Die deutschen Gothic-Death-Metaller von CREMATORY zählen (sich) zur „Speerspitze des deutschen Gothic Metals“. In den letzten Jahren fiel jedoch die Kritik am Schaffen der Band weitaus spitzer aus. Ihr letztes Album „Inglorious Darkness“ wurde zwar nicht dergestalt verrissen, wie es mit dessen Vorgänger „Unbroken“ der Fall war, dennoch ließ sich auch vor drei Jahren nicht leugnen: CREMATORY können einem nicht egal sein. Man liebt oder man hasst sie.
Wenn man die scharfe Kluft zwischen „lieben“ und „hassen“ zur Agenda erklären will, kann man das Fazit ein Stück weit vorwegnehmen: CREMATORY wissen erneut (nicht) zu enttäuschen und bedienen zuverlässig beide Seiten. Der Promotext jedenfalls verspricht eine Rückkehr zu den Melodic-Death-Metal-Wurzeln der Band, garniert mit dem etablierten Gothic-Urcharme-Sahnehäubchen. Dabei ist die Rezeptur so vehement selbstgefällig gleichförmig, dass es fast schon zu bewundern ist.
Der Opener „Destination“ steht somit nicht nur symbolisch für den Rest des Albums – der Song zählt tatsächlich noch zu den besseren auf der Platte. Als würden Rammstein Death Metal spielen – oder es zumindest versuchen – walzt der Track mit Wucht durch die Gehörgänge und auch der eingängige Refrain ist zumindest nicht fehl am Platz. Sobald aber Sänger Felix, der seit „Inglorious Darkness“ auch den Klargesang übernimmt, ebendiesen anstimmt, wird klar, warum die nächsten Minuten schwierig werden.
Wer nämlich denkt, ein wenig Cringe gehöre dazu, der wird spätestens mit „The Future Is A Lonely Place“ merken, dass CREMATORY die Sache bitterernst meinen. Nicht nur hält Felix an seinen zweifelsfrei zweifelhaften Gesangsversuchen fest, Keyboards „Made by ZDF-Fernsehgarten“ nehmen den anklingenden Melodien an der Gitarre jede Substanz. Immerhin singt Felix die meiste Zeit auf Englisch, wenn auch unbeholfen artikuliert. Anders bei „Welt aus Glas“: Meisterhaft missliche Verse wie „Ein Schattentanz aus Träumen, ich seh‘ die Welt im Glanz, doch manche Stimmen klagen. Die Gegenwart der Wahrheit, sie sucht den letzten Ausweg, Zärtlichkeit entflieht dem Herzen“ werfen die ernsthafte Frage auf, ob es sich hier um die Gedanken eines erwachsenen Menschen handelt oder ob man sich die alten Tagebücher aus Teenager-Tagen zur Inspiration herangezogen hat.
Lyrik und Musik sind bei CREMATORY auch 2025 wieder so konsequent unterdurchschnittlich, dass es fast schade ist, wenn sich auf einem Song wie „My Own Private God“ doch mal recht anständige Grooves und Melodien einschleichen. Zumindest im schlechteren Mittelfeld könnte man es sich gemütlich machen, aber ihren Loveparade-Moment auf „Days Without Sun“ können sich CREMATORY genauso wenig verkneifen wie eine furchtbar gewöhnliche Cover-Version des Songs „My Girlfriend’s Girlfriend“, im Original von Type O Negative. Letztgenannte legt die Vermutung nahe, dass bei CREMATORY früher wirklich alles besser war. Peter Steele und seine Truppe konnten den relativ plumpen Text der Nummer damals mit Charme und Status kaschieren. Bei CREMATORY wirkt die Neuauflage des Originals im Kontext des neuen Albums unschön konsequent.
Geht man 25 Jahre in die Vergangenheit und zurück zur Musik, mag es stimmen, dass CREMATORY schon bessere Tage erlebt haben. „Destination“ allerdings ist ein weiteres Zeugnis chronischer Selbstüberschätzung bei gleichbleibend wenig Anspruch an das eigene Schaffen. Somit bleibt „Destination“ im schlechtesten Sinne Gothic-Geschnörkel, wie es Anfang der 2000er-Jahre von Down Below oder Zeraphine etabliert wurde. Aber das hatte zumindest noch einen gewissen Charme und hat die Cringe-Kurve schnittig genommen. CREMATORY rammeln mit Begeisterung durch die Bande in den Seitengraben. Haltungsnote nach dem Unfall: stabile Seitenlage.
Wertung: 2.5 / 10
Also ne 2,5 (!!!) das ist schon wirklich, wirklich hart für das Album, denn es hat durchaus seine Momente und ist auch Härte technisch wieder ein wenig back to the roots. Der Cleangesang, ist ein natürlich eine Vollkatastrophe. Es fehlt einfach ein vernünftiger cleaner Sänger wie damals Matze. Die deutschen Texte sind peinlich und auch das ganz NDH Gedöns zwischen den teilweise guten Songs ziehen das ganze Album merklich runter. Ich will das Album mögen aber es geht nicht. :-)
Wertung: 5,5 von 10
Lieber Marcel,
du kannst mir glauben, ich hab’s echt versucht. Ich hab’s auch sehr gewollt – wohl weniger als du. :D Es freut mich natürlich trotzdem, dass du dem Album etwas mehr abgewinnen konntest als ich.
