Review Coppelius – Hertzmaschine

Der Steampunk-Express rollt – und mit ihm die Kammercore-Musikanten von COPPELIUS auf ihrem neuen Werk „Hertzmaschine“. Erstmals bekennt sich die Combo öffentlich zu ihrer Ausrichtung: „Gaslichtromantiker, Steampunker und Liebhaber von handgemachter Musik – COPPELIUS sind zurück, lauter denn je!“ Vollmundige Worte, denen die extravaganten Berliner auch Taten folgen lassen. Temporär scheint der Maschine allerdings die Luft auszugehen.

Zunächst feuert „Hertzmaschine“ aus allen Zylindern: Nach dem obligatorischen Intro entführt „Der Luftschiffharpunist“ in luftige Höhen. Bereits früh wird deutlich, dass Subway-to-Sally-Trommler Simon Michael an den Reglern ganze Arbeit geleistet hat: Die Schlagzeugelemente wirken deutlich besser abgemischt als bisher. Dafür bleiben im Gegenzug die Stimmen leider etwas auf der Strecke. Ab und an muss man auch öfters und genauer hinhören, um Cello und Kontrabass als eben jene Instrumente zu identifizieren. Die „Hertzmaschine“ fußt in den schnellen Teilen auf einem rockigeren Soundteppich, der unter anderem beim hitverdächtigen „Moor“ durch starke Verzerrungen sehr viel mehr nach Gitarre klingt als es die coppelianischen Musiker in der Vergangenheit wagten. Damit öffnen sich COPPELIUS sicherlich einem neuen und gleichzeitig größeren Publikum, verlieren aber auch etwas vom klarinettengeprägten Wahnsinn früherer Jahre. „Herzmaschine“ als Titelstück (ohne t vor dem z) setzt ebenfalls in der neueren Schaffensphase der Kapelle an, genauer gesagt bei „Reichtum“ – und überzeugt mit gehörigem Steampunk-Einschlag im Text.

In der Folge entpuppt sich das klarinettengeprägte „Reise“ als eher unspektakulär, während im tieftraurigen „Sternenstaub“ wieder einmal Bastille als Sänger brilliert und Coppelius ohne galvanische Experimente mit einem Piano als prägendes Element eine neue und sehr gelungene Facette präsentieren. Ebenfalls gelungen ist „Der Musenkuß“ und die Gary Moore-Coverversion „Black Is The Colour“, dem Bastille seine eigene Note verleiht. Auf der Habenseite verbucht „Hertzmaschine“ dazu das kurze, mehrstimmige, mantraartige „Contenance“. Immer noch mindestens akzeptabel präsentieren die Coppelianer die englischsprachigen „Killers“, die bereits liveerprobte Hommage an Iron Maiden,  und „Glad To Be Dead“.

Zweischneidiger wird das coppelianisch-geführte Steampunkschwert in der zweiten Albumhälfte, wo „Des Bettlers Traum“ und „Es fiel ein Himmelstaue“ keine einprägsamen Aufhänger liefern. Mag bei ersterem die musikalische Aufmachung durch die Grundthematik der für einen Bettler unerreichbaren Liebe bewusst spartanisch gehalten sein, gerät das Ergebnis doch sehr unspektakulär. Gleiches gilt für die Vertonung von Heinz Max Aids Gedicht „Konzert“ am Ende des Albums, wobei hier die Idee zumindest zum Nachdenken einlädt: Zu melancholisch-akustischen Klängen beschreibt der verlesene (und nicht gesungene) Text das Gefühlschaos nach einem Konzert: Überwiegt das Glück darüber, dass es gut gewesen ist, oder die Traurigkeit über die Endlichkeit der Darbietung?

Auf CD ist der coppelianische Versuch, eingängiger zu klingen, besonders im Vergleich zu sehr viel früheren Werken wie „Time“ relativ offenkundig. Dabei steht allerdings zum Teil die Identität des Projekts wie die galoppierenden Klarinetten und das wahnwitzige Tempo im bunten Instrumentenmix auf dem Spiel. Beides fehlt der „Hertzmaschine“. Anno 2015 haben COPPELIUS nicht mehr viel mit jener aufstrebenden Band gemeinsam, die als Support von Subway to Sally szeneweit für Furore gesorgt hat. Dafür fehlt über die gesamte Länge letztlich der Biss und auch das Maiden-Cover „Killers“ ist letztlich keine Entschädigung dafür, dass „Hertzmaschine“ nicht vollends überzeugt. Dennoch überwiegen unter dem Strich die positiven Ausreißer und die Band wird wohl allein durch ihre absolute Ausnahmestellung immer gewisse Sympathien (in entsprechenden Kreisen) genießen.

Wertung: 7.5 / 10

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