Review In Flames – A Sense Of Purpose (+)

„Ich halte ‚A Sense Of Purpose‘ für extrem unterbewertet. Ich finde, dass es alle Elemente beinhaltet, die IN FLAMES ausmachen. Aber es hat so viel Scheiße abbekommen. Wenn die Fans abstimmen, schneidet es am schlechtesten ab – sie hassen es. Das verstehe ich einfach nicht.“

So wird Jesper Strömblad, Mitbegründer der Melodic-Death-Metal-Pioniere IN FLAMES, 2017 zitiert. Ganz falsch liegt der Gitarrist mit dieser Einschätzung nicht: Obwohl sein Ausstieg unter alteingesessenen IN-FLAMES-Fans gemeinhin als der entscheidende Wendepunkt in der Geschichte der Band gilt – und nicht eben hin zum Besseren, wie wohl nicht dazugesagt werden muss –, wurde das letzte Werk, an dem er beteiligt war, nicht etwa abgefeiert, sondern zum Prügelknaben in der Diskographie der Schweden degradiert. Zehn Jahre nach seiner Veröffentlichung ist es Zeit, für „A Sense Of Purpose“ eine Lanze zu brechen.

Ganz Unrecht hat Jesper nämlich auch mit dem ersten Teil seiner These nicht: Bereits der Opener „The Mirror’s Truth“ lässt mit schmissigen Riffs, eingängigen Leads und seiner melodischen Härte eher an „Clayman“ denn an „Come Clarity“ denken. Dass IN FLAMES dabei nicht auf Biegen und Brechen versuchen, ein Retro-Album zu schreiben, sondern einmal mehr gänzlich neue Einflüsse durchkommen lassen, kann man der Band eigentlich nur positiv anrechnen, auch wenn diese – zum Schrecken vieler Deather – aus dem Emocore kommen mögen. Gerade „Disconnected“ mit seinem Refrain, den die einen als gefühlvoll, die anderen wohl als Gejammer bezeichnen würden, ist dafür ein Paradebeispiel. Dass auch hier das Mainriff IN FLAMES in Reinkultur darstellt, wird von den Kritikern oftmals geflissentlich überhört.

Das gilt auch für das viel gescholtene „Alias“, das zumindest mit zehn Jahren Abstand und einem „Battles“ im Ohr gar nicht mehr so poppig klingt: Die über die Jahre entflammte Liebe der Schweden zu Mitsing-Refrains findet hier zwar zweifelsohne einen schnulzigen Höhepunkt – wer sich von der bereits 2008 längst von der Zeit überholten Idee losmacht, IN FLAMES seien eine Melodic-Death-Metal-Band, kann jedoch auch hier durchaus seine Freude haben: Und das lange – wäre der Song doch durchaus ein perfekter Ohrwurm …

wäre da nicht „I’m The Highway“. Der Song bläst mit seinem catchy Mainriff und dem kraftvoll geprügelten Mittelpart nicht nur „Alias“ aus dem Ohr, sondern eigentlich alle anderen Songs. Für Tage. Dass Friden auch hier weite Strecken mit cleanem Gesang absolviert, gibt dem ansonsten absolut IN-FLAMES-typischen Hit etwas von dem modernen Touch mit, den sich die Band mit den Vorgängeralben erspielt hat. Dass die Eingängigkeit des Albums nach dieser Nummer nur abnehmen kann, ist klar – und tatsächlich lässt „A Sense Of Purpose“ in der zweiten Albumhälfte etwas nach. Zunächst, weil IN FLAMES etwas zu sehr in der Tradition von „Come Clarity“ drauflosprügeln, sodann, weil das balladesk-schnulzige „The Chosen Pessimist“ tatsächlich kein guter Song ist. Das haben die Schweden vorher („Come Clarity“) und nachher („With Eyes Wide Open“) besser gemacht.

Spätestens das letzte Albumdrittel sollte aber eigentlich alle halbwegs aufgeschlossenen IN-FLAMES-Fans wieder versöhnen: Hier besinnen sich die Schweden wieder auf ihre Kerntugenden, schmissige Riffs (und eingängige Refrains). An letzteren kann man sich stören. Oder aber man lernt mit diesem auch als nicht erst seit „A Sense Of Purpose“ zu IN FLAMES gehörigen Element zu leben. Dafür ist es übrigens nie zu spät: Nicht nur, weil man seitdem eigentlich nur noch Schlechteres aus dem Hause IN FLAMES gehört hat, wäre es jetzt, zehn Jahre nach der Veröffentlichung, eigentlich an der Zeit, „A Sense Of Purpose“ eine neue Chance zu geben. Nicht, weil es das beste aller IN-FLAMES-Werke ist – aber weil es zumindest sehr weit davon entfernt ist, das schlechteste zu sein.

Wertung: 8 / 10

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