Liebe Grüße!
Wirklich unfassbar schlecht. Man hat sich auch schön bei „Hellraiser“ von Suicide Commando bedient, was die Melodie, Synthesizersound und Rhythmus in der Strophe angeht.
Hey Martin,
das war mir gar nicht bekannt aber es wundert mich auch nicht.
Liebe Grüße;)
Das Type O-Cover kommt direkt aus der Cringe-Hölle, das Video dazu noch viel mehr. Ich bin kein Fan des Originals, Type O hatten wesentlich bessere Songs, aber andererseits bin ich froh, dass sich Crematory nicht an Black No. 1 oder ähnliches ranwagen.
Während Bands wie Unto Others Goth Rock/Metal mit einer gewissen Coolness zocken, sind Crematory ein Garant für German Piefigkeit. Bis heute frage ich mich, warum Crematory so groß geworden sind, andere wesentlich bessere Bands aber aus dem Untergrund nicht hochkommen.
Leider gibt es aktuell sowas wie Evereve (Stormbirds und Seasons bleiben Göttergaben) nicht mehr und Tiamat sind auch nicht mehr das, was sie bei Wildhoney mal waren. Wer also aktuelle Goth Combos aus dem Fahrwasser kennt, her damit.
Ich kann dem nichts hinzufügen. Das hast du sehr gut zusammengefasst. Ich bin ganz ehrlich: Ich habe Crematory relativ lange Zeit selbst gehört. Dabei waren sie nie sonderlich komplex oder einfallsreich bei ihren Songs, aber Alben wie „Act Seven“ oder „Believe“ hatten eine gewisse Leidenschaft inne. Vielleicht kann man es Authentizität nennen.
Ich glaube das hat auch viel des Erfolgs dieser Kombo ausgemacht. Wichtig ist halt auch das Line Up. Der ehemalige Gitarrist Matze hat die Songs nicht nur durch vergleichsweise solide Gitarrenarbeit bereichert, auch sein Klargesang hat es noch irgendwie angenehm gemacht.
Ich denke das Problem ist, dass das Selbstbewusstsein der Band seit „Infinity“ stetig gewachsen, dem gegenüber aber die Qualität bei der Musik konstant zurückgegangen ist. Du hast dabei noch ein anderes Dilemma pointiert. Mit dem Nachwuchs ist es nicht so einfach. Am Ende und in der Summe entsteht da eine Kuhle für Crematory, die wahrscheinlich gar keine Qualität mehr verlangt. Von den Fans werden sie so oder so gefeiert, von den Kritikern so oder so in Bodennähe befördert.
Liebe Grüße und danke für deinen Kommentar:)
Woho, also im Kontext von Creamatory mit den Übergigantenalben von Evereve zu kommen… Obwohl ich musikalisch quasi keinerlei Überlappung sehe: Größer könnte die Kluft nicht sein! C. waren schon immer bürgerlicher Beamtenmetal, Musik nach Vordruck ohne Nachdruck. Wie manche auf Essen ohne Würze vom Goldenen M stehen, gibt es genug, die auf C. abfahren. Es sei ihnen gegönnt, wenngleich man es nicht begreifen kann.
„Beamtenmetal“ – das ist schon sehr genial. Liebe Grüße :D
Diese Kritik kann nur von jemandem kommen der sich mit Crematory nicht auskennt und viel zu jung ist.
Diese Kritik ist nicht voreingenommen und trotzt nur so von Intoleranz.
Deshalb sollte man sie auch nicht ernst nehmen. Die meisten anderen Kritiken sind durchweg positiv.
am besten selber anhören und Meinung bilden. Hier sieht man dass Kritiken nicht voreingenommen sind. jeder Fan wird dass neue Album lieben, denn es ist Back to the Roots und dass is gut so.
Natürlich ist es vollkommen legitim, wenn du meiner Einschätzung nicht zustimmen kannst. Ich habe Crematory lange Zeit selbst verfolgt, daher weiß ich auch, dass Crematory beispielsweise mit „Infinity“ – gemessen an aktuelleren Alben – die Messlatte schon mal höher angesetzt haben. Aber am Ende ist und bleibt Musik subjektiv. Liebe Grüße und danke für deinen Kommentar.
Immer, wenn ich ein Crematory-Review irgendwo sehe, muss ich es lesen. Diese Band wirkt einfach wie eine Parodie. Auch hier wurde ich wieder nicht enttäuscht. Danke für den lustigen Text.
Lieber Daniel,
ich danke dir für deinen Kommentar. Allerdings muss ich gestehen – ich bin immer noch erschöpft.
Liebe Grüße;)