Interview mit Joshi von ZSK

Nach dem Krisenjahr 2020 klingt der ZSK-Albumtitel „Ende der Welt“ nach einem plausiblen Szenario. Im Interview erklärt Sänger Joshi, warum der Titel trotzdem positiv zu verstehen ist, was er von Corona-Leugnern hält und was dazu geführt hat, dass Star-Virologe (und Metalhead) Christian Drosten sobald als möglich mit ZSK  auf der Bühne stehen wird.

Ich hoffe, bei dir ist alles OK, alle gesund und – soweit als das in der aktuellen Situation möglich ist – munter … ?
Natürlich! Uns geht es zum Glück prima. Viel Arbeit gerade mit den letzten Vorbereitungen für das neue Album: Videodrehs, Cover, Interviews und so weiter …

Ihr wart immer die, die noch Hoffnung haben. Jetzt seht ihr das „Ende der Welt“ gekommen. Klingt das nur in meinen Ohren ziemlich desillusioniert?
Zum Glück liegst du da ganz falsch. Wenn man die Platte in der Hand hat und umdreht, lösen sich das Front-Cover und der Titel auf. Es geht im Grunde darum, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass wir auf das Ende der Welt zurasen, weil derzeit so viel Scheiße passiert. Aber wir sagen: Das ist längst nicht das Ende der Welt – ganz im Gegenteil! Es passieren gerade auch sehr viele positive Dinge – von Black Lives Matter und Fridays for Future über die Abwahl von Trump bis zu den sinkenden Umfragewerten der AfD.

Joshi 2019 im Interview mit Metal1.info; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

Stand der Titel schon vor Corona fest oder ist der während der Pandemie aufgekommen?
Der Titel stand schon Ende 2019 fest. Aber mit den Auswirkungen von Corona passte traurigerweise alles plötzlich noch viel besser. Wie sagt Henning Mankell so schön? „Was immer ich schreibe, die Realität ist noch schlimmer.“

In diesem Jahr ist so viel schief gelaufen, da wundert es auch gar nicht weiter, dass 2021 die Welt am Ende sein könnte. Bereust du aus jetziger Sicht diesen negativen Titel, würdest du jetzt eher etwas Ermutigendes wählen?
Wir haben tatsächlich kurz überlegt, ob wir den Titel noch ändern sollen. Aber wenn man das ganze Album hört und auch das Cover komplett sieht, merkt man sofort, dass das sehr positiv ist und allen Mut machen soll, die weiter für eine gerechtere Welt kämpfen.

Ihr seid so eine Band, die zu groß für andere Jobs und zu klein fürs große Geld ist – kannst du etwas berichten, wie euch Corona und die Veranstaltungsverbote treffen? Wie kritisch ist das für euch?
Finanziell ist das alles eine Vollkatastrophe. Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes sagen würde. Eigentlich wollten wir die Albumproduktion mit den Festivalgagen finanzieren. Tja …
Aber wir wollen da überhaupt nicht jammern, während andere Leute auf der Intensivstation liegen. Das erscheint mir einfach unangebracht.

ZSK 2020; © Matthias Zickrow

Apropos kritisch: Wie systemkritisch findest du, mal ganz platt gefragt, die Lufthansa im Vergleich zur Veranstaltungs-/Kulturbranche?
Die Lufthansa als Unternehmen ist uns kack-egal, ehrlich gesagt. Nur die ganzen Mitarbeiter, die jetzt trotz Milliardenhilfen einfach entlassen werden, tun mir leid.

Damit sind wir auch direkt beim Cover – warum ausgerechnet ein abschmierendes Flugzeug? Wie passt das zum „Ende der Welt“?
Das Flugzeug symbolisiert die Welt, die auf das Ende zurast und man denkt, dass das niemand überlebt. Aber dann hat man auf der Rückseite des Covers die vielen wichtigen Dinge, die per Fallschirm gerettet werden: Menschenrechte, Solidarität, Gerechtigkeit, Umweltschutz, Tierrechte und natürlich die Musik!

