nette Unterhaltungen bereitsteht. Eine sympathische(re) Vorband (wie zuletzt Zebrahead) wäre zwar noch wünschenswert gewesen – ansonsten entlassen ZSK ihre Fans einmal mehr wunschlos glücklich in die Nacht.

ZSK im Mai 2024 in München
ZSK im Mai 2024 in München

A. d. Red. zu MOSCOW DEATH BRIGADE: Selbst innerhalb der „Linken Szene“ herrscht Uneinigkeit darüber, wie MDB politisch einzuordnen sind. Verschiedene Gruppierungen, darunter „Anarchafeminists From Russia“ (Artikel) oder „UANTIFA“ aus der Ukraine (Artikel) werfen der Band jedoch Machoismus, Rassismus und russischen Patriotismus vor – die Statements der Band zu diesen Themen (zusammengefasst im Statement des Backstage München zur Show 2023) hingegen bleiben vage.

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4 Kommentare zu “ZSK w/ Moscow Death Brigade, Story Untold

  1. Linksradikalen Bands wird ein Bericht gewidmet, aber alles was nur minimal rechts der Mitte steht, ist Nadsi…so kennt man den Moritz.

  2. Hi Moritz, MDB sind sicher nicht mein Fall. Im aktuellen OX ist ein Interview mit denen. Warum die sich mit der Kritik an Russland zurückhalten, liegt daran, dass die wohl noch in Moskau leben. Und bevor man da vom Balkon fällt oder so.. Mir schmeckt deren Einstellung auch nicht und ich finde es gut, dass du das ansprichst. Beste Grüße.

    1. Ja, ich weiß. Aber ehrlich gesagt finde ich diese Argumentation nicht so ganz überzeugend … zumal sie ja auch für patriotische Aussagen kritisiert werden, Sexismusvorwürfe im Raum stehen und die Band früher auch behauptet hat, „unpolitisch antifa“ zu sein und die Maskierung nur aus Imagegründen zu tragen. Für mich passt da einfach nichts zum anderen. Aber im Kern störe ich mich ganz konkret daran, dass eine russische Band mit dem Namen MOSCOW DEATH BRIGADE durch Deutschland tourt, als wäre nix, während ukrainische Bands kaum mehr ein Visum bekommen, weil sie an die Front müssen … gegen die echte Moscow Death Brigade. Das ist geschmacklos, und für einen Namenswechsel hätte ihnen selbst der russische Geheimdienst nicht gleich das Todesurteil gesprochen.

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