Review David Bowie – Blackstar

  • Label: Sony
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Entmetallisiert, Art-Pop, Jazz

Der letzte Vorhang ist gefallen. David Bowie ist tot. Doch zu gehen ohne ein finales Lebenszeichen, abzutreten, ohne sich selbst ein Epitaph zu errichten, das wäre zu einfach gewesen für einen wie Bowie. Einer, der seiner Zeit schon zu Lebzeiten um Jahre voraus war, stirbt nicht einfach so. Er inszeniert sein Ableben. Mit „Blackstar“ steigt der Starman endgültig ans Firmament hinauf und verewigt sich auf dem Weg dorthin ganz nebenbei in der Ruhmeshalle des Pop-Olymps.

Insbesondere der das Album eröffnende Titeltrack ist ein nahezu lichtloser Raum, ein schwarzes Loch mit enormer Sogwirkung. Schon alleine das Musikvideo, eine Art ausinszeniertes Hieronymus-Bosch-Gemälde aus der Zukunft, samt einem rätselhaften Kristallschädel, ekstatisch zuckenden Leibern und Kreuzigungsszenerien unter einem verhangenen, im Untergang begriffenen Himmel, versetzt den Betrachter tief hinein in Bowies Visionen vom Untergang des eigenen, verkrebsten Ichs, die er hier auf eine außerirdische Fantasiewelt projiziert, in der alles Menschliche – typisch Bowie – vielmehr humanoid ist als human. Dazu versponnene Drum-Beats, bedrohlich und verraucht schwelende, oft dissonante Bläser, sakrales Ah-ah und Oh-oh. Plötzlich, wenn auch nur für einen kurzen Moment, ein Himmel voller Geigen. Der alte Bowie, der von „Hunky Dory“, schaut kurz vorbei und verabschiedet sich so schnell, wie er zuvor gekommen war. Und immer wieder das mantrahafte „I’m a blackstar“.

Doch wo der Opener ein düsterer Abgesang ist, ist „Lazarus“, die zweite Single-Auskopplung des Albums, ein Requiem samt Heilsversprechen: „You know, I’ll be free just like that blue bird.“ Ein Song, der als Bowies Lebewohl in die Pop-Geschichte eingehen wird und mit jedem Hördurchlauf eine dickere Gänsehaut evoziert. “Look up here, I’m in heaven. I’ve got scars that can’t be seen.” Dass der Song der wahrscheinlich eingängigste des Albums ist, tut seiner Wirkung keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Er ist das emotionale Highlight der Platte.

Doch das nervös-treibende „Sue (Or In A Season Of Crime)“, das als  Neuaufnahme auf „Blackstar“ wesentlich straighter daherkommt als die Original-Version auf der Compilation „Nothing Has Changed“, oder das verhältnismäßig rockige, mit einem kryptischen, lautmalerischen Text versehene „Girl Loves Me“ können durchaus mithalten, genauso wie das relaxte „Dollar Days“.

Lediglich bei „‘Tis A Pity She Was A Whore“ und „I Can’t Give Everything Away“ will der Funke mangels zündender Ideen nicht so recht überspringen. Das jedoch ist eindeutig zu verschmerzen bei einem an Höhepunkten sonst nicht gerade armen Album wie „Blackstar“. Bowie nämlich ist seiner Maxime auch auf dem Sterbebett noch treu geblieben: Stillstand ist der Tod. Und genau deswegen trotzte er Letzterem auch bis zuletzt durch Innovation und Weiterentwicklung. Auf „Blackstar“ häutet sich der rätselhafte Maskenmann ein letztes Mal – und wird zum Schattenmann, zum dunklen Crooner cave’scher oder gar walker’scher Couleur, zum Dompteur einer lodernden Jazz-Hölle. Origineller war Bowie seit seinem 1995er Konzeptalbum „Outside“ nicht mehr.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Nico Schwappacher

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