Review Korn – The Serenity Of Suffering

Lust auf ein kleines Gedankenspiel? Wir befinden uns in einem Paralleluniversum, wir schreiben das Jahr 1999. Nu-Metal floriert, die Amis KORN haben ihren mit „Follow The Leader“ erworbenen Status als Genre-Vorreiter mit „Issues“ gefestigt. Nur wenige Jahre später legen Jonathan Davis und Konsorten nun mit „The Serenity Of Suffering“ nach. Und featuren auf dem Album Slipknots Corey Taylor.

Spätestens an diesem Punkt dürfte jeder Weltenwandler skeptisch werden. Schließlich galt in unserer, der echten Welt zu dieser Zeit das ungeschriebene Gesetz: Slipknot oder Korn. Man geht schließlich auch nicht Skateboarden und Inline-Skaten. Irritiert durch diesen Fehler in der Matrix kehren wir in die Realität zurück: Seit „Issues“ sind 17 Jahre verstrichen und KORN haben sieben Alben veröffentlicht. Und niemand findet mehr etwas daran sonderbar, wenn Corey Taylor auf einem KORN-Album zu hören ist. Diese Version ist die echte. Musikalisch jedoch wäre Szenario 1 nicht weniger plausibel. Na gut… wäre da nicht die Sache mit Corey Taylor.

Hinter einem Artwork, das so kitschig und pseudo-modern ist, dass es eigentlich nur aus den frühen 2000ern stammen kann, verbirgt sich mit „The Serenity Of Suffering“ nämlich ein Album, das auch musikalisch in dieser Zeit besser aufgehoben gewesen wäre – oder zumindest wie ein Direktimport aus der Vergangenheit klingt: Der Plan, den KORN bereits mit ihrem letzten Album „The Paradigm Shift“ gefasst hatten – die Rück-Transformation zur Nu-Metal-Band der Jahrtausendwende – geht diesmal voll auf: Statt halbgarer, lauwarmer Aufgüsse ihres altbewährten Stils liefern KORN kraftvolle, dynamische Songs, die den Vorgänger nicht nur in den Schatten, sondern komplett ins Abseits stellen.

Bereits der Opener, „Insane“ begeistert mit rohem, ungezügeltem Sound, unzähligen KORN-Trademarks und dem Retro-Charme stumpfen „Oldschool-Nu-Metals“. Ein Ausrutscher? Ein Einzelfall? Das eine Korn im Kieshaufen? Von wegen. Gleich „Rotting In Vain“ knüpft mit mächtigem Riff, Soulfly-Gedächtnis-Passage und Ohrwurm-Refrain auf dem selben Niveau an. Darf’s etwas groovender und zugleich melodischer sein? Aber klar doch, „Black Is The Soul“! Epischer Chorus gesucht? „The Hating“! Oder endlich mal klären, wie es nun klingen würde, wäre Corey Taylor Sänger bei KORN? „A Different World“ liefert die Antwort.

Damit ist man bei Song fünf angekommen. Dass diese Aufzählung trotzdem schon hier endet, hat einen einfachen Grund: Es wäre schlicht müßig, jeden einzelnen Song zu loben. Weil auch die zweite Albumhälfte unverkennbar nach KORN klingt. Vor allem aber, weil auch in der zweiten Albumhälfte jeder Song seinen Reiz hat: Füllmaterial oder gar Totalausfälle sucht man auch hier vergebens.

Nicht nach Jahrtausendwende klingt hingegen der Sound, aber das im besten Sinn: Statt scheppernd, dumpf oder dünn, wie sich viele Alben aus dieser Zeit im Lichte der heutigen Tontechnik anhören, knallt „The Serenity Of Suffering“ druckvoll und bissig, und doch stets kristallklar und differenziert aus den Boxen. Allein dafür gehört KORN, respektive Produzent Nich Raskulinecz (u.a. bereits für Stone Sour, Deftones, Marilyn Manson und Ghost tätig) Respekt gezollt.

Vielleicht braucht einfach alles seine Zeit. Vielleicht brauchten KORN etwas, um wieder mit Brian Welch zusammenzuwachsen, vielleicht ist auch eine Rückbesinnung auf Qualitäten von gestern nichts, was von heute auf morgen erledigt. Fakt ist: Nach dem vergleichsweise belanglosen „The Paradigm Shift“ melden sich KORN mit „The Serenity Of Suffering“ so stark zurück, wie man sie lange nicht gehört hat. Sehr lange.

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Wertung: 8.5 / 10

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Ein Kommentar zu “Korn – The Serenity Of Suffering

  1. Huch, na diese Band habe ich schon seit fast zehn Jahren nicht mehr auf dem Schirm gehabt.
    Und das obwohl ich mit den Jungs und Soad erst Eingang in den Metal gefunden habe.

    Seit „Take a look in the mirror“ (das imho auch schon etwas schlechter war als die Vorgänger) hat mir keine Veröffentlichung richtig mehr zugesagt. Und nach erstem quer hören rockt die Platte wirklich ganz ordentlich. Ich weiß nicht ob es noch so 100 prozentig meins ist, aber Hut ab! So einen Schlenker zu alter Qualität schaffen nicht viele.

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