Nicht zuletzt dank Corona-Blues in „Rumstehen“, dem sentimentalen „Stuttgart“ und dem Titeltrack „Ende der Welt“ wirkt das Album ernster als frühere Alben … es ist nicht einmal ein Sauflied drauf. Empfindest du das auch so, bist du ein Stück weit desillusioniert oder ernster geworden als zu der Zeit, als du „Hallo Hoffnung“ geschrieben hast?
„Nicht mal ein Sauflied!“ Das gefällt mir. (lacht) Wir haben schon versucht, eine Mischung aus ernsten Themen und netten Sachen zusammenzustellen. „Kein Talent“ beispielsweise oder „Mach’s gut“ sind ja richtig schöne Songs zum Feiern. Wir vermissen natürlich die Unbeschwertheit und das, was uns als Band ausmacht – also Konzerte spielen – extrem. Darum geht es auch bei „Rumstehen“. Aber bald haben wir das ja alles wieder. Sobald der Impfstoff am Start ist. Wir fiebern jeden Tag der Tour zum Album entgegen!

Joshi 2019 im Interview mit Metal1.info; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

Mit „Stuttgart“ hast du einen Text auf dem Album, der vermutlich nochmal intimer ist als alle politischen Texte. Wie schwer ist dir gefallen, diesen Text zu schreiben und diese Geschichte als Song mit den Fans zu teilen?
Das war für mich wirklich sehr schwer. Deshalb hat es auch vier Jahre gedauert, bis ich dieses Lied fertig hatte. Ich bin eigentlich gar kein Freund davon, so ganz private Sachen öffentlich zu teilen. Aber das war schon etwas, das die ganze Band beschäftigt hat. Die Jungs haben mich damals nach der Show die ganze Nacht hindurch zu meinen Eltern nach Göttingen gefahren. Das war alles eine krasse Zeit … das war so ein Moment, wo ich dachte: Genau dafür hat man beste Freunde.

Textlich hat es Corona in zwei Songs auf das Album geschafft – neben dem bereits erwähnten „Rumstehen“ auch in eurer Drosten-Hymne. War das Album schon fertig und ihr habt den nachträglich aufgenommen oder fiel eure „Challenge“ genau in die Aufnahmezeit?
Nein, andersherum! Wir wollten eigentlich im März ins Studio, aber das ging dann wegen des Lockdowns nicht. Wir haben dann einfach weiter an Songs geschraubt und auch noch neue geschrieben, die es sonst gar nicht gegeben hätte. Im Sommer haben wir dann nebenbei an einem Nachmittag den Drosten-Song eingespielt. Richtig ins Studio gegangen sind wir erst viel später.

Wann war klar, dass der Drosten-Song mit aufs Album muss? Direkt, als ihr ihn geschrieben habt, oder erst, als er medial so hohe Wellen geschlagen hat?
Das wollten wir eigentlich gar nicht, weil das ja nur ein netter Scherz sein sollte. Aber das Lied ist dann so riesig geworden, dass klar war, dass es auch auf die Platte muss. Alles, was mit diesem Song zu tun hat, ist einfach nur verrückt. Das hätte niemand von uns erwartet.

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Ihr habt für den Song viel Liebe und viel Hass abbekommen. Wie geht ihr mit solchen Anfeindungen um – direkt zum Anwalt damit, ignorieren, diskutieren?
Das Allermeiste ignorieren wir einfach. Wir sind ja Hass und Hetze von Nazis gewohnt. Jetzt noch ein paar Morddrohungen von Corona-Leugnern und Reichsbürgern obendrauf stören uns da auch nicht mehr.

