Review KMPFSPRT – Jugend mutiert

Punk- und Hardcore-Bands besitzen eine dieser klassischen Musikerkrankheiten: Mitreißende Alben werden veröffentlicht, bejubelte Tourneen werden gespielt, in Szenekreisen kennt den Namen der Band quasi jeder, und ehe man sich versieht, ist die Band auch schon wieder Geschichte. Weil die Finger allerdings immer noch jucken und die Energie ja irgendwie kanalisiert werden will, formen sich aus den Überresten solcher Splits häufig neue Gruppen; so auch geschehen bei der Kölner Punkband KMPFSPRT, welche sich unter anderem aus ehemaligen Mitgliedern von Fire In The Attic und Days in Grief zusammensetzt. Die Irritation hinsichtlich ihres Bandnamens haben die vier Jungs dankenswerterweise bereits selbstironisch mit dem Titel ihrer ersten EP, „Das ist doch kein Name für ’ne Band!“ kommentiert. In gerade einmal 18 Monaten Bandexistenz folgt nun Anfang 2014 mit „Jugend mutiert“ das erste Album und stellt einmal mehr unter Beweis, dass intelligenter, deutschsprachiger Punkrock derzeit so vital ist, wie schon lange nicht mehr.

Bereits der Opener „Nachtsicht“ weiß mitzureißen: Eine sägende, rotzige Gitarrenmelodie fräst sich ins Trommelfell, bis Sänger Richard mit seiner heiseren Stimme eine eingängige Melodie zu Schrei-Singen beginnt und schließlich auch Schlagzeug und Bass den Song weiter nach vorne preschen, ohne dabei stumpfe Punkrock-Klischees zu bedienen und immer auf die nötigen rhythmischen Spielereien und leidenschaftlichen Melodiebögen bedacht sind. „All My Friends Are Dads“ – der Titel ist hier nur einer von vielen Beweisen für die Gewitztheit von KMPFSPRT – weiß mit durchgetretenem Gaspedal, Emotionalität vollständig zu begeistern. Musikalisch werden die bereits hier öfter geweckten Erinnerungen an Muff Potter und Hot Water Music spätestens beim darauf folgenden „Am Ende hell“ vollständig bestätigt, wenn eine ryhthmische, Off-Beat-lastige Strophe auf einen hymnischen Refrain trifft.
Dass auf Albumlänge auch Reminiszenzen an Bands wie Captain Planet, Matula oder auch Oma Hans (der Gesang im Refrain von „Atheist“, anyone?) sowie einige Bands aus der US-Post-Hardcore-Ecke auftauchen und schließlich Felix von Frau Potz im kongenialen, wütenden und treibenden „Musikdienstverweigerer“ einen stimmigen Gastauftritt hat, macht den Durchlauf von „Jugend mutiert“ zu einer wahren Freude, nicht zuletzt, weil KMPFSPRT trotz ihrer eindeutigen Vorbilder zu jedem Zeitpunkt Eigenständigkeit beweisen und mit einer unfassbaren Spielfreude und Leidenschaft aufwarten können.
Neben den eingängigen Melodien tragen zu einem großen Teil auch die großartigen deutschsprachigen Texte zum stimmigen Gesamtbild bei, die in dieser Form wohl jedem junggebliebenen Erwachsenen zwischen Anfang und Ende 20 aus der Seele sprechen dürften. Beispiel gefällig? Gerne: „Und so wie jedes Mal ist das Wort zum Sonntag ‚Schade‘, das Wort zum Freitag ‚Bier‘ und das Wort zum Samstag ‚Kater’“, oder auch: „Und wenn die Welt es nicht versteht, dann muss die Welt halt lernen“. Bei der Thematisierung von persönlichen Problemen werden politische Implikationen nie ausgespart, ohne dabei allerdings mit dem Zeigefinger zu wedeln. Die Wut und der Wille zum Widerstand kommen in der Mischung aus diesen Texten und den treibenden, wütenden, dabei jedoch stets melodischen Punkrocksongs perfekt zur Geltung.

KMPFSPRT erfinden das Rad mit ihrem Debütalbum sicherlich nicht neu, das erwartet aber auch niemand. Objektiv betrachtet kann an „Jugend mutiert“ kaum etwas bemängelt werden, außer vielleicht der Tatsache, dass die Band das Spiel „Scheinbares Ende – Übergang – hymnischer letzter Refrain“ in manchen Songs ein bisschen zu weit führt und so in Erinnerung ruft, dass das Klischee vom kurzen, knackigen Punkrocksong-Ideal durchaus seine Berechtigung haben kann. Dass manche Lieder stärker begeistern können als andere, ändert nichts an daran, dass KMPFSPRT es schaffen, jedem Stück seine eigene Identität zu verleihen und auf Albumlänge nur einige wenige Längen aufkommen lassen.
So wie es vor einem knappen Jahrzehnt Muff Potters „Bordsteinkantengeschichten“ oder das Debüt von Turbostaat waren, ist „Jugend mutiert“ definitiv eine Standort-Bestimmung der aktuellen deutschen Punkszene, und zwar eine, die gewaltig Lust auf mehr macht.

Wertung: 8.5 / 10

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