Der ideologische Kampf um die Aussagen dieses vorher in der Bevölkerung komplett unbekannten Virologen ist ja quasi sinnbildlich für diese Zeiten geworden – und absurderweise scheint der Wahnsinn immer stärker zu werden, umso mehr sich die Warnungen von Drosten und Kollegen bewahrheiten und umso strengere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Für wie gefährlich hältst du diesen kruden Mix aus „Querdenkern“, Alternativen und Rechtsradikalen?
Hochgefährlich! Man muss sich mal vorstellen, wie viele Menschen gerade durch Corona-Leugner radikalisiert werden. Aus diesem Milieu heraus werden in den nächsten Jahren noch viele Straftaten und mit Sicherheit auch Morde verübt werden. Der Brandanschlag auf das Robert Koch-Institut und die Angriffe auf die Museen waren da nur ein Vorgeschmack. Der Attentäter von Hanau und auch der von Halle kommen übrigens genau aus dieser Szene von „Verrückten“, die sich durch das Internet mit Verschwörungsmythen und Verachtung für das Leben radikalisiert haben.

Zurück zu Positiverem: Ihr habt Christian Drosten dann getroffen – und er soll versprochen haben, den Song mal mit euch live zu spielen. War das eine Verlegenheitszusage oder hört der gute Mann Punkrock?
Er hat in den 1980ern viel Punk gehört, hat er uns erzählt … und später dann Metal. Sepultura und so. Ein total netter, angenehmer Typ. Das Konzert mit ihm spielen wir definitiv. Aber erst einmal muss es wieder normale Konzerte geben können. Daumen sind gedrückt!

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Bereits eure Gäste waren 100 Kilo Herz, und zwar auf dem Album im Song „Mach’s gut“– wie kam’s dazu?
100 Kilo Herz sind eine klasse Band, die wir schon lange auf dem Schirm hatten. Wir brauchten für den Song noch Bläser und haben spontan gefragt, ob sie da helfen wollen. Drei Tage später haben sie uns die Aufnahmen geschickt. Leider konnten wir sie wegen Corona nicht ins Studio holen, aber für 2021 haben wir uns fest für ein Treffen verabredet. Vielleicht klappt ja auch ein gemeinsames Konzert.

Ihr selbst wart in diesem Jahr Gast in einem anderen Punkrock-Projekt: dem Video von Die Ärzte. Wie fühlt sich das an, unter den Auserwählten zu sein und wie lief die Aktion ab?
Das war schon sehr witzig. Wir kennen Bela schon sehr lange und er hat auch mal bei einem Konzert von uns auf der Bühne Gitarre gespielt. Die Ärzte haben befreundeten Bands vorab den Song geschickt und gesagt: „Singt das Lied und filmt euch dabei“ – alles andere war uns selbst überlassen. Da war klar, dass wir Achterbahn fahren müssen …

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2020 war zumindest für Deutschpunk ein gutes Jahr. Mal noch kurz den deutschen Punkrock im Schnelldurchlauf – deine Meinung zu:
„Na gut dann nicht“ von Madsen? Geil!
„Wem gehört die Angst“ von Slime? Oldschool!
„Hell“ von Die Ärzte? Wundertüte!
„Jenseits von Gut und Böse“ von der Terrorgruppe? Genial!
„Stadt Land Flucht“ von 100 Kilo Herz? Ska!
Dieses Album habe ich jetzt vergessen: „20/20 Vision“ von Anti-Flag: bestes Album des Jahres!

… dass die Deutschpunk machen, wäre mir allerdings neu! (lacht)
Aber wo wir gerade so schön dabei sind, schließen wir doch direkt das Metal1.info-Brainstorming an!
Ein positives Erlebnis aus diesem Jahr: Der Videodreh zu „Mach’s gut“. Das war wirklich wunderschön!
Ein Hobby, für das du in der Pandemie endlich wieder Zeit hattest: Saufen!
Deine Hoffnung für 2021: Endlich wieder Konzerte mit Anschreien, Stagediven und Durchdrehen.
Talent oder Üben? Letzteres.
ZSK in zehn Jahren: Hoffentlich alle noch am Leben!

Danke dir! Die letzten Worte gehören dir – bleib gesund!
Vielen Dank für das angenehme Interview. Wir freuen uns schon drauf, euch bei irgendeiner Show (Erlangen?) wiederzutreffen! Bis bald!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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